Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Wirksamkeit von Verwaltungsakten

Bekanntgabe gegenüber einem verstorbenen Betroffenen

Bekanntgabe gegenüber einem verstorbenen Betroffenen

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf dem Grundstück des G werden gefährliche Altlasten festgestellt. Die zuständige Behörde erlässt eine Beseitigungsanordnung und schickt sie G zu. Noch bevor diese dort eingeht, verstirbt G. G's Sohn S nimmt die Anordnung entgegen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Bekanntgabe gegenüber einem verstorbenen Betroffenen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verwaltungsakt bedarf zu seiner Wirksamkeit der Bekanntgabe.

Ja, in der Tat!

Aus § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG geht hervor, dass ein Verwaltungsakt für seine Wirksamkeit der Bekanntgabe bedarf: "Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird." Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor, wenn die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen den Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet hat.
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2. Die Beseitigungsanordnung wurde dem G bekanntgegeben.

Nein!

Die Bekantngabe im Rechtssinne setzt voraus, dass der Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet wird.Der Betroffene G war bei Eingang der Beseitigungsanordnung schon verstorben. Ihm konnte der Inhalt des Verwaltungsakts nicht mehr eröffnet werden. Es fehlt an einer Bekanntgabe im Rechtsinne.

3. Die Beseitigungsanordnung wurde dem S bekanntgegeben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Aus § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG ergibt sich, dass ein Verwaltungsakt nur „gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird“ bekanntgegeben werden kann.Da die Beseitigungsanordnung nicht für S, sondern für G bestimmt war, ist sie S gegenüber nicht bekanntgegeben worden.Wichtig: Es geht hier nicht um die Frage, ob S eine Pflicht treffen kann, die für G begründet wurde (Rechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Pflichten), sondern um die davor liegende Frage, ob überhaupt eine Pflicht begründet wurde. Dies ist hier mangels wirksamer Beseitigungsanordnung nicht der Fall. Auf die Rechtsnachfolge kommt es nicht an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

4.3.2021, 19:54:45

Ist das nicht aber eigentlich eine grundstücksbezogene Pflicht?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

8.3.2021, 14:18:09

Liebe Isa Bell, vollkommen richtig: Materiell-rechtlich besteht eine Pflichtigkeit des Grundstückseigentümers für Altlasten auf seinem Grundstück. Hieran anknüpfend kann die

Behörde

eine Beseitigungsanordnung gegen den Eigentümer erlassen. Die Handlungspflicht folgt aber aus der Abordnung, nicht bereits aus der Eigentümerstellung. Im Fall aber war die Anordnung nicht wirksam, da sie dem Adressaten nicht bekannt gegeben wurde. Will die

Behörde

den neuen Eigentümer zur Handlung verpflichten, muss sie eine neue Anordnung gegen ihn erlassen. Beste Grüße - Wendelin, für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

8.3.2021, 14:21:06

Dankeschön für die Antwort. Ich glaube, jetzt ist mir der Anknüpfungspunkt endlich klar geworden 😄

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

8.3.2021, 22:31:20

Das freut mich, liebe Isa Bell!

TAY

Taylaw

7.2.2022, 17:42:03

Ich habe eine Frage zur Pflichtennachfolge. Im Erklärungstext steht, dass es auf diese gar nicht erst ankäme, weil der VA gar nicht erst bekanntgegeben wurde. In der Uni wurde uns allerdings beigebracht, dass auch bei solchen abstrakten Pflichten hinsichtlich einer Zustands- und Verhaltensverantwortlichkeit nach Ansicht der Rechtsprechung eine Pflichtennachfolge stattfindet. Für den Fall hier würde das doch bedeuten, dass S sich doch um die Beseitigung kümmern müsste, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.2.2022, 14:45:26

Hallo Taylaw, im Ergebnis hast Du völlig recht. Die Beseitigungspflicht trifft hier auch den S als

Zustandsstörer

. Allerdings ist der entsprechende Bescheid nicht an ihn adressiert und insoweit nicht ihm gegenüber wirksam bekanntgegeben worden. Um ihn in Anspruch zu nehmen, müsste insofern ein neuer Bescheid ihm gegenüber erlassen werden. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

Sassun

Sassun

11.11.2024, 15:45:38

Ich verstehe, dass der VA nicht für S bestimmt war iSv § 43 I 1 VwVfG. Allerdings wäre S doch von dem VA betroffen nach § 43 I 1 Alt. 2, die Frage etwas ausführlicher: S ist schließlich sowohl privatrechtlich als auch ör der Nachfolger von G. Wenn eine Beseitigungsanordnung ggü. seinem Haus (adressiert an den toten G) ergeht, ist S nicht bestimmter Adressat aber als Kostenträger doch wohl Betroffener iSd § 43 I 1 Alt. 2, oder?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

12.11.2024, 16:08:22

Hallo @[Sassun](247789), keine ganz leichte Frage, mE muss man hier genau differenzieren: 1. Wir haben keinen VA der

Behörde

ggü G. Er ist zwar Adressat des VA, aber ein VA, der an einen verstorbenen bzw nicht existenten Adressaten gerichtet ist, kann diesem nicht bekanntgegeben werden. Ob der VA dadurch "nichtig" (in diese Richtung zB VGH Mannheim, Urt v 10.2.1983 – 2 S 390/82, BeckRS 1983, 3635) oder schlicht nicht wirksam (bekanntgegeben) wird (so wohl BeckOK-VwVfG/Schemmer, 65. Ed, Stand 1.10.2024, § 43 Rn 38.1), kann man dogmatisch möglicherweise diskutieren, spielt aber für unseren Fall keine Rolle. 2. Eine wirksame Bekanntgabe an S als Adressat liegt ebenfalls nicht vor, weil S nicht Adressat des an G gerichteten VA ist. Und die Betroffenheit verstehst Du hier nicht ganz richtig. Gemeint sind damit Fälle von § 13 II 1 VwVfG, aber nicht diejenigen, die eigentlich notwendig Beteiligte nach § 13 I VwVfG sind (Schoch/Schneider/Goldhammer, VerwaltungsR, Werkstand 4. EL Nov 2023, § 43 VwVfG Rn 55). S ist nicht "Betroffener", sondern hätte vielmehr eigentlich der Adressat der Maßnahme sein müssen - denn eine Bekanntgabe an G ist ja nicht mehr möglich (siehe 1.). Die

Behörde

kann natürlich schlicht einen neuen VA mit S als Adressat erlassen, die Voraussetzungen für die Beseitigungsanordnung dürften ja nach wie vor und auch ggü S bestehen. Das hat sie aber nicht getan. 3. Davon zu trennen ist die Frage der Rechtsnachfolge: Wäre G ein VA wirksam bekanntgegeben worden und wäre er danach (!) verstorben, würde S automatisch in die Rechtsstellung des G eintreten, ohne dass es eines neuen VA gegen S als Adressat bedarf? Grds wegen des eben Genannten nein. Ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen aber doch, wenn Rechtsnachfolgefähigkeit und Rechtsnachfolgetatbestand vorliegen (ausführlich zu den Einzelheiten Schoch/Schneider/Goldhammer, VerwaltungsR, Werkstand 4. EL Nov 2023, § 43 VwVfG Rn 60 ff). Das dürfte in unserem Fall so sein, darauf wollen wir hier aber gar nicht näher eingehen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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