Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Wirksamkeit von Verwaltungsakten
Bekanntgabe gegenüber einem verstorbenen Betroffenen
Bekanntgabe gegenüber einem verstorbenen Betroffenen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Auf dem Grundstück des G werden gefährliche Altlasten festgestellt. Die zuständige Behörde erlässt eine Beseitigungsanordnung und schickt sie G zu. Noch bevor diese dort eingeht, verstirbt G. G's Sohn S nimmt die Anordnung entgegen.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Bekanntgabe gegenüber einem verstorbenen Betroffenen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Verwaltungsakt bedarf zu seiner Wirksamkeit der Bekanntgabe.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Beseitigungsanordnung wurde dem G bekanntgegeben.
Nein!
3. Die Beseitigungsanordnung wurde dem S bekanntgegeben.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
4.3.2021, 19:54:45
Ist das nicht aber eigentlich eine grundstücksbezogene Pflicht?
Wendelin Neubert
8.3.2021, 14:18:09
Liebe Isa Bell, vollkommen richtig: Materiell-rechtlich besteht eine Pflichtigkeit des Grundstückseigentümers für Altlasten auf seinem Grundstück. Hieran anknüpfend kann die
Behördeeine Beseitigungsanordnung gegen den Eigentümer erlassen. Die Handlungspflicht folgt aber aus der Abordnung, nicht bereits aus der Eigentümerstellung. Im Fall aber war die Anordnung nicht wirksam, da sie dem Adressaten nicht bekannt gegeben wurde. Will die
Behördeden neuen Eigentümer zur Handlung verpflichten, muss sie eine neue Anordnung gegen ihn erlassen. Beste Grüße - Wendelin, für das Jurafuchs-Team
Isabell
8.3.2021, 14:21:06
Dankeschön für die Antwort. Ich glaube, jetzt ist mir der Anknüpfungspunkt endlich klar geworden 😄
Wendelin Neubert
8.3.2021, 22:31:20
Das freut mich, liebe Isa Bell!
Taylaw
7.2.2022, 17:42:03
Ich habe eine Frage zur Pflichtennachfolge. Im Erklärungstext steht, dass es auf diese gar nicht erst ankäme, weil der VA gar nicht erst bekanntgegeben wurde. In der Uni wurde uns allerdings beigebracht, dass auch bei solchen abstrakten Pflichten hinsichtlich einer Zustands- und Verhaltensverantwortlichkeit nach Ansicht der Rechtsprechung eine Pflichtennachfolge stattfindet. Für den Fall hier würde das doch bedeuten, dass S sich doch um die Beseitigung kümmern müsste, oder?
Lukas_Mengestu
9.2.2022, 14:45:26
Hallo Taylaw, im Ergebnis hast Du völlig recht. Die Beseitigungspflicht trifft hier auch den S als
Zustandsstörer. Allerdings ist der entsprechende Bescheid nicht an ihn adressiert und insoweit nicht ihm gegenüber wirksam bekanntgegeben worden. Um ihn in Anspruch zu nehmen, müsste insofern ein neuer Bescheid ihm gegenüber erlassen werden. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Sassun
11.11.2024, 15:45:38
Ich verstehe, dass der VA nicht für S bestimmt war iSv § 43 I 1 VwVfG. Allerdings wäre S doch von dem VA betroffen nach § 43 I 1 Alt. 2, die Frage etwas ausführlicher: S ist schließlich sowohl privatrechtlich als auch ör der Nachfolger von G. Wenn eine Beseitigungsanordnung ggü. seinem Haus (adressiert an den toten G) ergeht, ist S nicht bestimmter Adressat aber als Kostenträger doch wohl Betroffener iSd § 43 I 1 Alt. 2, oder?
Sebastian Schmitt
12.11.2024, 16:08:22
Hallo @[Sassun](247789), keine ganz leichte Frage, mE muss man hier genau differenzieren: 1. Wir haben keinen VA der
Behördeggü G. Er ist zwar Adressat des VA, aber ein VA, der an einen verstorbenen bzw nicht existenten Adressaten gerichtet ist, kann diesem nicht bekanntgegeben werden. Ob der VA dadurch "nichtig" (in diese Richtung zB VGH Mannheim, Urt v 10.2.1983 – 2 S 390/82, BeckRS 1983, 3635) oder schlicht nicht wirksam (bekanntgegeben) wird (so wohl BeckOK-VwVfG/Schemmer, 65. Ed, Stand 1.10.2024, § 43 Rn 38.1), kann man dogmatisch möglicherweise diskutieren, spielt aber für unseren Fall keine Rolle. 2. Eine wirksame Bekanntgabe an S als Adressat liegt ebenfalls nicht vor, weil S nicht Adressat des an G gerichteten VA ist. Und die Betroffenheit verstehst Du hier nicht ganz richtig. Gemeint sind damit Fälle von § 13 II 1 VwVfG, aber nicht diejenigen, die eigentlich notwendig Beteiligte nach § 13 I VwVfG sind (Schoch/Schneider/Goldhammer, VerwaltungsR, Werkstand 4. EL Nov 2023, § 43 VwVfG Rn 55). S ist nicht "Betroffener", sondern hätte vielmehr eigentlich der Adressat der Maßnahme sein müssen - denn eine Bekanntgabe an G ist ja nicht mehr möglich (siehe 1.). Die
Behördekann natürlich schlicht einen neuen VA mit S als Adressat erlassen, die Voraussetzungen für die Beseitigungsanordnung dürften ja nach wie vor und auch ggü S bestehen. Das hat sie aber nicht getan. 3. Davon zu trennen ist die Frage der Rechtsnachfolge: Wäre G ein VA wirksam bekanntgegeben worden und wäre er danach (!) verstorben, würde S automatisch in die Rechtsstellung des G eintreten, ohne dass es eines neuen VA gegen S als Adressat bedarf? Grds wegen des eben Genannten nein. Ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen aber doch, wenn Rechtsnachfolgefähigkeit und Rechtsnachfolgetatbestand vorliegen (ausführlich zu den Einzelheiten Schoch/Schneider/Goldhammer, VerwaltungsR, Werkstand 4. EL Nov 2023, § 43 VwVfG Rn 60 ff). Das dürfte in unserem Fall so sein, darauf wollen wir hier aber gar nicht näher eingehen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team