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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zigarettenherstellerin Z wird von der EU dazu verpflichtet, auf ihre Schachteln zu drucken: "Die EU-Gesundheitsminister warnen: Rauchen verursacht Krebs!" Z möchte diese Warnhinweise nicht weiterverbreiten und meint, diese Pflicht berühre ihre negative Meinungsfreiheit.

Einordnung des Falls

Sachlicher Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit:

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) schützt auch das Recht, keine bestimmte Meinung zu haben und zu bilden oder seine Meinung nicht zu äußern.

Ja!

In negativer Hinsicht enthält die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) das Recht, keine bestimmte Meinung zu bilden oder sich keiner bestimmten Meinung anschließen zu müssen oder seine Meinung nicht zu äußern (negative Meinungsfreiheit). Grund hierfür ist der Sinn und Zweck der Meinungsfreiheit. Durch sie soll ein freiheitlich-demokratischer Diskurs ermöglicht, nicht allerdings erzwungen werden.

2. Die negative Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) umfasst ferner das Recht, eine fremde Meinung nicht als eigene äußern oder verbreiten zu müssen.

Genau, so ist das!

Der sachliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) schützt die freie Meinungsäußerung. Wird ein Grundrechtsträger dazu verpflichtet, eine fremde Meinung als eigene Meinung zu verbreiten, würde ein Meinungsaustausch erzwungen bzw. der Grundrechtsträger zur Meinungsäußerung gezwungen. Dies widerstrebt jedoch Sinn und Zweck der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), den freiheitlich-pluralistischen Diskurs zwischen Grundrechtsträgern ohne staatliche Lenkung zu ermöglichen.

3. Selbst wenn bei staatlichen Warnhinweisen die Urheberschaft und Zurechenbarkeit der fremden Äußerung klar ersichtlich wird, ist der sachliche Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) eröffnet.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Warnhinweisen nimmt der Staat Produkte von Unternehmen in Anspruch, um staatliche Warnungen zu verbreiten. Nach dem BVerfG ist in diesen Fällen der Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) nicht eröffnet, weil der für den Warnhinweis in Anspruch genommene Grundrechtsträger lediglich dazu verpflichtet wird, eine fremde Meinung zu verbreiten, die auch als fremde erkennbar ist. Der Grundrechtsträger muss daher nicht eine fremde Meinung als eigene Meinung verbreiten.

4. Der sachliche Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) ist eröffnet.

Nein!

Die negative Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) umfasst das Recht, keine bestimmte Meinung zu bilden oder keine fremde Meinung als eigene äußern oder verbreiten zu müssen. Die EU ist als Urheberin des Warnhinweises erkennbar. Es ist somit hinreichend deutlich, dass Z zur Wiedergabe einer fremden Meinung verpflichtet wird. Eine fremde Meinung wird Z nicht als eigene aufgezwungen. Nach einer Mindermeinung ist der sachliche Schutzbereich eröffnet, weil mit der Wiedergabe einer fremden Meinung der Eindruck des Einverständnisses erweckt werde. Der sachliche Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist eröffnet.

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MAR

Marius

20.6.2021, 07:44:48

Durch die ganze Lektion zieht sich ein, meiner Meinung nach, falsches Verständnis vom „eröffneten Schutzbereich“ im Vergleich zu einem „Eingriff“ in diesen. Da das Thema der negativen Meinungsfreiheit tangiert wird, ist der sachliche SB hier immer eröffnet. Ein Eingriff lag aber nicht immer vor. Die Fragen drehten sich jedes Mal um die Eröffnung des SBs und vermischten das inhaltlich mit dem Eingriff.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

23.6.2021, 00:07:22

Hallo Marius, danke für deine Anmerkung und deine Kritik, die wir so aber nicht teilen: Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung sind dogmatisch und in der Fallprüfung voneinander zu trennen. Für das Verständnis des Schutzbereichs eines Grundrechts ist es aber enorm hilfreich, den Schutzbereich vom Eingriff her zu denken. Konkret: Dass die

negative Meinungsfreiheit

das Recht umfasst, keine Meinung zu bilden oder zu äußern, ist relativ offensichtlich. Aber in welchen Konstellationen die

negative Meinungsfreiheit

relevant wird, lässt sich erst handgreiflich machen, wenn man den Eingriff mitdenkt. Die Frage nach der Eröffnung des Schutzbereichs bewegt sich nicht im luftleeren Raum, sondern ist eng mit dem Eingriff verknüpft (vgl. auch Michael/Morlok, Grundrechte, 7.A. 2020, RdNr. 36). Deshalb haben wir hier in Fall 1 und Fall 2 (neu) die Eingriffsdimension mit dargestellt. In Fall 3, Fall 4 (neu) und Fall 5 hingegen geht es ausschließlich um die Eröffnung des Schutzbereichs. Anders als Du schreibst ist hier gerade keineswegs der sachliche Schutzbereich immer eröffnet: In Fall 2 und Fall 3 (neu) ist der Schutzbereich bereits nicht eröffnet, weil die

negative Meinungsfreiheit

nicht vor der zwanglosen Konfrontation mit anderen Meinungen schützt. In Fall 5 (diesem Fall hier) ist der Schutzbereich nicht eröffnet, weil die

negative Meinungsfreiheit

nicht vor der Verpflichtung schützt, eine fremde Meinung als fremde zu verbreiten. Hoffe das hilft fürs Verständnis! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Leonard John

Leonard John

7.7.2021, 07:38:35

Dass Rauchen Krebs verursacht, ist m.E. nicht mal eine Meinung, sondern eine Tatsachenwidergabe, die natürlich, weil sie der Meinungsbildung dient, auch geschützt ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.7.2021, 15:13:39

Hi Leonard John, in der Tat ist es heutzutage wissenschaftlicher Konsens, dass hier eine klare Kausalität und nicht bloß eine Korrelation besteht. Das BVerfG hat es sich damals noch einfach gemacht und lediglich auf die "Meinung" abgestellt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sophix58

Sophix58

3.5.2023, 08:45:20

Ich finde die Idee mit den Klausurhinweisen super, gerne mehr davon!

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.5.2023, 10:46:17

Hallo Sophix58, danke für das Feedback! Wir geben unser Bestes, euch so viele Tipps und Tricks wie möglich mit auf den Weg zu geben. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

LUC1502

luc1502

14.3.2024, 18:10:38

könnte man sich dann ggf. auf Art.2 I GG berufen? oder vlt sogar Art.12 GG, da dieser mir ja auch Schutzbereichsebene gewährleistet, meinen Beruf im großen und ganzen erstmal so auszuüben, wie ich es will, wozu m.E. auch gehören würde, dass ich als Produzent von Zigaretten selbst entscheiden will, was ich auf meine Verpackung drucke und was nicht.

Gruttmann

Gruttmann

14.3.2024, 22:18:59

Genau, wie in der abschließenden Frage beim Klausurhinweis darauf hingewiesen wird. Zunächst wäre der sachliche SB des Art.12 eröffnet. LG, Gruttmann


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