Öffentliches Recht
Grundrechte
Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG)
Sachlicher Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit:
Sachlicher Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit:
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Zigarettenherstellerin Z wird von der EU dazu verpflichtet, auf ihre Schachteln zu drucken: "Die EU-Gesundheitsminister warnen: Rauchen verursacht Krebs!" Z möchte diese Warnhinweise nicht weiterverbreiten und meint, diese Pflicht berühre ihre negative Meinungsfreiheit.
Diesen Fall lösen 82,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Sachlicher Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit:
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) schützt auch das Recht, keine bestimmte Meinung zu haben und zu bilden oder seine Meinung nicht zu äußern.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die negative Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) umfasst ferner das Recht, eine fremde Meinung nicht als eigene äußern oder verbreiten zu müssen.
Genau, so ist das!
3. Selbst wenn bei staatlichen Warnhinweisen die Urheberschaft und Zurechenbarkeit der fremden Äußerung klar ersichtlich wird, ist der sachliche Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) eröffnet.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Der sachliche Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) ist eröffnet.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Marius
20.6.2021, 07:44:48
Durch die ganze Lektion zieht sich ein, meiner Meinung nach, falsches Verständnis vom „eröffneten Schutzbereich“ im Vergleich zu einem „Eingriff“ in diesen. Da das Thema der negativen Meinungsfreiheit tangiert wird, ist der sachliche SB hier immer eröffnet. Ein Eingriff lag aber nicht immer vor. Die Fragen drehten sich jedes Mal um die Eröffnung des SBs und vermischten das inhaltlich mit dem Eingriff.
Wendelin Neubert
23.6.2021, 00:07:22
Hallo Marius, danke für deine Anmerkung und deine Kritik, die wir so aber nicht teilen: Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung sind dogmatisch und in der Fallprüfung voneinander zu trennen. Für das Verständnis des Schutzbereichs eines Grundrechts ist es aber enorm hilfreich, den Schutzbereich vom Eingriff her zu denken. Konkret: Dass die
negative Meinungsfreiheitdas Recht umfasst, keine Meinung zu bilden oder zu äußern, ist relativ offensichtlich. Aber in welchen Konstellationen die
negative Meinungsfreiheitrelevant wird, lässt sich erst handgreiflich machen, wenn man den Eingriff mitdenkt. Die Frage nach der Eröffnung des Schutzbereichs bewegt sich nicht im luftleeren Raum, sondern ist eng mit dem Eingriff verknüpft (vgl. auch Michael/Morlok, Grundrechte, 7.A. 2020, RdNr. 36). Deshalb haben wir hier in Fall 1 und Fall 2 (neu) die Eingriffsdimension mit dargestellt. In Fall 3, Fall 4 (neu) und Fall 5 hingegen geht es ausschließlich um die Eröffnung des Schutzbereichs. Anders als Du schreibst ist hier gerade keineswegs der sachliche Schutzbereich immer eröffnet: In Fall 2 und Fall 3 (neu) ist der Schutzbereich bereits nicht eröffnet, weil die
negative Meinungsfreiheitnicht vor der zwanglosen Konfrontation mit anderen Meinungen schützt. In Fall 5 (diesem Fall hier) ist der Schutzbereich nicht eröffnet, weil die
negative Meinungsfreiheitnicht vor der Verpflichtung schützt, eine fremde Meinung als fremde zu verbreiten. Hoffe das hilft fürs Verständnis! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Leonard John
7.7.2021, 07:38:35
Dass Rauchen Krebs verursacht, ist m.E. nicht mal eine Meinung, sondern eine Tatsachenwidergabe, die natürlich, weil sie der Meinungsbildung dient, auch geschützt ist.
Lukas_Mengestu
9.7.2021, 15:13:39
Hi Leonard John, in der Tat ist es heutzutage wissenschaftlicher Konsens, dass hier eine klare Kausalität und nicht bloß eine Korrelation besteht. Das BVerfG hat es sich damals noch einfach gemacht und lediglich auf die "Meinung" abgestellt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sophix58
3.5.2023, 08:45:20
Ich finde die Idee mit den Klausurhinweisen super, gerne mehr davon!
Nora Mommsen
3.5.2023, 10:46:17
Hallo Sophix58, danke für das Feedback! Wir geben unser Bestes, euch so viele Tipps und Tricks wie möglich mit auf den Weg zu geben. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
luc1502
14.3.2024, 18:10:38
könnte man sich dann ggf. auf Art.2 I GG berufen? oder vlt sogar Art.12 GG, da dieser mir ja auch Schutzbereichsebene gewährleistet, meinen Beruf im großen und ganzen erstmal so auszuüben, wie ich es will, wozu m.E. auch gehören würde, dass ich als Produzent von Zigaretten selbst entscheiden will, was ich auf meine Verpackung drucke und was nicht.
Gruttmann
14.3.2024, 22:18:59
Genau, wie in der abschließenden Frage beim Klausurhinweis darauf hingewiesen wird. Zunächst wäre der sachliche SB des Art.12 eröffnet. LG, Gruttmann
Amelie7
12.11.2024, 10:02:09
Ich bin der Meinung, dass heute größtenteils auf den Schachteln nicht klar gekennzeichnet wird, dass das eine fremde Meinung ist, sondern lediglich "Rauchen kann tödlich sein" u.ä. Wie sieht es da aus?
hannabuma
16.11.2024, 16:04:34
Im verlinkten Urteil steht zu solchen Fällen: „Etwas anderes würde gelten, wenn die Warnhinweise nicht deutlich erkennbar Äußerung einer fremden Meinung wären, sondern dem Produzenten der Tabakerzeugnisse zugerechnet werden könnten. Würde einem Grundrechtsberechtigten die Verbreitung einer fremden Meinung als eigene zugemutet, so wäre die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) berührt. Wird dem Adressaten der Werbung der Eindruck vermittelt, der Tabakproduzent unterstütze aus eigenem Willen die Verbreitung der Warnhinweise, verbreite also von sich aus diese Aussage, so kann die Freiheit der Meinungsverbreitung den Prüfungsmaßstab bieten.“ Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit wäre demnach eröffnet.