Nichtigkeit Fall 6: § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG: Kopplungsverbot


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Kirmesmeister K möchte in der Gemeinde G ein Karussel betreiben. G sagt die Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis zu, K verpflichtet sich im Gegenzug, die Anschaffung eines neuen Linienbusses für G zu finanzieren.

Einordnung des Falls

Nichtigkeit Fall 6: § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG: Kopplungsverbot

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K und G haben einen subordinationsrechtlichen Austauschvertrag geschlossen.

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Ja!

§ 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG regelt den subordinationsrechtlichen Austauschvertrag. Ein Austauschvertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, in dem sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet. Beim subordinationsrechtlichen Vertrag besteht ein Über-Unterordnungs-Verhältnis zwischen den Parteien: die Behörde hätte anstelle des Vertragsschlusses auch einseitig handeln können. wenn Für koordinationsrechtliche Austauschverträge gilt § 56 VwVfG nicht, ihre Zulässigkeit richtet sich nach §§ 54 S. 1, 57, 58, 59 Abs. 1 VwVfG. K hat sich dazu verpflichtet, den neuen Linienbus zu finanzieren. Im Gegenzug will G die begehrte Genehmigung erlassen. G hätte diese einseitig erlassen können. Es handelt sich um einen subordinationsrechtlichen Austauschvertrag i.S.v. § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG.

2. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 VwVfG liegen vor.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ein subordinationsrechtlicher Austauschvertrag ist nur dann zulässig, wenn (1) die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und (2) der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dient (§ 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Zudem muss die Gegenleistung (3) den gesamten Umständen nach angemessen sein und (4) im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Das sog. Kopplungsverbot soll vorbeugen, dass es zum „Ausverkauf“ von Hoheitsrechten kommt und den Bürger vor unangemessenen Verpflichtungen schützen. Die Anforderungen aus § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG liegen hier wohl vor. Allerdings ist die Mitfinanzierung des öffentlichen Nahverkehrs durch K im Verhältnis zur begehrten Genehmigung als unangemessen einzuordnen. Weiterhin steht sie auch in keinem sachlichen Zusammenhang zu der Genehmigung.

3. Ein Verstoß gegen § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG führt nie zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags.

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Nein, das trifft nicht zu!

Der besondere Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG erklärt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag für nichtig, wenn sich die Behörde eine nach § 56 VwVfG unzulässige Gegenleistung versprechen lässt. Diese Regelung ist nur konsequent, denn § 56 VwVfG liefe ins Leere, wenn die Parteien lediglich die Rechtswidrigkeit des Vertrags, nicht aber die Nichtigkeit in Kauf nehmen würden, indem sie die Voraussetzungen umgehen. Ein Verstoß gegen des Kopplungsverbot führt also stets zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags. Der Vertrag zwischen K und G verstößt gegen § 56 VwVfG. Der Vertrag ist nichtig nach § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Er entfaltet keinerlei Rechtswirkungen, keiner der beiden Parteien kann die Erfüllung des Vertrags verlangen.

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