Abwicklung wirksamer Verträge

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Toni (T) hat mit Behörde B einen wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen. Danach soll T einen weiteren Standort ihres Unternehmens eröffnen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Als T dies nicht tut, fordert B sie per Verwaltungsakt auf, dieser Verpflichtung nachzukommen.

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Einordnung des Falls

Abwicklung wirksamer Verträge

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat einen Erfüllungsanspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag gegen T.

Ja, in der Tat!

Ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wirksam, so haben die Vertragsparteien einen Anspruch darauf, dass die versprochenen Leistungen erbracht werden. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist wirksam, wenn die Voraussetzungen der §§ 54 ff. VwVfG vorliegen. Der öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen T und B ist wirksam. Damit hat B einen Anspruch darauf, dass T den neuen Standort und damit die Arbeitsplätze schafft.
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2. Die §§ 54ff. VwVfG enthalten spezielle Regelungen zur Abwicklung eines wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrags.

Nein!

Das VwVfG regelt die Vertragsabwicklung von öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht eigenständig. Vielmehr findet sich in § 62 S. 2 VwVfG ein Verweis auf die einschlägigen Vorschriften des BGB unter Berücksichtigung der Eigenarten eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Kommt eine Partei (vor)vertraglichen Pflichten nicht nach, sind vor allem die §§ 241 Abs. 2 i.V.m. 280ff., 311 BGB relevant. B kann auf Grundlage des Vertrags Erfüllung (i.S.v. § 362 BGB) verlangen. Kommt T ihren vertraglichen Pflichten nicht nach, sind die §§ 280ff. BGB einschlägig.Da der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen nur im Bezug auf den Vertragsgegenstand besteht, ist es nur konsequent, dass die Vertragsabwicklung auf dieselbe Weise erfolgt. Eine eigenständige Regelung im VwVfG ist überflüssig.

3. Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag kann die Behörde durch den Erlass eines Verwaltungsakt durchsetzen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Behörde darf ihre vertraglichen Ansprüche grundsätzlich nicht durch Verwaltungsakt durchsetzen (sog. Sperrwirkung des öffentlich-rechtlichen Vertrags). Hat sich die Behörde einmal dem Instrument des öffentlich-rechtlichen Vertrags bedient, soll sie nicht ohne Weiteres bezüglich desselben Regelungsgegenstands einen Verwaltungsakt erlassen können. Etwas anderes gilt nur, wenn die Behörde hierzu durch ein Gesetz berechtigt ist. B kann die Vertragserfüllung durch T nicht durch einen Verwaltungsakt durchsetzen.

4. B kann die Vertragserfüllung im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage gegen T geltend machen.

Ja, in der Tat!

Die Behörde kann die Erfüllung des Vertrags grundsätzlich nicht durch Verwaltungsakt durchsetzen. Sie kann aber die verwaltungsgerichtliche Klage in Form einer allgemeinen Leistungsklage gegen den anderen Vertragsteil erheben. Diese Klage ist darauf gerichtet, dass das Gericht den Vertragsteil per Urteil dazu verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Leistung zu erfüllen. Die Klage ist begründet, wenn der vertragliche Anspruch tatsächlich besteht. Das Gericht prüft also vor allem die Wirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags. B kann gegen L die allgemeine Leistungsklage gerichtet auf die Schaffung des zweiten Standortes ihres Unternehmens erheben. Im Rahmen der Leistungsklage macht es keinen großen Unterschied, ob der Anspruch auf Leistung aus einem Verwaltungsakt oder einem öffentlich-rechtlichen Vertrag hergeleitet wird. Lediglich bei der Prüfung, ob der Anspruch wirksam besteht, also der Verwaltungsakt oder der öffentlich-rechtliche Vertrag wirksam ist, müssen verschiedene Vorschriften beachtet werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraluchs

Juraluchs

13.1.2023, 22:51:37

3. Frage, Rechtschreibfehler "berechtig"

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.1.2023, 15:54:11

Danke Juraluchs, das haben wir korrigiert :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FAREF

faref

29.8.2023, 18:23:57

Hallo! Ich dachte die Abwicklung des öffr. Vertrages ist (zumindest teilweise) in §61 VwVfG geregelt?

Sambajamba10

Sambajamba10

26.12.2023, 15:04:20

Ich würde mich freuen, wenn noch einiges mehr zum öffentlich-rechtlichen Vertrag vor allem im Zusammenspiel mit den zivilrechtlichen Normen kommen würde. Gerade die Besonderheiten bezüglich §

134 BGB

sollten auf alle Fälle noch erläutert werden

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

14.10.2024, 11:56:02

Hallo Sambajamba10 , vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

Sassun

Sassun

3.11.2024, 11:55:57

Was wäre denn bitte der Schaden iSd §§ 280 ff. BGB (iVm § 62 S. 2 VwVfG), wenn der Bürger seine Pflichten nicht erfüllt?

JURA

juramaus1

9.11.2024, 18:54:02

Womöglich Schadensersatz wegen Nichtleistung aus 281 aber dann müsste die

Behörde

eine fruchtlose Frist gesetzt haben

Sassun

Sassun

11.11.2024, 11:28:57

Vllt habe ich die Frage missverständlich formuliert. Ich meine den Prüfungspunkt IV. Schaden iSv §§ 249 ff. BGB. Es bräuchte schließlich eine unfreiwillige Vermögenseinbuße, die im Wege der

Differenzhypothese

ermittelt wird. Mir erschließt sich nicht wie dieser beim ÖR Vertrag hergeleitet werden soll. Außer natürlich es wurden bereits Ausgaben getätigt im Vertrauen der Bürger würde seine Pflicht erfüllen. Wobei ich dann aber eher von Aufwendungen ausginge.


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