Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Der öffentlich-rechtliche Vertrag
Teilnichtigkeit / Gesamtnichtigkeit: § 59 Abs. 3 VwVfG
Teilnichtigkeit / Gesamtnichtigkeit: § 59 Abs. 3 VwVfG
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Alexa (A) und Berit (B) schließen mit der Gemeinde G einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Kitabetreuung ihrer Tochter. Entgegen geltender gesetzlicher Regelungen berechnet G die Kosten auf Grundlage des Brutto- , nicht des Nettoeinkommens von A und B.
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Einordnung des Falls
Teilnichtigkeit / Gesamtnichtigkeit: § 59 Abs. 3 VwVfG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G kann die festgesetzten Kosten von A und B fordern, wenn der Vertrag rechtswirksam ist.
Genau, so ist das!
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2. Der Vertragsschluss war schon nach § 54 VwVfG unzulässig.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Der Vertrag ist materiell rechtswidrig, weil er höhere Kosten vorsieht, als gesetzlich geregelt.
Ja!
4. Der Vertrag könnte nichtig nach § 59 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG sein.
Genau, so ist das!
5. Ein Zahlungsanspruch der G scheitert an der Gesamtnichtigkeit des Vertrags.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Juraluchs
13.1.2023, 22:44:00
Das wirkt auf mich doch recht großzügig interpretiert. Die Vermutungsregel streitet für die Gesamtnichtigkeit...
Jacob
5.2.2023, 12:31:19
Könnten es sich nicht hier um einen AGB-Vertrag handeln, wodurch dann der Vertrag bereits nach § 306 Abs. 1 Var. 2 BGB seine Wirksamkeit im Übrigen behält?
asanzseg
6.4.2023, 12:25:07
@[Jacob ](38395) also wenn man den Fall so versteht wie er hier angelegt ist, dass es sich um einen Anwendungsfehler des Beamten handelt, weil er für die Berechnung der Gegenleistung entgegen den gesetzlichen Bestimmungen den Bruttolohn heranzieht, dann kommen keine AGBs in Betracht. Auch wenn AGBs vorlägen, dann handelt es sich ja eben nicht wie bei §306 I VAR.2 BGB um die (TEIl) Unwirksamkeit der AGB selbst, sondern einfach um einen Kalkulationsfehler des Beamten. @[Juraluchs](159960) naja also der Fall der Gesamtnichtigkeit ist immer dann anzunehmen (grobe Faustformel) wenn ein offensichtlicher Fehler liegt, der einen Einfluss auf den Vertrag oder die Erteilung des VA also das (ob) hatte. Bspw. Würde man von einer Gesamtnichtigkeit ausgehen, wenn in einem öffentlich rechtlichen Vertrag ein Unternehmen sich verpflichtet eine Behindertenwerkstätte zu bauen, weil es darauf vertraut dass der Unternehmer, unter Grundlage der vorgelegten Belege, insbesondere Bilanzierung und Umsatzzahlen Erfahrung hat. Lässt sich die Behörde auf einen solchen Austauschvertrag ein im Sinne eines öff. rechtlichen Vertrages, obwohl sich der Beamte irrtümlich ausgeht es lägen bestimmte Zahlen vor die tatsächlich so nicht vorliegen, dann hat diese Nichtigkeit wohl eine Gesamtnichtigkeit zur Folge. Ähnlich wenn der öffentlich rechtliche Vertrag eine Baugenehmigung in einem ganz bestimmten Gebiet, zum Inhalt hat, in Gegenleistung zu einer Anstellung von besonders Benachteiligte Menschen. ISt aufgrund eines Fehlers des Beamten weil etwa falsche Pläne bei der Entscheidung vorlagen auf einen gänzlich unbebaubaren Gebiet ergangen, so wird man wohl auch von einer Gesamtnichtigkeit ausgehen müssen weil auszugehen ist, dass es dem Vertragspartner (Bauunternehmer) auf diese konkrete Baugenehmigung an diesem konkreten Ort ankommt. Ich hoffe das hilft :)
StellaChiara
18.8.2023, 11:35:03
In den Hinweisen steht, dass keine Baugenehmigung nach der BauO durch öffentlich rechtlichen Vertrag erteilt werden kann. Aber haben wir das nicht zuvor oftmals im SB so gehabt? oder ist hier lediglich die Rede von einem koordinationsrechtlichem Vertrag iSv § 54 S.1 VwVfG ?
Juratiopharm
21.8.2023, 15:18:01
Ich meine, dass sich die Gemeinde schon verpflichten darf, eine Baugenehmigung zu erteilen, der Vertrag aber nicht an die Stelle der Baugenehmigung treten darf (keine Genehmigung durch Vertrag). Es schließt sich dann natürlich die Frage an, ob sich die Gemeinde zu ggf. rechtswidrigem Handeln verpflichten darf - dies dürfte in den Grenzen von § 59 II VwVfG der Fall sein.
Charliefux
3.4.2024, 11:47:44
Meistens begründet der ÖR-Vertrag den Erlass einer Baugenehmigung. Das heißt, die Gemeinde verpflichtet sich, die Baugenehmigung zu erteilen. Nur auf Grund dessen, darf dann das Bauwerk errichtet werden, nicht auf Grund des Vertrages. @[StellaChiara](192733)
Blotgrim
17.10.2023, 23:56:53
Es wäre hilfreich wenn man vielleicht noch
Geldbeträge nennt, natürlich ist klar, dass brutto und netto sich unterscheiden, aber mit Ner eindeutigen Zahl ließe sich ein schwerer Fehler besser erkennen