Verpflichtungsklage

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Töpfer T möchte seine Ware auf dem darauf ausgelegten Markt der Stadt S anbieten. Aus Kapazitätsgründen lehnt S Ts Teilnahme am Markt mit der Begründung ab, sein Stand wäre in einer internen Stichwahl nicht gewählt worden. T möchte seine Teilnahme nun gerichtlich erreichen.

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Einordnung des Falls

Verpflichtungsklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T begehrt die Zulassung zum Markt. Statthaft ist die Verpflichtungsklage.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Die Verpflichtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakt begehrt (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Zwar ist der Ablehnungsbescheid ein Verwaltungsakt, den T anfechten könnte. T begehrt letztlich aber die Zulassung zur Teilnahme am Markt nach § 70 Abs. 1 GewO, also den Erlass eines Verwaltungsakts. Möglich und genauso rechtsschutzintensiv wäre hier aber ausnahmsweise auch die Anfechtung des ablehnenden Bescheids. Die Verpflichtungsklage ist hier aufgrund des Ermessens der Behörde aus § 70 Abs. 2 GewO und § 70 Abs. 3 GewO nicht rechtsschutzintensiver als eine Anfechtungsklage.
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2. T gehört zum Teilnehmerkreis des Marktes. S muss seine Teilnahme zulassen.

Nein!

Grundsätzlich hat gem. § 70 Abs. 1 GewO jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. Allerdings räumt § 70 Abs. 2 GewO und § 70 Abs. 3 GewO der Behörde dahingehend Ermessen ein, dass sie die Veranstaltung inhaltlich beschränken und einzelne Personen unter bestimmten Voraussetzungen von der Teilnahme ausschließen kann. Grundsätzlich ist der Markt auf Töpferware ausgelegt, sodass der Tatbestand des § 70 Abs. 1 GewO in Ts Fall erfüllt und dieser zur Teilnahme berechtigt ist. Allerdings könnte S rechtmäßig nach § 70 Abs. 3 GewO über Ts Ausschluss entschieden haben.

3. Eine Ablehnung nach § 70 Abs. 3 GewO setzt einen sachlich gerechtfertigten Grund voraus. Dieser liegt hier vor.

Genau, so ist das!

Die Ablehnung nach § 70 Abs. 3 GewO setzt auf tatbestandlicher Ebene voraus, dass ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Ablehnung vorliegt. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch die Anwendungspraxis der Verwaltung konkretisiert und definiert wird. Allerdings nennt § 70 Abs. 3 GewO einen festgeschriebenen sachlich gerechtfertigten Grund, nämlich wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht. Der Grund für Ts Ablehnung besteht darin, dass es nicht genug Platz auf dem Markt für alle Bewerber gibt. Der Tatbestand des § 70 Abs. 3 GewO liegt vor.

4. Eine gerichtliche Überprüfung der von S gewählten Rechtsfolge scheitert aufgrund des eingeräumten Ermessens.

Nein, das trifft nicht zu!

Auf Rechtsfolgenseite müssen gebundene Entscheidungen und Ermessensentscheidungen unterschieden werden. Sieht eine Ermächtigungsgrundlage kein Ermessen der Behörde vor, so kann das Gericht die Behörde zu einer ganz konkreten Entscheidung verpflichten (Verpflichtungsurteil, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Ermessensentscheidungen sind dagegen nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüfbar. Das Gericht kann die Behörde zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung verpflichten (Bescheidungsurteil, § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Der Ablehnungsbescheid ist nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überpfürbar.

5. Die Ablehnungsentscheidung verstößt gegen das Transparenzgebot. S handelte ermessensfehlerhaft.

Ja!

Gesetzliche Ermessensgrenzen sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Grundrechte als höherrangiges Recht. Hält die Behörde diese Grenzen nicht ein, liegt ein Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung) vor. Der Ausschluss nach § 70 Abs. 3 GewO betrifft die Bewerber in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Bewerbern ist nur sachlich gerechtfertigt, wenn diese nicht willkürlich ergeht. In der Praxis muss deswegen eine sachliche, klare und transparente Entscheidung ergehen. Eine „geheime“ Stichwahl erfüllt die Anforderungen an den Transparenzgrundsatz gerade nicht, S hätte offenlegen müssen, welche Aspekte Grundlage ihrer Entscheidung war.

6. Das Gericht wird S verpflichten, T zum Markt zuzulassen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Handelt die Behörde ermessensfehlerhaft, so ist die Entscheidung rechtswidrig. Das Gericht kann die Behörde allerdings nur zu einer konkreten Entscheidung verpflichten, wenn die Sache spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). An dieser Spruchreife fehlt es gerade, wenn das Gesetz der Behörde Ermessen einräumt (und keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt). Die Behörde kann lediglich dazu verpflichtet werden, ihr Ermessen erneut (fehlerfrei) auszuüben. Denkbar ist also, dass die Behörde die gleiche Entscheidung trifft, die der Betroffene angegriffen hat. Entscheidend ist nur, dass sie ihr Ermessen fehlerfrei ausübt. Das Gericht wird S verpflichten, ihr Ermessen fehlerfrei auszuüben und T neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Es kann passieren, dass T auch im Rahmen dieser Entscheidung eine (rechtmäßige) Ablehnung erhält.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

20.9.2022, 23:05:24

Würde die Klage des T abgewiesen werden, wenn die Behörde ihre Kriterien beim Auswahlverfahren im Prozess offenlegt (vorausgesetzt es lägen keine sonstigen

Ermessensfehler

vor)? Oder verlangt das Transparenzgebot, dass die Kriterien schon beim Erlass des VA für den Adressaten ersichtlich sind?

DO

DosBros

19.5.2023, 02:50:47

In glaube, in der Aufgabenstellung liegt ein Grammatikfehler vor. "Aus Kapazitätsgründen lehnt S Ts Teilnahme am Markt mit der Begründung ab, sein Stand wäre in einer internen Stichwahl nicht gewählt wurden." Ich denke, es müsste "sein Stand wäre ... worden." heißen. Liebe Grüße

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.5.2023, 16:19:51

Danke dir DosBros! Das haben wir geändert. Beste Grüße und ein schönes Wochenende, Nora - für das Jurafuchs-Team

KI

kimchi92

30.8.2023, 07:25:20

Wenn es wirklich am Kapazitätsmangel lag, müsste dann nicht ggf. eine Eventualstufenklage erhoben werden? Also erst Anfechtung, damit wieder Kapazität frei ist (auf einen bestimmten Platz, zB, weil ein anderer Töpfer zugelassen wurde) und dann erst die Verpflichtungsklage, sofern die AFK erfolgreich war?


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