+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
In Italien dürfen nur öffentlich-rechtliche Anstalten Fernsehsendungen ausstrahlen. S ist Betreiber eines staatlich nicht genehmigten Fernsehunternehmens, das über Italien hinaus ausstrahlt, und wird deswegen angeklagt.
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Einordnung des Falls
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV: Korrespondenzdienstleistung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
Nein, das ist nicht der Fall!
In gegenständlicher Hinsicht schützt die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 ff. AEUV die Ein- und Ausfuhr von Unionswaren. Waren sind nach der Rechtsprechung des EuGH alle beweglichen, körperlichen Güter (wobei dies nicht zwingend nötig ist, da auch Strom erfasst wird), die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Die Übertragung von Fernsehsendungen ist unkörperlicher Natur und stellt damit keine Ware im Sinne des Vertrags dar. Der sachliche Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit ist daher nicht eröffnet. Dagegen unterliegt der Handel mit sämtlichen Materialien, Tonträgern oder sonstigen Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen genutzt werden, den Bestimmungen über den freien Warenverkehr. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. Die Übertragung von Fernsehsendungen stellt eine Dienstleistung i.S.d. Art 57 AEUV dar.
Ja, in der Tat!
Die Dienstleistung ist subsidiär und lässt sich in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten als selbstständige, vorübergehende Leistungen definieren, die einen entgeltlichen Charakter haben muss. Das Merkmal der Selbstständigkeit wird in Art. 57 AEUV zwar nicht ausdrücklich angesprochen, ergibt sich aber aus den beispielhaft in Art. 57 Abs. 2 AEUV genannten Tätigkeiten und in Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das Merkmal "vorübergehend" ergibt sich in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit.
Die Übertragung von Fernsehsendungen
hat entgeltlichen Charakter, weil es ausreicht, dass jedenfalls ein Teil der Dienstleistung von der werbetreibenden Industrie mitfinanziert wird. Außerdem handelt es sich dabei um eine eine selbstständige, nicht weisungsgebundene Tätigkeit. Zwar handelt es sich nicht um eine vorübergehende Leistung, da die Übertragung in der Regel dauerhaft und kontinuierlich stattfindet. Allerdings dient dieses Kriterium auch nur der Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit und ist nicht etwa fester Bestandteil der Definition. Da vorliegend aber eine Niederlassung durch die Übertragung von Fernsehsendungen in andere Mitgliedstaaten unstreitig nicht gegeben ist, kommt es auf dieses Merkmal nicht an.
3. Es handelt sich vorliegend um die aktive Form der Dienstleistungsfreiheit.
Nein!
Als aktive Dienstleistungsfreiheit wird die Situation bezeichnet, dass sich der Dienstleistungserbringer in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort seine Dienstleistung anzubieten und auszuführen. Vorliegend ergibt sich P nicht in einen anderen Mitgliedstaat, um dort Fernsehsendungen zu überträgt. Er übertragt sie vielmehr von Italien aus. Es handelt sich also nicht um die aktive Dienstleistungsfreiheit.
4. Es handelt sich um die passive Form der Dienstleistungsfreiheit.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die passive Dienstleistungsfreiheit liegt vor, wenn sich der Dienstleistungsempfängers in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Vorliegend begibt sich das Fernsehpublikum nicht nach Italien, um dort die Fernsehsendungen zu konsumieren. Vielmehr wird die Fernsehsendung in die verschiedenen Mitgliedstaaten übertragen. Die passive Dienstleistungsfreiheit ist daher nicht betroffen.
5. Weder der Dienstleistungserbringer, noch der Dienstleistungsempfänger begeben sich über eine Grenzen. Ist der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit dennoch eröffnet?
Ja, in der Tat!
Auch die Form der sog. Korrespondenzdienstleistung ist anerkannt. Bei der Korrespondenzdienstleistung erfolgt der für den Vollzug der Dienstleistung erforderliche Austausch von Informationen und Leistungen auf Distanz im Wege der Korrespondenz. Weder der Dienstleistungserbringer noch der Dienstleistungsempfänger überschreiten die Grenze. Nur das unkörperliche Produkt vollzieht einen Grenzübertritt. Dies reicht für den grenzüberschreitende Bezug aus.
Da vorliegend die Fernsehsendung als Dienstleistung mitgliedstaatliche Grenzen überschreitet, ist der grenzüberschreitende Bezug vorliegend gegeben.
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