Relative Antragsdelikte/§ 247 bei Erben
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Einbrecher E war mit der T verheiratet. Inzwischen sind sie geschieden. Während der Ehe war M seine Schwiegermutter, T ist die einzige Tochter der M. Eines Tages bricht E in die Villa der M ein und räumt deren Tresor leer. Als M nach Hause kommt und dies sieht, stirbt sie an einem Herzinfarkt.
Einordnung des Falls
Relative Antragsdelikte/§ 247 bei Erben
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der hier vorliegende Diebstahl ist ein Antragsdelikt.
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Ja, in der Tat!
2. Der Diebstahl ist ein relatives Antragsdelikt.
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Ja!
3. M wäre antragsberechtigt gewesen.
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Genau, so ist das!
4. Das Strafantragsrecht kann auf andere Personen übergehen.
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Ja, in der Tat!
5. Das Strafantragsrecht der M ist auf T übergegangen.
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Nein!
6. T hat ein eigenes Antragsrecht.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Foxtrot Bravo
6.11.2020, 16:55:19
Der Diebstahl nach § 242 StGB ist kein Antragsdelikt, sondern nur der Haus- und Familiendiebstahl nach § 247 StGB sowie der Diebstahl geringwertiger Sachen nach § 248a StGB. Insofern ist die Frage, ob "der Diebstahl" ein Antragsdelikt sei (stimmt oder stimmt nicht), m.E. ungünstig gestellt.

Eigentum verpflichtet 🏔️
6.11.2020, 20:17:21
Hallo Foxtrot Bravo, danke für den Hinweis, haben es jetzt auf den hier vorliegenden Diebstahl bezogen. Ist es so ok?

Foxtrot Bravo
8.11.2020, 11:08:30
Hallo, ja, so ist es ok :) Danke!

Leon
18.8.2021, 20:18:30
Die Aussage "Der Diebstahl ist ein relatives Antragsdelikt" ist leider unzutreffend. Der Diebstahl geringwertiger Sachen gem. 242, 248a StGB ist ein relatives Antragsdelikt und der Haus- und Familiendiebstahl gem. 247 StGB ist ein absolutes Antragsdelikt. Der Grundtatbestand des 242 selbst ist jedoch kein Antragsdelikt.
Kira Gross
26.12.2020, 06:29:02
Wie wird der E denn dann vorliegen bestraft?

Eigentum verpflichtet 🏔️
28.12.2020, 22:06:58
Hallo Kira, E hat sich nach §§ 242, 244 Abs. 4 StGB strafbar gemacht. Der Herzinfarkt der M ist ihm wohl nicht objektiv zuzurechnen.
Amtsanwaltsanwärter
5.1.2021, 21:26:19
Scheitert eine Bestrafung noch §§ 242, 244 Abs. 4 nicht daran, dass aufgrund des Verfahrenshindernisses des fehlenden Strafantrags schon gar keine Ermittlungen aufgenommen werden können?
lililaw
4.6.2022, 15:56:43
Das würde mich auch interessieren.

frausummer
18.7.2022, 11:56:02
m.E. betrifft der fehlende Strafantrag nur die prozessuale Seite, hat aber nichts mit der Strafbarkeit an sich zu tun

frausummer
18.7.2022, 11:57:49
Was wäre denn ein Beispiel für eine Norm die den Übergang nach § 77 II ermöglicht?

Nora Mommsen
3.8.2022, 11:43:27
Hallo frausummer, Beispiele für einen Übergang gem. § 77 Abs. 2 StGB sind: §§ 165 I, 194 I, II, 205 II, 230 I 2 StGB. Ausnahmsweise geht das Antragsrecht auf die Erben über bei Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203) und deren Verwertung (§ 204), sofern das Geheimnis nicht zum persönlichen Bereich des Verletzten gehört (§ 205 II). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DerChristoph
27.8.2022, 13:05:24
Hallo Nora, könnte man ermöglichen, dass in euren Forumsantworten erwähnte Normen direkt verlinkt sind, wie im Aufgabenbereich? Das wäre beispielsweise hier sehr praktisch.
Marceli
17.2.2023, 17:58:07
Bedeutet das jetzt, dass ein Verfolgungshindernis aufgrund fehlenden Strafantrags vorliegt, das mangels Übergangsfähigkeit nach § 77 II 1 StGB garnicht beseitigt werden kann, d.h. der T überhaupt nicht verfolgt werden kann?
se.si.sc
17.2.2023, 19:48:42
So ist es tatsächlich. In dem fehlenden Strafantrag liegt ein dauerndes und, im konkreten Fall, nicht behebbares Verfahrenshindernis, sodass die Staatsanwaltschaft schon den Anfangsverdacht i.S.d. § 152 II StPO ablehnen würde und T wegen des Diebstahls nicht verfolgt werden könnte. Theoretisch denkbar wäre eine Anklage wegen der mit dem Einbruch (vermutlich) verbundenen Sachbeschädigung nach § 303 StGB, die aufgrund des eigenen Unrechtsgehalts i.Ü. auch auf der Konkurrenzebene nicht zurücktreten würde (Fischer, StGB, § 243 Rn. 30) und nach § 303c StGB als relatives Antragsdelikt auch dann verfolgt werden könnte, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse bejaht. Das scheint mir hier eher fernliegend, lässt sich aber ohne nähere Informationen, u.a. zu Ablauf/Schadenshöhe/-art, nicht einschätzen. Eine Verfolgung wegen des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB scheitert am Charakter als absolutes Antragsdelikt ohne Übergangsregelung nach § 77 II 1 StGB (§ 123 II StGB).
Flohm
20.10.2023, 10:17:17
Ich stehe auf dem Schlauch und verstehe nicht, warum E für M ein Angehöriger ist. Könnte das nochmal jemand mit anderen Worten bitte erklären ?
Leo Lee
21.10.2023, 14:10:51
Hallo Flohm, das liegt daran, dass gem. § 1590 I 1 die Verwandten des Ehegatten (damit auch die Mutter der Ehefrau) mit dem anderen Ehegatten (hier also E) verschwägert ist. Wegen 1590 I 2 ist dann die Mutter in gerader Linie (weil die Tochter eben mit der Mama sich in einer gradlinigen Verwandtschaft sich befindet) mit dem Ehemann verschwägert ist. Deshalb nennt man die Mutter der Ehegatten auch „Schwiegermutter“ (verschwägerte Mutter) und andersrum den Ehemann der Tochter „Schwiegersohn“ (verschwägerter Sohn) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo