Relative Antragsdelikte/§ 247 bei Erben
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Einbrecher E war mit der T verheiratet. Inzwischen sind sie geschieden. Während der Ehe war M seine Schwiegermutter, T ist die einzige Tochter der M. Eines Tages bricht E in die Villa der M ein und räumt deren Tresor leer. Als M nach Hause kommt und dies sieht, stirbt sie an einem Herzinfarkt.
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Einordnung des Falls
Relative Antragsdelikte/§ 247 bei Erben
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der hier vorliegende Diebstahl ist ein Antragsdelikt.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Haus- und Familiendiebstahl ist ein relatives Antragsdelikt (§ 247 StGB).
Nein!
3. M wäre antragsberechtigt gewesen.
Genau, so ist das!
4. Das Strafantragsrecht kann auf andere Personen übergehen.
Ja, in der Tat!
5. Das Strafantragsrecht der M ist auf T übergegangen.
Nein!
6. T hat ein eigenes Antragsrecht.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Kira Gross
26.12.2020, 06:29:02
Wie wird der E denn dann vorliegen bestraft?
Eigentum verpflichtet 🏔️
28.12.2020, 22:06:58
Hallo Kira, E hat sich nach §§ 242, 244 Abs. 4 StGB strafbar gemacht. Der Herzinfarkt der M ist ihm wohl nicht objektiv zuzurechnen.
Amtsanwaltsanwärter
5.1.2021, 21:26:19
Scheitert eine Bestrafung noch §§ 242, 244 Abs. 4 nicht daran, dass aufgrund des Verfahrenshindernisses des fehlenden Strafantrags schon gar keine Ermittlungen aufgenommen werden können?
lililaw
4.6.2022, 15:56:43
Das würde mich auch interessieren.
frausummer
18.7.2022, 11:56:02
m.E. betrifft der fehlende Strafantrag nur die prozessuale Seite, hat aber nichts mit der Strafbarkeit an sich zu tun
frausummer
18.7.2022, 11:57:49
Was wäre denn ein Beispiel für eine Norm die den Übergang nach § 77 II ermöglicht?
Nora Mommsen
3.8.2022, 11:43:27
Hallo frausummer, Beispiele für einen Übergang gem. § 77 Abs. 2 StGB sind: §§ 165 I, 194 I, II, 205 II, 230 I 2 StGB. Ausnahmsweise geht das Antragsrecht auf die Erben über bei Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203) und deren Verwertung (§ 204), sofern das Geheimnis nicht zum persönlichen Bereich des Verletzten gehört (§ 205 II). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
DerChristoph
27.8.2022, 13:05:24
Hallo Nora, könnte man ermöglichen, dass in euren Forumsantworten erwähnte Normen direkt verlinkt sind, wie im Aufgabenbereich? Das wäre beispielsweise hier sehr praktisch.
Marceli
17.2.2023, 17:58:07
Bedeutet das jetzt, dass ein Verfolgungshindernis aufgrund fehlenden Strafantrags vorliegt, das mangels Übergangsfähigkeit nach § 77 II 1 StGB garnicht beseitigt werden kann, d.h. der T überhaupt nicht verfolgt werden kann?
se.si.sc
17.2.2023, 19:48:42
So ist es tatsächlich. In dem fehlenden Strafantrag liegt ein dauerndes und, im konkreten Fall, nicht behebbares Verfahrenshindernis, sodass die Staatsanwaltschaft schon den
Anfangsverdachti.S.d. § 152 II StPO ablehnen würde und T wegen des Diebstahls nicht verfolgt werden könnte. Theoretisch denkbar wäre eine Anklage wegen der mit dem Einbruch (vermutlich) verbundenen Sachbeschädigung nach § 303 StGB, die aufgrund des eigenen Unrechtsgehalts i.Ü. auch auf der Konkurrenzebene nicht zurücktreten würde (Fischer, StGB, § 243 Rn. 30) und nach § 303c StGB als
relatives Antragsdeliktauch dann verfolgt werden könnte, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse bejaht. Das scheint mir hier eher fernliegend, lässt sich aber ohne nähere Informationen, u.a. zu Ablauf/Schadenshöhe/-art, nicht einschätzen. Eine Verfolgung wegen des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB scheitert am Charakter als
absolutes Antragsdeliktohne Übergangsregelung nach § 77 II 1 StGB (§ 123 II StGB).
Flohm
20.10.2023, 10:17:17
Ich stehe auf dem Schlauch und verstehe nicht, warum E für M ein Angehöriger ist. Könnte das nochmal jemand mit anderen Worten bitte erklären ?
Leo Lee
21.10.2023, 14:10:51
Hallo Flohm, das liegt daran, dass gem. § 1590 I 1 die Verwandten des Ehegatten (damit auch die Mutter der Ehefrau) mit dem anderen Ehegatten (hier also E) verschwägert ist. Wegen 1590 I 2 ist dann die Mutter in gerader Linie (weil die Tochter eben mit der Mama sich in einer gradlinigen Verwandtschaft sich befindet) mit dem Ehemann verschwägert ist. Deshalb nennt man die Mutter der Ehegatten auch „Schwiegermutter“ (verschwägerte Mutter) und andersrum den Ehemann der Tochter „Schwiegersohn“ (verschwägerter Sohn) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Steinfan
28.1.2024, 20:58:11
M könnte Angehörige des E sein. Zu den Angehörigen gehören gem. § 11 I Nr. 1 a) StGB auch Verschwägerte gerader Linie. Gem. § 1590 I 1 BGB sind die Verwandten eines Ehegatten mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie der Schwägerschaft bestimmt sich nach der Linie der sie vermittelnden Verwandtschaft, § 1590 I 2 BGB. Die Verwandtschaft richtet sich nach § 1589 I BGB. M ist als Mutter der T mit dieser gem. § 1589 I 1 BGB in gerader Linie verwandt. E und T sind Ehegatten. Folglich ist M mit E in gerader Linie verschwägert; M ist also Angehörige des E im Sinne des § 11 I Nr. 1 a).
rlaw
30.1.2024, 13:08:28
Aber die sind doch wieder geschieden? Bleibt man verwandt, obwohl man geschieden ist? Wenn ja ziemlich grausige Vorstellung...
Natze
20.2.2024, 12:39:48
Ganz kurz formuliert: Durch die Scheidung bleibt die Schwägerschaft bestehen. Also bleiben deine Schwiegereltern dir erhalten, auch wenn du deine Exehepartner zur Hölle geschickt hast :)
Dogu
28.3.2024, 12:45:08
Selbst wenn die Schwägerschaft erlöschen sollte, bleibt man schon dem Wortlaut von § 11 I Nr. 1a) a.E. StGB dauerhaft Angehöriger...
hagenhubl
9.11.2024, 12:38:50
Wer hat denn nun das Antragsrecht? Wird T nun angeklagt oder nicht?
Diaa
16.9.2024, 12:19:00
Also muss es ausdrücklich im Gesetz stehen, also z.B. wie hier im §
247 StGB?
Linne_Karlotta_
16.9.2024, 13:40:16
Hallo @[Diaa](211889), danke für deine Nachrfrage. So ist es. Der Grundsatz ist, dass Straftaten von Amts wegen verfolgt werden (sog. Offizialsdelikte). Hiervon besehen gesetzlich geregelte Ausnahmefälle (=
Antragsdelikte). Diese erkennst Du an Formulierungen wie: „...wird nur auf Antrag verfolgt.“ Hierzu kann ich dir den folgenden Aufsatz empfehlen: Mitsch: Straf
antragsdelikt, JA 2014, 1. Meistens findest Du die Norm zum Antragserfordernis irgendwo in der Nähe des konkreten Delikts. Es bietet sich aber an, zumindest die gängigen
Antragsdeliktezu kennen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team