+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Mieter M zieht aus. Er gibt Vermieter V die Wohnung im Januar zurück. Die Wohnung hat Schäden an den Wänden und Heizkörpern, die M fahrlässig verursacht hat. V kann sie deshalb erst im August wieder vermieten. V setzt M keine Frist zur Schadensbeseitigung. Im September verlangt V Schadensersatz.
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Einordnung des Falls
Anspruch auf Reparaturkosten ohne vorherige Fristsetzung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M hat seine Rückgabepflicht verletzt (§ 546 BGB).
Nein!
Die Rückgabepflicht aus §
546 BGB enthält keinen Maßstab, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben ist. Bei Beschädigungen ist der Vermieter zwar berechtigt, einen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen. Er darf die Rücknahme aber nicht verweigern (Weidenkaff, in: Palandt, 78.A, § 546, RdNr. 6). Verweigert der Vermieter trotzdem die Annahme, so kommt er in Annahmeverzug (§ 2
93 BGB).
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2. V hat gegen M einen Anspruch aus §§ 990 Abs. 1, 989 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
Ein solcher Anspruch besteht nach herrschender Meinung nicht. M war berechtigter Besitzer, V war Eigentümer der Wohnung. Aus dem Mietvertrag hatte M ein Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 S. 1 BGB). In Betracht kommt die Begründung einer Vindikationslage allenfalls über die Figur des "nicht-so-berechtigten Besitzers". Danach entfällt das Besitzrecht, soweit der Besitzer dessen Grenzen überschreitet. Diese Figur wird von der herrschenden Meinung aber nicht anerkannt. Das Besitzrecht könne nicht in einen rechtmäßigen und einen unrechtmäßigen Teil aufgespalten werden (Medicus, 25. A., RdNr. 582).
3. M hat eine Nebenpflicht verletzt. V hat deshalb einen Anspruch aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Ja, in der Tat!
Die Verpflichtung des Mieters, die Mieträume in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten (§ 538 BGB), reicht sehr weit. Sie umfasst insbesondere die Pflicht, die Räume aufgrund des unmittelbaren Besitzes des Mieters schonend und pfleglich zu behandeln und alles zu unterlassen, was zu einer Verschlechterung über die Abnutzung durch vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) hinausführen kann (Weidenkaff, in: Palandt, 78.A, § 535, RdNr. 81ff.). Dieser Verpflichtung ist M nicht nachgekommen. Damit liegen die Voraussetzungen des Anspruchs aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB vor. Eine Fristsetzung mit der Möglichkeit zur Selbstbeseitigung durch den Mieter ist damit nicht erforderlich!
4. V hat gegen M einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.
Ja!
Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist neben dem vertraglichen Anspruch anwendbar. Einer Fristsetzung bedarf es nach dieser Vorschrift nicht.M hat zumindest fahrlässig das Eigentum des V verletzt. Er ist daher zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
5. M kann sich gegen die Inanspruchnahme durch V verteidigen.
Genau, so ist das!
M kann sich auf die Einrede der Verjährung (§§ 214 Abs. 1, 548 Abs. 1 S. 1 BGB) berufen. Im Mietrecht (auch bei der Leihe, § 606 BGB) gilt eine kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten ab Rückgabe der Sache. Grund: Das Mietverhältnis soll rasch abgewickelt werden, um Beweisschwierigkeiten der Parteien zu vermeiden (Weidenkaff, in: Palandt, 79. A., § 548, RdNr. 1). Die sechs Monate ab Rückgabe der Mietsache (im Januar) sind abgelaufen. Damit kann M sich auf die Einrede der Verjährung berufen.Beachte: Diese kurze Verjährung greift auch für deliktische Ansprüche! Denn weil bei Beschädigung der Mietsache in der Regel konkurrierende deliktische Ansprüche bestehen, wäre die kurze Verjährung nach Vertragsrecht sonst bedeutungslos (Medicus, 25. A, RdNr. 639).
6. Die Haftungsausfüllung wird durch §§ 249 ff. BGB bestimmt.
Ja, in der Tat!
V kann gemäß § 249 Abs. 1, 2 BGB zwischen Naturalrestitution (also Beseitigung der Mängel durch den Mieter selbst) und Wiederherstellungskosten (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) wählen.Achtung: Beim Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 BGB wäre die Norm nicht anwendbar. Hier bemisst sich der Schaden nach § 281 Abs. 4 BGB! Der Geschädigte kann dann nur die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert des Werkes ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel als Schaden geltend machen.
7. V macht einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend. Deswegen ist nach § 281 Abs. 1 BGB eine Fristsetzung erforderlich.
Nein!
Schadensersatz statt der Leistung liegt vor, wenn der Gläubiger sein Interesse an der Erlangung des unmittelbaren und eigentlichen Leistungsprogramms, sein Erfüllungsinteresse, geltend macht. Schadensersatz neben der Leistung liegt vor, wenn der Gläubiger Ansprüche geltend macht, um Vermögensnachteile unabhängig von der unmittelbaren Leistung auszugleichen. Immer wenn bei einer hypothetischen Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt (in der Regel Zeitpunkt des § 281 Abs. 4 und § 348 BGB) der Schaden entfiele, handelt es sich um einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung.Hier hat M die Rückgabepflicht erfüllt. V macht einen Anspruch wegen falscher Behandlung der Mietsache geltend (§ 538 BGB). Damit ist nicht das Erfüllungsinteresse berührt, sondern es wird ein Ausgleich von Vermögensnachteilen unabhängig vom unmittelbaren Austauschverhältnis begehrt (BGH RdNr. 17f.). V macht einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung geltend, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
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