Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

Recht auf Selbstbestimmung: Namensschutz, Schutz der Intimsphäre sowie Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität

Recht auf Selbstbestimmung: Namensschutz, Schutz der Intimsphäre sowie Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M identifiziert sich als männlich und hat deshalb seinen Vornamen offiziell von Martina zu Martin ändern lassen. Kurze Zeit später heiratet er. Aufgrund der Eingehung der Ehe wird seine Namensänderung gemäß einer BGB-Regelung für unwirksam erklärt.

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Einordnung des Falls

Recht auf Selbstbestimmung: Namensschutz, Schutz der Intimsphäre sowie Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Identifikation des M als männlich ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt.

Ja, in der Tat!

Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu; sie nimmt typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet demnach die Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität. Die Identifikation des M als männlich dient der Selbstbestimmung seiner geschlechtlichen Identität. Sie ist somit vom APR geschützt.
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2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet einen Schutz des individuellen Namens.

Ja!

Der Name eines Menschen dient nicht nur als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal, sondern ist darüber hinaus Ausdruck der Identität und Individualität. Er wird deshalb vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfaßt. Sollte das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Deiner Klausur drankommen, überleg Dir immer, welche Auswirkungen die Einschränkung des jeweiligen Persönlichkeitsausschnitts für Dich hätte. Dann bekommst Du ein ziemlich gutes Gefühl dafür, ob eine - auch Dir unbekannte - Freiheitsausübung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt ist oder nicht.

3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den neuen Namen "Martin" des M.

Genau, so ist das!

Der Namensschutz durch das APR erfasst vorrangig den Namen, den eine Person sich zu Eigen gemacht hat und den sie führt, und nicht den, den sie abgelegt hat und der damit nur noch an die Herkunft der Person erinnert. M hat sich, wie auch seine offizielle Namensänderung deutlich gemacht, den Namen „Martin“ zu eigen gemacht. Den Namen „Martina“ hat er hingegen abgelegt. Insofern ist vorrangig sein neuer Name Ausdruck seiner Persönlichkeit und damit auch vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. Bitte nicht missverstehen: Es handelt sich immer um den rechtlich als solchen registrierten (Vor- oder Nach-)Namen. Zu berücksichtigen ist immer auch, dass der Name eine Identifikationsfunktion für den Rechtsverkehr erfüllt. Dies spielt bei möglichen Einschränkungen des Namensrechts auf Rechtfertigungsebene eine Rolle.

4. Die Unwirksamkeit der Namensänderung gemäß der BGB-Regelung beeinträchtigt M in seinem Namensschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1.

Ja, in der Tat!

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Namensträger vor Entzug oder auferlegter Änderung seines geführten Namens. Durch die BGB-Regelung wird M sein jetziger Name „Martin“ entzogen. Ihm wird stattdessen wieder sein alter Name „Martina“ auferlegt, welchen er nicht mehr führt und welcher somit nicht mehr Ausdruck seiner jetzigen Persönlichkeit ist. Er ist somit in seinem Namensschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 beeinträchtigt.

5. Die Unwirksamkeit der Namensänderung gemäß der BGB-Regelung beeinträchtigt M auch in seinem Recht auf Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1.

Ja!

Der gewählte Vorname spiegelt die eigene geschlechtliche Zuordnung wieder und trägt diese nach außen. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt den Vornamen eines Menschen deshalb auch als Ausdruck seiner erfahrenen oder gewonnenen geschlechtlichen Identität . Durch die BGB-Regelung muss M einen Namen annehmen, welcher im Widerspruch zu seiner geschlechtlichen Identität steht. Er ist damit in der Selbstbestimmung dieser Identität beeinträchtigt. Merk Dir: Wo eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, ist eine andere Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oft nicht weit. Je präziser Du dies in der Klausur herausarbeitest, desto mehr Punkte bekommst Du.

6. Die Unwirksamkeit der Namensänderung gemäß der BGB-Regelung betrifft M in seiner Intimsphäre.

Genau, so ist das!

Die Intimsphäre umfasst den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher und privater Lebensgestaltung. Die Zuordnung eines Sachverhalts zur Intimsphäre hängt davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist. Die sich im gewählten und geführten Vornamen widerspiegelnde eigene Geschlechtszuordnung ist gerade bei Menschen, welche sich nicht mit dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren, sensibler und höchstpersönlicher Natur. Sie gehört damit intimsten Bereich der Persönlichkeit eines Menschen. Die Regelung betrifft diesen gewählten Vornamen des M und damit seine Intimsphäre.
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