Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Ermessen und Verhältnismäßigkeit

Ermessensüberschreitung (Fall 2: Unverhältnismäßigkeit)

Ermessensüberschreitung (Fall 2: Unverhältnismäßigkeit)

5. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Taxifahrerin T bekommt erstmalig ein Bußgeld, weil sie ihr Taxi kurz im Halteverbot abgestellt hat. Nach einem Gesetz kann die Ordnungsbehörde bei Regelverstößen im Straßenverkehr ein Fahrverbot aussprechen. Behörde B erteilt T formell rechtmäßig ein zweimonatiges Fahrverbot.

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Einordnung des Falls

Ermessensüberschreitung (Fall 2: Unverhältnismäßigkeit)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die materielle Rechtmäßigkeit des Fahrverbots setzt zunächst voraus, dass der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt ist.

Ja, in der Tat!

Ein Verwaltungsakt ist dann materiell rechtmäßig, wenn (1) der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage vorliegt und (2) die Behörde die richtige Rechtsfolge gewählt hat. Dabei ist auf Rechtsfolgenseite zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen zu unterscheiden. B hat aufgrund eines (fiktiven) Gesetzes (= Ermächtigungsnorm) formell rechtmäßig ein Fahrverbot erlassen. Der tatbestandsmäßig erforderliche Regelverstoß im Straßenverkehr liegt im Falschparken der T.
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2. Weil T falsch geparkt hat, musste B das Fahrverbot erlassen.

Nein!

Sieht eine Norm Ermessen der Behörde vor, muss diese nicht unbedingt handeln, nur weil der Tatbestand der Norm erfüllt ist. Die Behörde muss allein ihr Ermessen rechtmäßig ausüben (vgl. § 40 VwVfG, § 114 S. 1 VwGO). Nach dem Gesetz kann die Ordnungsbehörde bei Regelverstoß ein Fahrverbot erlassen. Sie muss es also nicht nur deswegen tun, weil der Tatbestand erfüllt ist. B konnte und musste hier nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden.

3. Bs Entscheidung verfehlt den Zweck der gesetzlichen Regelung. Sie handelte deswegen ermessensfehlerhaft.

Nein, das ist nicht der Fall!

Wählt die Behörde eine Rechtsfolge, die zwar abstrakt von der Rechtsgrundlage, jedoch nicht von Zweck der Ermächtigung gedeckt ist, liegt ein Fall des Ermessensfehlgebrauchs vor. Dieser kann konkret z.B. darin bestehen, dass die Behörde den Zweck des eingeräumten Ermessens verkennt, von einem unzutreffendem Sachverhalt ausgeht oder sachfremde Erwägungen berücksichtigt. Der Zweck der Ermessensgrundlage ist darin zu sehen, weitere Verkehrsverstöße zu verhindern. Durch das Fahrverbot wird T zwei Monate lang keine Verstöße begehen können. Es ist auch nicht erkennbar, dass B sachfremde Erwägungen getroffen hat oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist.

4. Das Fahrverbot müsste auch verhältnismäßig sein. Dafür müsste es zunächst geeignet sein, einen legitimen Zweck zu erreichen.

Ja, in der Tat!

Ein wichtiger Unterfall der Ermessensüberschreitung ist die Unverhältnismäßigkeit einer gewählten Rechtsfolge. Eine staatliche Maßnahme ist verhältnismäßig, wenn sie (1) die Erreichung eines legitimen Zwecks verfolgt und die Maßnahme zur Erreichung des Zweckes (2) geeignet, (3) erforderlich und (4) angemessen ist. Legitim bedeutet, dass das verfolgte Ziel der Maßnahme erlaubt ist. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn es die Erreichung des Zwecks zumindest fördert. Mit dem Fahrverbot wird das erlaubte Ziel, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu verbessern (= legitimer Zweck), gefördert (= Geeignetheit).

5. Das Fahrverbot ist zwar erforderlich, aber nicht angemessen. Es ist daher unverhältnismäßig.

Ja!

Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein gleich wirksames, milderes Mittel zur Erreichung des Ziels zur Verfügung steht. Die Angemessenheit setzt voraus, dass das verfolgte Ziel in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht. Es gibt kein gleich effektiveres Mittel, Verstöße im Straßenverkehr zu verhindern, als das Fahren zu untersagen. Allerdings bedeutet das Verbot einen schweren Eingriff in Ts Rechte. Sie ist Taxifahrerin, weswegen des Verbot ihre Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG beschränkt. T kann ihren Beruf nicht ausüben. Weiterhin hat sie erst einen, nicht besonders schweren Regelverstoß begangen, bei dem niemand gefährdet wurde. Das Verbot ist unverhältnismäßig, also rechtswidrig.
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