Öffentliches Recht

VwGO

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO): Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO): Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art

4. Juli 2025

3 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundespräsident P möchte die Nationalhymne ändern. P verfügt, dass „Highway to Hell“ die neue Hymne ist, was die Bundeskanzlerin gegenzeichnet (Art. 58 S. 1 GG). Der Bundestag sieht sich übergangen und will vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagen.

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Einordnung des Falls

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO): Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Streitigkeit zwischen dem Bundespräsident P und dem Bundestag ist nichtverfassungsrechtlicher Art.

Nein, das ist nicht der Fall!

Sowohl der Kläger - der Bundestag - als auch der Beklagte - Bundespräsident P - sind Verfassungsorgane. Zudem streiten sich die Beteiligten über das Recht des Bundespräsidenten, ohne Zustimmung des Bundestages die Hymne zu ändern. Die Streitigkeit ist sowohl unter formellen als auch unter materiellen Gesichtspunkten verfassungsrechtlicher Art; doppelte Verfassungsunmittelbarkeit liegt vor. Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist nicht eröffnet.
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2. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor.

Ja, in der Tat!

Gegenstand der Klage muss eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit sein (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO), damit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Nach der Sonderrechtstheorie ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlich sind. Es kommt darauf an, ob dem Rechtsstreit eine Norm zugrunde liegt, deren Rechte und Pflichten sich allein an einen Träger hoheitlicher Gewalt gerade in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger richten. Hier geht es um verfassungsrechtliche Normen der Kompetenzzuweisung für die Änderung der Nationalhymne, die sich ausschließlich an Träger hoheitlicher Gewalt richten.

3. Für die Streitigkeit zwischen Bundespräsident P und dem Bundestag gibt es eine aufdrängende Sonderzuweisung zum Verwaltungsrechtsweg.

Nein!

Aufdrängende Sonderzuweisungen haben Vorrang vor der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Für die Streitigkeit zwischen P und dem Bundestag gibt es keine aufdrängende Sonderzuweisung. Es kommt auf die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO an. Aufdrängende Sonderzuweisungen gibt es z.B. für Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (§ 126 Abs. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 1 BeamtStG für Beamte (des Bundes bzw. des Landes)) oder für die Entscheidung über Eintragungen in die Handwerksrolle (§§ 8 Abs. 4, 12 HwO). Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor, genügt die Feststellung: "Aufdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich.“

4. Die Streitigkeit muss zudem nichtverfassungsrechtlicher Art sein.

Genau, so ist das!

Neben ihrer öffentlich-rechtlichen Natur muss eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art sein (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO), damit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn sowohl der Kläger als auch der Beklagte am Verfassungsleben unmittelbar Beteiligte (insbesondere Verfassungsorgane) sind (formeller Gesichtspunkt) und sich die Beteiligten um die Abgrenzung verfassungsrechtlicher Kompetenzen streiten (materieller Gesichtspunkt) (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LO

Lorenz

31.5.2024, 13:32:01

Man könnte noch ergänzen, dass stattdessen ein Organstreit naheliegt.

LO

Lorenz

31.5.2024, 13:32:16

*noch

DUS

dustin.u

23.6.2025, 15:39:12

Das Bundesverwaltungsgericht stellt neuerdings wohl mehr auf den materiellen Gehalt der Streitigkeit ab und misst dem formellen Kriterium, nämlich ob sich zwei Verfassungsorgane streiten, keine Bedeutung mehr zu. Damit könnte das Kriterium der "doppelten Verfassungsunmittelbarkeit" für die Bestimmung der nichtverfassungsrechtlichen Art der Streitigkeit nicht mehr passend sein. Hier die entsprechenden Passagen des oben genannten Urteils: "Die Annahme einer der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte entzogenen verfassungsrechtlichen Streitigkeit setzt nicht voraus, dass ausschließlich Verfassungsrechtssubjekte beteiligt sind. Vielmehr kommt es allein auf den materiellen Gehalt der Streitigkeit an. […] An der ausschließlichen Maßgeblichkeit des materiellen Kriteriums für die Abgrenzung zwischen verwaltungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Streitigkeiten hält der Senat fest. Denn der Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff der verfassungsrechtlichen Streitigkeit nur Rechtsverhältnisse zwischen Verfassungsrechtssubjekten erfasst. Die systematische Auslegung ist diesbezüglich ebenfalls unergiebig. Jedenfalls seit der Einführung der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG in der bis zum 27. Dezember 2024 geltenden Fassung; nunmehr Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 2024, BGBl. I Nr. 439 S. 1) fehlt der auf die Zeit der Weimarer Republik zurückgehenden Formel von der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit, die im Kern zu einer Gleichsetzung der verfassungsrechtlichen Streitigkeit mit der verfassungsrechtlichen Organstreitigkeit führt, eine argumentative Grundlage. [...] Für die Auslegung des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidend ist nach alledem der Sinn und Zweck des Ausschlusses des Verwaltungsrechtsweges für verfassungsrechtliche Streitigkeiten. Das Handeln und die Willensbildung oberster Staatsorgane in Wahrnehmung ihrer spezifischen verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten soll keiner fachgerichtlichen, sondern ausschließlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen." (BVerwG, Urteil vom 26. März 2025 - 6 C 6.23 - juris, Rn. 18 ff.)


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