Vorverfahren, Widerspruch (§§ 68ff. VwGO): Frist zum Erheben eines Widerspruchs - Erhebung bei der falschen Behörde


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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X erhält am 01.01. wegen Böllerns ein Aufenthaltsverbot für den öffentlichen Stadtpark der Gemeinde G. Er erhebt dagegen am 15.01. Widerspruch beim nicht zuständigen Grünflächenamt. Dieses leitet den Widerspruch am 02.02. an G weiter. Später will X klagen.

Einordnung des Falls

Vorverfahren, Widerspruch (§§ 68ff. VwGO): Frist zum Erheben eines Widerspruchs - Erhebung bei der falschen Behörde

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage setzt voraus, dass X das Aufenthaltsverbot in einem Vorverfahren noch einmal überprüfen lässt.

Genau, so ist das!

Vor Erhebung der Anfechtungsklage muss ein Vorverfahren erfolglos durchgeführt werden (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO), soweit nicht eine Ausnahme vorliegt (§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO). Das Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) ist Zulässigkeitsvoraussetzung. Es beginnt mit Erhebung des Widerspruchs (§ 69 VwGO). Im Vorverfahren hat die Ausgangsbehörde Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts zu überprüfen. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden (Widerspruchsfrist) (§ 70 Abs. 1 VwGO). Andernfalls ist die Klage unzulässig. Das Vorverfahren dient der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem Rechtsschutz und der Entlastung der Gerichte.

2. Die Widerspruchsfrist begann am 01.01.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Fristlauf beginnt mit dem Tag, der auf das Ereignis folgt, durch das die Frist in Gang gesetzt wird (§ 187 Abs. 1 BGB). Das Ereignis ist die Bekanntgabe des Verwaltungsakts (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Frist beginnt somit am Tag nach der Bekanntgabe. Da die Bekanntgabe am 01.01. erfolgte, begann die Frist am 02.01.

3. Die Frist endete am 02.02. Die Weiterleitung von Xs Widerspruch an G durch das Grünflächenamt führte damit dazu, dass der Widerspruch fristgemäß bei G einging (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Nein!

Die Frist endet mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche bzw. des letzten Monats der Frist, welcher dem Tag entspricht, in den das Ereignis des Fristbeginns fällt (§ 188 Abs. 2 BGB). Bei der Monatsfrist entspricht der Tag des Fristendes dem Tag, an dem das die Frist auslösende Ereignis stattfand. Das die Frist auslösende Ereignis (der Verwaltungsakt) erfolgte am 01.01. Daher endete die Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO) am 01.02. um 24 Uhr. Xs Widerspruch ging bei G aber erst am 02.02. ein. Ist dieser Zeitpunkt maßgeblich, ist Xs Widerspruch verfristet. Es kommt also darauf an, ob der Widerspruch beim Grünflächenamt am 15.01. ordnungsgemäß war.

4. X hat durch seinen Widerspruch beim Grünflächenamt am 15.01. ordnungs- und fristgemäß Widerspruch erhoben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bei der Ausgangsbehörde oder der Widerspruchsbehörde zu erheben (§ 70 Abs. 1 VwGO). Erhebt der Widerspruchsführer diesen bei einer Behörde, die weder Ausgangs- noch Widerspruchsbehörde ist, führt dies nicht zur Unzulässigkeit, denn die unzuständige Behörde muss den Widerspruch im Rahmen der Amtshilfe weiterleiten. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Widerspruch ordnungsgemäß erhoben wurde. Ordnungsgemäß erhoben ist der Widerspruch erst, wenn er bei der zuständigen Behörde innerhalb der Widerspruchsfrist eingeht. Der Widerspruch ging bei der zuständigen Behörde erst am 02.02. ein und ist damit verfristet.

5. Der Beginn und das Ende der Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO) berechnen sich unter Heranziehung der §§ 187ff. BGB.

Ja, in der Tat!

Nach welchen Vorschriften sich die Fristberechnung richtet, ist umstritten. Eine Ansicht zieht §§ 79, 31 Abs. 1 VwVfG heran, eine andere § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO. Die Frage kann jedoch offen bleiben, da beide Ansichten Vorschriften für maßgeblich halten, die für die Fristberechnung letztlich auf die §§ 187ff. BGB verweisen.

6. X begehrt die Aufhebung des Aufenthaltsverbots. Die Anfechtungsklage ist statthaft. Als Adressat des Aufenthaltsverbots ist X klagebefugt.

Ja!

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). Hier begehrt X die Aufhebung des Aufenthaltsverbots, welches einen Verwaltungsakt darstellt (§ 35 S. 1 VwVfG). Seine Klage ist mithin gerichtet auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts. Die Anfechtungsklage ist statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). X müsste auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO) sein. Die Klagebefugnis bei der Anfechtungsklage ist gegeben, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger - wie hier - Adressat des Verwaltungsakts, ist die Klagebefugnis bereits wegen nicht auszuschließender Betroffenheit in Art. 2 Abs. 1 GG gegeben (Adressatentheorie). X ist klagebefugt.

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