Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Anfechtung einer Atommülltransportgenehmigung als Anwohner - Normexterne Wirkung der Grundrechte

Anfechtung einer Atommülltransportgenehmigung als Anwohner - Normexterne Wirkung der Grundrechte

14. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Der Transport von Atommüll bedarf der Genehmigung (§ 4 AtomG). A wohnt 20 Meter von der Bahnstrecke entfernt, auf der Atommüll in ein Zwischenlager gebracht werden soll. Er fürchtet um seine Gesundheit und klagt gegen die Transportgenehmigung. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

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Einordnung des Falls

Anfechtung einer Atommülltransportgenehmigung als Anwohner - Normexterne Wirkung der Grundrechte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Klagebegehren des A richtet sich auf die Aufhebung der Transportgenehmigung. Die Anfechtungsklage ist statthaft.

Genau, so ist das!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). A begehrt die Aufhebung der Transportgenehmigung, die ein Verwaltungsakt ist (§ 35 S. 1 VwVfG). Das Begehren des A richtet sich damit auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts. Dafür ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft.
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2. Der drittschützende Charakter einer Norm lässt sich durch Auslegung am Maßstab der Grundrechte ableiten.

Ja, in der Tat!

Grundrechte sind subjektiv-öffentliche Rechte par excellence. Allerdings bedürfen sie oft einfachgesetzlicher Konkretisierung. Deshalb sind Grundrechte vor allem bei der Auslegung einfachen Rechts heranzuziehen, um die Einhaltung des grundrechtlich gebotenen Mindestschutzes zu gewährleisten (norminterne Wirkung der Grundrechte). So kann die Auslegung einer Norm ergeben, dass diese wegen der Wertentscheidungen der Grundrechte drittschützende Wirkung haben muss. Fehlt eine einfachgesetzliche Norm, kann die Klagebefugnis auch unmittelbar auf Grundrechte gestützt werden, soweit ein Eingriff in sie nicht ausgeschlossen werden kann (normexterne Wirkung der Grundrechte).

3. A ist klagebefugt, weil er als Anlieger der Transportstrecke möglicherweise in einer atomrechtlichen Norm mit drittschützender Wirkung verletzt ist.

Ja!

Durch die Transportgenehmigung könnte A in seinem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) noch nicht verletzt sein. A könnte aber durch einen Verstoß gegen Genehmigungsvoraussetzungen des § 4 AtomG in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein. Dies ist der Fall, wenn die verletzte Vorschrift nicht nur Interessen der Allgemeinheit schützen soll, sondern zumindest auch As Interessen zu dienen bestimmt ist (Schutznormtheorie). § 4 AtomG vermittelt zwar nicht ausdrücklich Drittschutz. Aber wegen der Wertentscheidungen der Grundrechte (hier Art. 2 Abs. 2 GG) ist § 4 AtomG drittschützende Wirkung zuzumessen. A ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO).

4. A kann als Adressat der Transportgenehmigung geltend machen, durch diese in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt zu sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) beurteilt sich danach, ob der Kläger durch den angegriffenen Verwaltungsakt möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (sog. Möglichkeitstheorie). Ist der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsakts, ergibt sich die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) auch ohne Sachvortrag aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) (sog. Adressatentheorie). A ist nicht Adressat der Transportgenehmigung. Die Adressatentheorie greift hier nicht.

5. Obwohl A nicht Adressat des Verwaltungsakts ist, könnte er durch die Transportgenehmigung in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt sein.

Ja, in der Tat!

Verwaltungsakte können Doppel- und Drittwirkung (§§ 80 Abs. 1 S. 2, 80a VwGO) haben. Auch hier ist die Klagebefugnis danach zu ermitteln, ob der Kläger möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (Möglichkeitstheorie). Dies setzt voraus, dass der Kläger die Verletzung eines geschützten Rechts geltend macht, das auch ihn schützt (Drittschutz). Eine Norm ist drittschützend, wenn sie nicht nur Interessen der Allgemeinheit schützen soll, sondern zumindest auch den Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schutznormtheorie). Dies ist durch Auslegung der Norm zu ermitteln. A wird durch die Transportgenehmigung belastet, weil er um seine Gesundheit fürchtet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Henk

Henk

19.3.2020, 11:27:23

Nice-to-Know zum Thema aus Gesetzen Rechtsgebiete zu machen (zB AtomG ->atomrechtlich, TierkörperbeseitigungsG -> tierkörperbeseitigungsrechtlich): zB Tonio Walter - Kleine Stilkunde für Juristen S. 105f. Ist leider nur ein kleiner Abschnitt, aber er sieht wohl eine Gefahr darin, dass man so Besonderheiten und Rechtsfiguren für das "Gebiet" entwickelt, die dogmatisch nicht begründet werden können. Vielleicht weiß ja jmd von Euch noch mehr daruber.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.3.2020, 22:34:25

Guter Hinweis. Danke!

FL

Flohm

10.8.2023, 09:27:59

Warum kann A durch die Transportgenehmigung noch nicht in seinem GR aus Art 2 II GG verletzt sein?

NI

Nilson2503

30.8.2023, 10:57:49

Die Genehmigung als solche, gefährdet noch nicht seine körperlichen Unversehrtheit. Es ist ja sozusagen bloß ein „Papier“. Erst durch die Umsetzung, also den

tat

sächlichen Transport, würde A möglicherweise in seiner Unversehrtheit verletzt.


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