Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

BT 4: Brandstiftungsdelikte

Besonders schwere Brandstiftung und Repräsentantenhaftung

Besonders schwere Brandstiftung und Repräsentantenhaftung

9. Mai 2023

8 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: Ein Café steht in Brand.

T betreibt mit der V ein Café im Haus des E. Im Café legt T (ohne Gefährdungsvorsatz) ein Feuer. T möchte der unwissenden V wegen des zerstörten Inventars Versicherungsleistungen verschaffen. Auch die Decke des Cafés und der Wohnungsboden darüber geraten in Brand. Dies nimmt T billigend in Kauf.

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Einordnung des Falls

In diesem Beschluss beschäftigt sich der BGH mit der besonders schweren Brandstiftung und der Repräsentantenhaftung. Die Qualifikation der Ermöglichung einer anderen Straftat sei auch dann erfüllt, wenn die Brandlegung zum Zweck des Betrugs zum Nachteil einer Versicherung begangen sei. Der Versicherer ist im Fall einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls nichts zur Leistung verpflichtet. Dabei müsse sich der Versicherungsnehmer auch das Verhalten von Repräsentanten zurechnen lassen. Dabei genüge jedoch die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache oder eine Lebensgemeinschaft nicht aus, um eine Repräsentantenstellung zu begründen.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich wegen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB strafbar gemacht, indem er in dem Café ein Feuer legte?

Ja, in der Tat!

Der objektive Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1StGB ist erfüllt, wenn der Täter ein fremdes Gebäude in Brand setzt bzw. durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. Fremd ist ein Gebäude, wenn es auch im Eigentum eines anderen als dem Täter steht. Inbrandsetzen liegt vor, wenn ein für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlicher Bestandteil des Gebäudes so vom Feuer erfasst wird, dass er auch nach Entfernen oder Erlöschen des Zündstoffs selbstständig weiter brennen kann. Das Haus gehört dem E und ist daher für T ein fremdes Gebäude. T hat im Café ein Feuer gelegt, sodass wesentliche Teile des Hauses, nämlich die Decke des Cafés und der Wohnungsboden darüber, selbstständig gebrannt haben. T handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Die mitverwirklichten §§ 303, 305 StGB werden verdrängt (Spezialität).
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2. Hat T sich wegen schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, indem er in dem Café ein Feuer legte?

Ja!

Erforderlich ist ein Gebäude, das "der Wohnung von Menschen dient". Die Behandlung gemischt genutzter Gebäude ist strittig. In der Lit. wird teils verlangt, dass der Gebäudeteil, der dem Wohnen dient, in Brand gesetzt wird. Die Rspr. fordert, dass ein Übergreifen des Feuers auf den Wohnbereich nicht auszuschließen ist. Hier hat nicht nur die Decke des Cafés selbstständig gebrannt, sondern auch der Wohnungsboden darüber. Somit hat T nach beiden Ansichten ein Gebäude, dass der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt. T handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Der § 306 Abs. 1 StGB wird im Wege der Spezialität verdrängt (h.M.).

3. Hat T sich wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB strafbar gemacht, weil er in der Absicht handelte, einen Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) zu ermöglichen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Erforderlich ist, dass der Täter eine Tat nach § 306a StGB begangen hat in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen (Absichtsqualifikation). Nach dem Wortlaut ("andere") ist eine deutliche zeitliche Zäsur zu verlangen. T hat § 306a Abs. 1 StGB verwirklicht. Tatobjekt und Tathandlung des Versicherungsmissbrauchs (§ 265 StGB), den T durch die Brandstiftung möglicherweise begehen wollte, und der besonders schweren Brandstiftung (§ 306a StGB) stimmen deckungsgleich überein. Eine zeitliche Zäsur fehlt. Daher kann § 265 StGB keine andere Straftat sein. Aus demselben Grund ist auch § 303 StGB keine taugliche Zieltat.

4. Kommt als "andere Straftat" (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) aber ein Betrug in mittelbarer Täterschaft (§§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) gegenüber und zu Lasten der Versicherung zumindest in Betracht?

Ja, in der Tat!

Strittig ist, ob ein Betrug überhaupt Zieltat sein kann. Dieser Streit bedarf nur einer Entscheidung, wenn T beabsichtigte, durch die Brandstiftung einen Betrug mit V als undolosem Werkzeug zu ermöglichen. Das wäre abzulehnen, wenn T von einer Eintrittspflicht der Versicherung ausging. Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. Dabei muss sich der Versicherungsnehmer auch das Verhalten seiner mit der Risikoverwaltung betrauten Repräsentanten zurechnen lassen. Da V den Schaden selbst nicht verursacht hat, ist entscheidend, ob T ihr Repräsentant ist.

5. Wurde die Versicherung von der Zahlungsverpflichtung frei, mit der Folge, dass als Zieltat ein Betrug in mittelbarer Täterschaft vorliegt, da T Repräsentant der V ist?

Nein!

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und darin selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer handeln darf. Dafür reicht nach Ansicht des BGH die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache nicht aus. Ebenfalls genüge für die Annahme einer Repräsentantenstellung des T unter dem Gesichtspunkt der Risikoverwaltung nicht, dass T und V das Café gemeinsam betrieben. Folglich hat T sich nicht nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.

6. Hat T sich wegen Versicherungsmissbrauchs (§ 265 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er in dem Café ein Feuer legte?

Genau, so ist das!

Dadurch dass T in dem Café ein Feuer legte, hat er vorsätzlich eine gegen Beschädigung versicherte Sache, nämlich das Inventar, zerstört. Dabei handelte er in der Absicht, der V - also „einem Dritten“ - Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen. Unerheblich ist, dass V auf diese Leistungen gegen das Versicherungsunternehmen einen Anspruch hat. Da T auch rechtswidrig und schuldhaft handelte, hat er sich wegen Versicherungsmissbrauchs (§ 265 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Insbesondere ist die Tat nicht formell subsidiär, denn es liegt kein (versuchter) Betrug gegenüber der Versicherung vor. Mit § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB besteht Tateinheit.
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