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Jurafuchs

Die Eheleute M und F wohnen am Tegernsee. Aufgrund vieler Streitigkeiten lassen sie sich scheiden. Dabei vereinbaren sie, dass M nicht mehr am Tegernsee wohnen darf. Grund dafür ist, dass F den M nicht mehr sehen und mit der Vergangenheit abschließen möchte.

Einordnung des Falls

Ausstrahlung der Grundrechte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundrechte können bei der Beurteilung der guten Sitten heranzuziehen sein.

Ja, in der Tat!

Infolge der Lehre der mittelbaren Drittwirkungen der Grundrechte sind die Wertungen der Grundrechte durch Generalklauseln im Privatrecht zu berücksichtigen. Durch den unbestimmten Rechtsbegriff der guten Sitten finden die grundrechtlichen Wertungen Eingang.

2. Die Wertungen des Art. 11 GG (Freizügigkeit) kommen in Betracht.

Ja!

Art. 11 GG gewährleistet die freie Wahl des Wohnsitzes. Durch die Vereinbarung, dass M nicht mehr am Tegernsee wohnen darf, wird seine Freizügigkeit beeinträchtigt.

3. Die Vereinbarung verstößt gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB.

Genau, so ist das!

Das Rechtsgeschäft verstößt gegen die guten Sitten, wenn es nach Inhalt, Beweggrund und Zweck des Gesamtcharakters unvereinbar mit den Wertungen der Rechts- und Sittenordnung ist. Das Grundrecht auf Freizügigkeit wird sehr stark eingeschränkt. Die Vereinbarung ist weder zeitlich begrenzt, noch bestehen besondere Gründe, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

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Helena

Helena

21.12.2021, 12:01:32

Würde sich die Wertung der Sittenwidrigkeit verändern, wenn sowohl M als auch F dieser Vereinbarung zustimmen, weil sie einander nicht mehr sehen wollen? Inwiefern kann die Objektive Sittenwidrigkeit die persönlichen Belange einschränken, insbesondere wenn es um Grundrechte geht. Der M hat ja das Recht auf die Freizügigkeit zu verzichten.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2021, 18:12:03

Schöne Frage, Helena. Völlig richtig ist, dass das Schuldrecht den Vertragsparteien einen sehr weiten Spielraum lässt. Anders als das Sachenrecht können Parteien im Grunde erst einmal alles vereinbaren was sie wollen. Sie sind insbesondere nicht auf die kodifizierten Vertragstypen des BGB beschränkt, weswegen es eben nicht nur Kaufverträge und Mietverträge gibt, sondern eben auch Bier- und Stromlieferungsverträge, Bewirtungsverträge, Partnervermittlungsverträge, Internetverträge.... Zwar enthalten diese typengemischten Verträge oftmals Verpflichtungen, die sich wieder den klassischen Vertragstypen zuordnen lassen - zwingend ist dies aber nicht. Diese große Freiheit ist letztlich auch nur Ausfluss eines Grundrechts, nämlich der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Das Stichwort in diesem Kontext lautet Privatautonomie. Abweichend hiervon gibt es aber zwingende gesetzliche Regelungen von denen die Parteien auch dann nicht abweichen können, wenn sie sich entsprechend einigen. Dies ist häufig dann der Fall, wenn eine Partei besonders schutzwürdig ist (Verbraucher:innen, Mieter:innen, Arbeitnehmer:innen; Minderjährige....). Und sofern eine explizite Vorschrift fehlt, gibt es eben noch die Generalklauseln (§ 242 BGB; § 138 BGB; § 134 BGB), die ebenfalls die privatautonome Gestaltung von Verträgen beschränken können. Sie sind das Einfallstor für die Grundrechte im Verhältnis von privaten Personen. Denn eine unmittelbare Grundrechtsbindung gibt es grundsätzlich nur zwischen Staat und Bürger (Art. 1 Abs. 3 GG). Insoweit sind objektive Maßstäbe durchaus geeignet, die Privatautonomie der Beteiligten zu beschränken. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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