Maßstab der Gutgläubigkeit 2
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E verkauft und übereignet V ein Grundstück. Dabei täuscht V den E arglistig. Als E von der Täuschung erfährt, ficht er "alles" an. V lässt das Grundstück weiter an K auf. K weiß, dass V den E arglistig getäuscht hat. K stellt den Eintragungsantrag und wird als Eigentümer eingetragen.
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Einordnung des Falls
Maßstab der Gutgläubigkeit 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bevor E angefochten hat, hat V nach §§ 873, 925 BGB Eigentum an dem Grundstück erlangt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Kaufvertrag über das Grundstück ist infolge der Anfechtung des E nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Durch die Anfechtung des E entfällt auch die Eigentümerstellung des V.
Ja!
4. K hat Eigentum an dem Grundstück von V erlangt nach §§ 873, 925 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. K hat gutgläubig Eigentum an dem Grundstück von V nach §§ 873, 925, 892 BGB erworben.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TeamRahad 🧞
30.12.2020, 08:44:55
Tr(u)mpeltier junior
30.12.2020, 11:30:45
Guter Punkt, allerdings ist mE hier nicht auf §
142 II BGBabzustellen, sondern unmittelbar auf §892 I BGB. Denn K ist die
unrichtigkeit des Grundbuchsbekannt, da er weiß, dass aufgrund der erfolgreichen Anfechtung V nie Eigentum erlangt hat.
TeamRahad 🧞
30.12.2020, 11:57:16
Das sehe ich anders (; Laut Sachverhalt weiß K nur von der Täuschung. Dass er von der erfolgten Anfechtung weiß, steht nirgends.
TeamRahad 🧞
30.12.2020, 12:01:00
Tr(u)mpeltier junior
30.12.2020, 12:43:44
Top, hast recht :)
Eigentum verpflichtet 🏔️
8.1.2021, 11:33:34
Hallo ihr beiden, wir haben die Erklärung ergänzt!
Helena
3.2.2022, 16:48:42
Beim Grundstücks Erwerb ist ja nur der jenige bös gläubig, der die
Unrichtigkeit des Grundbuchspositiv kennt. Gilt diese Wertung auch für die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung? Also wenn der Käufer annimmt, dass eine Anfechtbarkeit vorliegen könnte?
Lukas_Mengestu
4.2.2022, 16:08:15
Hallo Helena, in der Tat richtet sich der Maßstab der Bösgläubigkeit nach den jweils anzuwendenden Vorschriften (Ellenberger, in: Grüneberg, 81.A.2022, § 142 RdNr. 4). Das heißt bei Grundstücksgeschäften schadet lediglich die positive Kenntnis von der Anfechtbarkeit, bloße Zweifel genügen hier also nicht um den öffentlichen Glauben des Grundbuchs zu zerstören. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Leni
13.11.2023, 18:38:08
Schadet bereits die Kenntnis der Anfechtbarkeit? Ich dachte das würde nicht reichen, weil die Möglichkeit der Anfechtung ja nicht bedeutet, dass auch tatsächlich angefochten wird... 🤔
CR7
24.1.2024, 14:40:43
@Leni "Das Grundbuch ist ein wesentlich zuverlässigerer Rechtsscheinträger als der Besitz (→ Rn. 2). Daher obliegt dem Erwerber keine Erkundigungspflicht und schadet ihm abweichend von § 932 Abs. 2 nur positive Kenntnis. Selbst erhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder ein dem dolus eventualis ähnliches Rechnen mit der Unrichtigkeit stehen der Kenntnis nicht gleich. Die Kenntnis der Anfechtbarkeit des Erwerbsgeschäfts genügt freilich, § 142 Abs. 2, muss aber eben auch in gleicher Weise „Kenntnis“ sein, dh auch insoweit reichen Zweifel oder ein Fürmöglichhalten nicht. § 23 Abs. 2 S. 1 ZVG und § 146 Abs. 1 ZVG ordnen im Zusammenhang mit dem möglichen Gutglaubensschutz nach Abs. 1 S. 2 und § 135 Abs. 2 an, dass die Kenntnis der Stellung des Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsantrags der Kenntnis der Beschlagnahme gleichsteht. – Zur Gutgläubigkeit bei Erwerb durch Stellvertretung → Rn. 52. (MüKoBGB/H. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 892 Rn. 47)"
Petrus
8.5.2023, 07:52:48
Wegen dem Abstraktionsprinzip würde es aber nicht reichen, wenn der gutgläubige Erwerber Kenntnis von einer Anfechtbarkeit nach § 119 BGB hätte oder? Dies würde ja das
Verfügungsgeschäftnicht berühren.
Nora Mommsen
8.5.2023, 17:03:51
Hallo , vorliegend schlägt die Anfechtung auf Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäftdurch. Das Problem liegt also nicht in der möglichen Wirksamkeit des
Verfügungsgeschäfts aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips. § 142 Abs. 2 BGB gibt genau für die von dir beschriebene Konstellation einen Hinweis: Danach steht der Kenntnis der Anfechtung die Kennntis der Anfechtbarkeit gleich. Die Frage, ob also Gutgläubigkeit ausgeschlossen wird wenn nur Kenntnis von der Anfechtbarkeit vorliegt und noch keine Anfechtung erfolgt ist wird also gesetzlich ausdrücklich geregelt. Der gutgläubige Erwerb ist auch in diesem Fall ausgeschlossen. Tatsächlich ist es nicht selten, dass § 142 Abs. 2 BGB klausurrelevant ist. Punkte sammeln tut dann, wer sauber unterscheidet zwischen erfolgter Anfechtung und Kenntnis davon und Kenntnis der bloßen Anfechtbarkeit. Dies schließt dann gem. § 142 Abs. 2 BGB den gutgläubigen Erwerb aus. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
21.5.2023, 16:54:47
Liebe @[Nora Mommsen](178057) ich glaube, dass @[Petrus](172124) darauf hinaus will, dass bei einer Anfechtung/Anfechtbarkeit nach § 119 BGB ja grundsätzlich keine
Fehleridentitätbesteht, wie dies bei der arglistigen Täuschung nach § 123 BGB grds. angenommen wird. Davon ausgehend fragt er sich, ob §
142 II BGBauch für Fälle vorliegt, in denen das
Verpflichtungsgeschäft(zB nach § 119 BGB) anfechtbar ist, aber das
Verfügungsgeschäftunter Umständen nicht. Meine Antwort auf diese Frage ist, dass §
142 II BGBeben nur greift, wenn die Anfechtbarkeit (zB gem. § 119 BGB) sich auch auf das
Verfügungsgeschäftbezieht (weil beide an demselben Irrtum leiden). Im Rahmen des § 892 I kommt es hinsichtlich der Gutgläubigkeit und §
142 II BGBnur auf die Anfechtbarkeit des
Verfügungsgeschäfts an, da es hier ja um die Kenntnis von der Unrichtigkeit des GB, mithin der fehlenden Eigentümerstellung (oder anderer dinglicher Rechte) geht. Kurz: Es würde also für die Bösgläubigkeit gem. §§ 892 I,
142 II BGBschon reichen, wenn der Erwerber Kenntnis von einer Anfechtbarkeit nach § 119 BGB hat, vorausgesetzt, der der Anfechtbarkeit zugrundeliegende Irrtum nach § 119 BGB bezieht sich (auch) auf das
Verfügungsgeschäft, was ja durchaus mal der Fall sein kann. Bezieht sich die Anfechtbarkeit allerdings nur auf das
Verpflichtungsgeschäft, würde es nicht für die Bösgläubigkeit iRd § 892 I BGB reichen, wie Du richtig erkannt hast. Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage :)
luc1502
24.7.2024, 14:45:31
Foxxy
25.7.2024, 18:22:15
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team