Zivilrecht
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Erwerb und Verlust von Grundstücksrechten
Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB – Maßgeblicher Zeitpunkt bei Widerspruch vor Eintragung
Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB – Maßgeblicher Zeitpunkt bei Widerspruch vor Eintragung
11. Juli 2025
27 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B ist Bucheigentümer eines Grundstücks, wahrer Eigentümer ist E. B verkauft das Grundstück an die gutgläubige G, bewilligt dieser eine Vormerkung, welche im Grundbuch eingetragen wird, und erklärt die Auflassung. Später erwirkt E die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch. Anschließend wird G als Eigentümerin eingetragen.
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Einordnung des Falls
Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB – Maßgeblicher Zeitpunkt bei Widerspruch vor Eintragung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G hat Eigentum nach §§ 873, 925 BGB erlangt.
Nein, das trifft nicht zu!
2. G könnte Eigentum nach §§ 873, 925, 892 BGB erlangt haben.
Ja!
3. G hat gegen E einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Der eingetragene Widerspruch des E könnte nach § 883 Abs. 2 S. 1 BGB unbeachtlich sein.
Ja!
5. G hat eine Vormerkung vom Berechtigten B erworben.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Ein gutgläubiger Erwerb einer Vormerkung ist nicht möglich.
Nein, das trifft nicht zu!
7. G hat die Vormerkung nach §§ 893 Alt. 2, 892 Abs. 1 BGB gutgläubig erworben.
Ja!
8. Der Widerspruch ist als Verfügung nach § 883 Abs. 2 S. 1 BGB der G gegenüber unwirksam.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. § 883 Abs. 2 S. 1 BGB ist auf den nach erworbener Vormerkung eingetragenen Widerspruch aber analog anzuwenden.
Ja, in der Tat!
10. Der eingetragene Widerspruch ist nach § 883 Abs. 2 S. 1 BGB analog unbeachtlich. G hat daher Eigentum nach §§ 873, 925, 892 BGB erworben.
Ja!
11. § 894 BGB ist auf den zu Unrecht eingetragenen Widerspruch aber analog anzuwenden.
Genau, so ist das!
12. G hat gegen E einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB analog.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tigerwitsch
22.2.2021, 19:13:22
Toller Fall! Was wäre denn gewesen, wenn z.Zt. der Eintragung der
Vormerkungbereits der Widerspruch eingetragen wäre? Ist dann der Widerspruch „stärker“ als die
Vormerkung?

Speetzchen
22.2.2021, 22:22:57
Hey! Dann würde ein gutgläubiger Ersterwerb der
Vormerkungausscheiden. § 892 I 2 BGB findet analog auf die
VormerkungAnwendung. lg
olfis
14.1.2022, 15:27:32
ehemalige:r Nutzer:in
21.5.2023, 18:11:55
@[olfis ](158866)Im Lösungstext steht, dass dies die überwiegende Ansicht von Rspr. und Literatur ist.
Maurice Fritz
20.4.2023, 19:55:30
Hier ist also der Widerspruch nicht nur relativ unwirksam?
ehemalige:r Nutzer:in
21.5.2023, 18:08:33
@[Maurice Fritz](80938) Ich glaube, du verwechselst hier die
Vormerkungmit dem Widerspruch. Erstere wirkt relativ unwirksam. Der Widerspruch führt allerdings u.a. zum Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs und wirkt deshalb ja nicht relativ unwirksam gegenüber einem Erwerber.

Tobias Krapp
29.8.2024, 23:27:26
Hallo Maurice Fritz, danke für die sehr gute Nachfrage! Hier muss man zeitlich unterscheiden: Als der Widerspruch eingetragen wurde, war G lediglich Inhaberin einer gutgläubig erworbenen
Vormerkung, aber noch nicht Eigentümerin. Hier ist wie in der Aufgabe besprochen § 883 II S. 1 BGB analog anzuwenden. Der Widerspruch ist zu diesem Zeitpunkt also NUR der G gegenüber relativ unwirksam. Zu diesem Zeitpunkt könnte G von E die Zustimmung zur Löschung analog § 888 I BGB verlangen, NICHT aber nach
§ 894 BGBanalog, da das Grundbuch eben nicht absolut unrichtig ist, sondern der Widerspruch nur G gegenüber relativ unwirksam ist. Als G aber als Eigentümerin eingetragen wurde, änderte sich das: Ab diesem Zeitpunkt änderte sich ihre Rechtsposition von nur relativ geschützter
Vormerkungsinhaberin zur absolut geschützten Eigentümerin. Die relative Unwirksamkeit war insoweit für die G nur von Bedeutung, damit sie Eigentum erwerben konnte. Sobald sie dieses aber erworben hat, hat § 883 II S. 1 BGB seinen Job getan und es greifen die absoluten Rechte. Der Widerspruch ist dann nicht nur gegenüber G relativ unwirksam, sondern gegenüber allen! Deswegen steht ab diesem Zeitpunkt G der Anspruch aus
§ 894 BGBanalog zu. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

Tobias Krapp
30.8.2024, 00:05:42
Ich habe das nun auch noch in die Aufgabe mit aufgenommen. Danke für die Anregung!
Jenny
26.1.2024, 12:35:07
Wann wurde denn in diesem Fall der Eintragungsantrag gestellt?
Leo Lee
27.1.2024, 17:15:44
Hallo Jenny, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Entscheidung selbst in von einem Eintragungsantrag selbst keine Rede, weil es ultimativ – aufgrund der
Vormerkung, auf deren Zeitpunkt abzustellen ist – nicht mehr von Bedeutung war bzgl. des Verhältnisses zum Widerspruch :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Bastian P.
9.2.2025, 00:37:45
In dieser Aufgabe wird ziemlich ausführlich die
Vormerkungund sogar der gutgläubige (Erst- und Zweit) Erwerb von
Vormerkungen behandeln, obwohl man erst in den folgenden Kapiteln erstmals eine Übersicht über
Vormerkungen erhält. Wenn man von der
Vormerkungnoch nie gehört hat, insbesondere vom gutgläubigen Erwerb dieser, sind die Aufgaben sehr verwirrend.
nondum conceptus
18.3.2025, 13:13:18
Besteht ein Anspruch auf Löschung aus der o.g. Norm?
okalinkk
15.5.2025, 11:55:38
Ich habe es wie folgt verstanden: Ein Anspruch aus
888 BGBanalog bestand als G noch nicht als Eigentümerin (!) ins Grundbuch eingetragen war. Der Widerspruch war dann nur der G ggü relativ unwirksam analog 883 II BGB. Sobald G dann aber als Eigentümerin eingetragen wurde, greift nicht mehr
888 BGBsondern
894 BGBanalog. Die G hat mit der Eintragung als Eigentümerin dann nämlich gutgläubig Eigentum und somit eine vollwertige Rechtsposition erworben, die allen ggü. absolut gilt. Sie kann dann gem 894 analog die Löschung des Widerspruchs verlangen.

Rechthaber
2.5.2025, 17:20:39
Ihr schreibt, dass das Gesetz gar keinen Anspruch bei einem zu Unrecht eingetragenen Widerspruch vorsieht. Kann man nicht den
1004 BGBheranziehen, der im Verhältnis zu 894 in seiner direkten Anwendung gesperrt ist. Wenn man über 1004 aber auch einen
Beseitigungsanspruchin Beug auf den Widerspruch konstruieren kann, dann besteht gar keine planwidrige Regelungslücke., zumal das Interesse des Eigentümers über sein Grundstück vollumfassend zu verfügen ebenfalls von
1004 BGBumfasst ist. Oder ist 1004 wegen der thematischen Nähe zu
894 BGBebenfalls gesperrt ?

Juraddicted
6.6.2025, 23:10:19
dieser Fall hat mir besonders gut gefallen, weil er kompliziert ist und durch das kleinschrittige Aufarbeiten inkl. der kurzen Schemata übersichtlich blieb. Danke :) gerne auch beim gutgläubigen Zweiterwerb so weiter machen ^^ Liebe Grüße

Linne Hempel
11.6.2025, 10:02:22
Hallo Juraddicted, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne Hempel, für das Jurafuchs-Team