Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die ZVR-Klausur
Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO
Materiell-rechtliche Einwendungen / Unvermögensfall
Materiell-rechtliche Einwendungen / Unvermögensfall
31. Mai 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G ist Eigentümer wertvoller Noten, die bei S liegen. G verklagt S auf Herausgabe. Für den Fall, dass S die Noten nicht innerhalb von 4 Wochen herausgibt, beantragt er, S auf Zahlung von Schadensersatz (€20.000) zu verurteilen. Das Gericht verurteilt S antragsgemäß. S gibt die Noten nicht heraus, zahlt aber nach 5 Wochen €20.000. G beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Herausgabevollstreckung.
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Einordnung des Falls
Materiell-rechtliche Einwendungen / Unvermögensfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Verurteilung des S zur Herausgabe unter Fristsetzung und zur Zahlung von Schadensersatz bei fruchtlosem Fristablauf war zulässig.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wenn S gegen die Herausgabevollstreckung des G vorgehen will, ist die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) der zulässige Rechtsbehelf.
Genau, so ist das!
3. Damit die Vollstreckungsabwehrklage Aussicht auf Erfolg hat, muss sie auch begründet sein.
Ja, in der Tat!
4. Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet. S kann Herausgabe der Noten verweigern.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Fahrradfischlein
24.9.2020, 11:13:12
Hätte G auch
Schadenersatz neben der Leistungverlangen können? Bestände der Herausgabeanspruch dann nach Ablauf der Frist noch?

Eigentum verpflichtet 🏔️
24.9.2020, 17:59:45
Hallo Fahrradfischlein, danke für deine Frage. Ausgangspunkt aller Ansprüche ist in diesem Fall der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Bezüglich
Schadensersatz neben der Leistungkäme hier ein Verzugsschaden nach §§ 990 Abs.2, 280 Abs. 1, 2,
286 BGBin Betracht. Da könnte G dann möglicherweise Ersatz für die Kosten der Miete neuer Noten ersetzt verlangen. In diesem Fall würde der Anspruch auf Herausgabe weiter bestehen, da sowohl § 281 Abs. 4 als auch
§ 275 BGBnicht für diesen Anspruch gelten. Bitte beachte auch unbedingt die Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987ff. BGB die hier in Betracht kämen. Allerdings findet sich dort keine Regelung für Schadensersatz wegen Weigerung der Herausgabe. Deswegen geht die h.M. in dem Fall über §§ 985, 280 Abs. 1, 3,
281 BGB.
SDee
29.2.2024, 12:46:35
Aus dem Sachverhalt wurde m. E. nicht deutlich, dass der
Schadensersatz statt der Leistunggefordert und tituliert wurde. Dies könnte man ggf. präzisieren?
evanici
9.9.2023, 14:46:27
Also ich verstehe nicht ganz, wie die
Begründetheitsprüfung dann ausgestaltet wäre, wäre der folgende Ansatz "falsch" (stark abgekürzter Versuch): Die Klage ist begründet, wenn dem S die materiell-rechtliche Einwendung (wahrscheinlich weit zu verstehen?) gegen den G zusteht. Fraglich wäre zunächst, ob der titulierte Anspruch überhaupt noch besteht. Hier könnte ein Herausgabeanspruch des G gegen S mangels anderer Angaben aus § 985 BGB im Raum stehen, dessen Voraussetzungen auch vorliegen. Der Anspruch war also ursprünglich entstanden. Durch den Eintritt der auflösenden Bedingung Verurteilung zu
Schadensersatz statt der Leistung"Herausgabe" nach Fristablauf § 158 II i.V.m. § 281 IV als rechtshindernde Einwendung besteht der Anspruch nicht mehr. Diese Einwendung des S ist auch nicht präkludiert nach § 767 II, III ZPO, mithin ist die Vollstreckung einzustellen gem. § 775 I Nr. 1 ZPO. Könnte man den Fristablauf i.V.m. § 281 IV mithin als auflösende Bedingung und somit Einwendung verstehen und wäre der geleistete Schadensersatz für die
Begründetheitsprüfung dann eigentlich nicht gänzlich irrelevant? Also selbst wenn S nicht gezahlt hätte, bestünde der Herausgabeanspruch doch eigentlich gar nicht...
Fuchsfrauchen
13.2.2024, 22:40:53
Verstehe ich das richtig, dass G nach den 4 Wochen auch nur noch den
SE statt der Leistungverlangen kann - auch wenn er die 20T € noch nicht erhalten hat?
Timurso
14.2.2024, 12:06:12
Würde ich so verstehen, ja. § 281 IV BGB setzt nicht die
Erfüllungdes Schadensersatzanspruches voraus, sondern das Verlangen. Das ist hier, unter der aufschiebenden Befristung der 4 Wochen, erfolgt.
Aleks_is_Y
23.5.2024, 18:54:16
Und wie verhält es sich dann mit den Eigentumsverhältnissen? Ist das Eigentum bei Zahlung des SE auf den Besitzer übergegangen, und falls ja nach welcher Norm?

FW
14.10.2024, 12:19:37
@[Aleks_is_Y](225618) Ich hätte eine
Dereliktion(§ 959) darin gesehen, dass G den Schadensersatzanspruch geltend macht und dadurch
konkludentdas Eigentum an den Noten nach außen erkennbar aufgibt. Da der S noch Besitzer ist und die Münzen nun
herrenlos, würde ich einen zeitgleichen,
konkludenten Eigentumserwerb des S in Form der Aneignung nach § 958 bejahen.

G0d0fMischief
22.1.2025, 10:53:58
Fallen dann vorliegend Eigentum und Besitz dauerhaft auseinander? Oder ergibt sich aus der Wirkung des § 281 IV BGB ein Anspruch auf Übertragung des Eigentums gem. § 929 S. 2 BGB? Falls kein Anspruch auf Übertragung des Eigentums besteht, stellt § 281 IV BGB dann ein Recht zum Besitz i.S.v. § 985 BGB dar?
SimonH
4.3.2025, 18:18:35
Hi, meines Wissens nach ist der Eigentümer hier dann analog § 255 BGB zur
Übereignungnach § 929 S.2 BGB verpflichtet.
M0ma
8.3.2025, 11:14:35
@[G0d0fMischief](217996) Ich pflichte @[SimonH](230651) bei: weil das Dauerhafte Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum das konsequente aber sicherlich nicht gewünschte Ergebnis in diesem Fall ist, wird § 255 BGB analog angewandt mit der Folge, dass der bisherige Eigentümer Zug-um-Zug gegen Zahlung des Schadensersatzes an den bisherigen Besitzer übereignen muss. Für den Klausur-Fall kann man sich Anfangs übrigens noch die Frage stellen, ob der § 281 IV BGB überhaupt auf § 985 BGB anwendbar ist (Stichwort:
Sperrwirkung des EBV?). Die Urteilsbesprechung aus der JA 2018, 386 kann ich dazu empfehlen :)