Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

B beauftragt U, ihr aus einem Stoff (Wert: € 500), den U aus Australien importiert hat, ein Hochzeitskleid (Wert: € 2.500) zu schneidern. U freut sich zwar über den Auftrag, ist sich aber über die Solvenz der B unsicher.

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Einordnung des Falls

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Schneidern des Hochzeitskleides erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 950 BGB.

Genau, so ist das!

Nach § 950 BGB erwirbt jemand, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe , (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt , (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe, Eigentum an der neuen Sache.Das Brautkleid ist im Vergleich zu dem Stoff eine neue (bewegliche) Sache, die durch die gezielte Aktivität der U hergestellt wurde. Der Verarbeitungswert beträgt 2.000 € und ist damit nicht erheblich geringer als der Wert des Eingangsstoffs.
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2. Die Person, die die Verarbeitung durchführt, ist immer Hersteller i.S.v. § 950 BGB und damit neuer Eigentümer der hergestellten Sache.

Nein, das trifft nicht zu!

Aus dem Wortlaut der Norm folgt lediglich, dass der Hersteller neuer Eigentümer der verarbeiteten Sache wird. Dies setzt nicht voraus, dass er die Sache auch selbst verarbeitet hat. Auch in der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass auch derjenige, der eine Sache herstellen lässt, Hersteller iSv § 950 BGB sein kann. Wie der Hersteller zu bestimmen ist, ist umstritten. Teilweise wird darauf abgestellt, dass die Herstellereigenschaft frei von den beteiligten Parteien geregelt werden kann. Die h.M. stellt bei der Ermittlung des Herstellers hingegen vorrangig auf die Verkehrsauffassung ab. Dabei soll derjenige Hersteller sein, in dessen Name und wirtschaftlichem Interesse die Sache hergestellt wird, also in der Regel der Geschäftsherr.

3. Beim Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 BGB) ist streitig, wer Hersteller der Sache ist.

Ja!

Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform 2002 finden auf einen Vertrag, der die Herstellung oder Lieferung neuer beweglicher Sachen zum Gegenstand hat (=Werklieferungsvertrag), die Vorschriften des Kaufrechts entsprechende Anwendung (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach dem Wortlaut des Gesetzes wäre der Werkunternehmer verpflichtet, dem Besteller die hergestellte Sache zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu übertragen (§§ 650 Abs. 1 S. 1, 433 Abs. 1 BGB). Dies wäre aber nur möglich, wenn der Werkunternehmer auch Eigentümer der Sache ist. Vor diesem Hintergrund wird nun teilweise vertreten, dass - entgegen der früheren Gesetzeslage - der Werkunternehmer immer als Hersteller anzusehen sei und nach § 950 BGB Eigentümer der verarbeiteten Sache werde.

4. Ist der Vertrag zur Herstellung eines Brautkleids ein Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Ein Werklieferungsvertrag ist ein Vertrag über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen. Auf diese Verträge ist dann Kaufrecht entsprechend anzuwenden. (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB).B und U haben vereinbart, dass U ein Brautkleid für sie herstellt und damit eine neue bewegliche Sache schafft.Sowohl § 950 BGB als auch § 650 Abs. 1 S. 1 BGB stellen auf die Herstellung einer neuen beweglichen Sache ab. Die Kriterien zu § 950 BGB entwickelt wurden, können daher auch zur Beurteilung, ob ein Werklieferungsvertrag vorliegt, herangezogen werden.

5. U ist Hersteller des Brautkleids und erwirbt Eigentum nach § 950 BGB.

Ja, in der Tat!

Die h.M. bestimmt den Hersteller beim Werklieferungsvertrag danach, wer das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt. Stellt der Werkunternehmer die Sache aus eigenen Stoffen her, trage er selbst das Risiko der Verarbeitung und sei daher Hersteller.U hat das Brautkleid aus einem sehr hochwertigen Stoff hergestellt, der ursprünglich in ihrem Eigentum stand. Sie trägt damit das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung.Zu dem gleichen Ergebnis kommt die Auffassung, die bei Werklieferungsverträgen den Werkunternehmer generell als „Hersteller“ ansieht.
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