Zivilrecht
Sachenrecht
Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)
Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B beauftragt U, ihr aus einem Stoff (Wert: €500), den U aus Australien importiert hat, ein Hochzeitskleid (Wert: €2.500) zu schneidern. U freut sich zwar über den Auftrag, ist sich aber über die Solvenz der B unsicher.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Schneidern des Hochzeitskleides erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 950 BGB.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Person, die die Verarbeitung durchführt, ist immer Hersteller i.S.v. § 950 BGB und damit neuer Eigentümer der hergestellten Sache.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Beim Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 BGB) ist streitig, wer Hersteller der Sache ist.
Ja!
4. Ist der Vertrag zur Herstellung eines Brautkleids hier ein Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Genau, so ist das!
5. U ist Hersteller des Brautkleids und erwirbt Eigentum nach § 950 BGB.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
evanici
15.9.2023, 14:23:39
Wieso ist das nicht wertungswidersprüchlich im Hinblick auf den vorigen Spiderman-Fall? Dort wurde ja der Besteller als Hersteller angenommen, obwohl auch dort der Werkunternehmer das wirtschaftliche Risiko trug. Könntet ihr das kurz darstellen, worin der Unterschied besteht?
Petrus
22.10.2023, 09:45:41
Beim Spiderman-Fall war der Stoff im Eigentum des Bestellers. Hier hingegen gehört der Stoff anfangs der U, sodass sie das wirtschaftliche Risiko trägt und nach der Verkehrsauffassung als Hersteller anzusehen ist.
kaan00
19.2.2024, 10:06:42
Mir ist die Abgrenzung zw. einem Werkvertrag und einem
Werklieferungsvertragnicht ganz klar. Muss der
Werklieferungsvertragnicht auch gerade die "Lieferung" umfassen? In der Subsumtion heißt es: "B und U haben vereinbart, dass U ein Brautkleid für sie herstellt und damit eine neue bewegliche Sache schafft." Inwiefern deshalb gerade ein
Werklieferungsvertraggegeben ist, ist damit nicht beantwortet, oder?
Sebastian Schmitt
13.1.2025, 10:17:52
Hallo @[kaan00](224294), die Abgrenzung zwischen Werklieferungs- und Werkvertrag (und auch zwischen
Werklieferungsvertragund Kaufvertrag) ist im Detail keine leichte und dementsprechend str. Die "Lieferung" dürfte hier aber weniger das Problem sein. Der Begriff ist untechnisch zu verstehen und eher iSe Eigentumsverschaffung wie in § 433 I 1 BGB gemeint. Erfolgen kann sie zB auch durch Abholung der Sache durch den Besteller (=Holschuld, BeckOGK-BGB/Merkle, Stand 1.10.2024, § 650 Rn 43; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl 2023, § 650 Rn 7). Deshalb ist es grds kein Problem, dass wir über die Art des "Überreichens" des Brautkleids nichts Genaues wissen. Die inhaltliche Abgrenzung zwischen Werklieferungs- und Werkvertrag erfolgt dann nach dem Schwerpunkt des Vertrags: Steht der Warenumsatz und die damit verbundene Besitz- und Eigentumsverschaffung im Vordergrund, haben wir einen Kauf- oder
Werklieferungsvertrag. Geht es dagegen mehr um die "Herstellung eines funktionstauglichen Werks", ist WerkvertragsR anwendbar (BeckOGK-BGB/Merkle, Stand 1.10.2024, § 650 Rn 21). MüKoBGB/Busche, 9. Aufl 2023, § 650 Rn 11 ff verweist in der Sache vor allem auf § 634a I BGB, in dem typischerweise dem WerkvertragsR unterfallende Vertragsgegenstände genannt seien. Ebenfalls kann man die von uns in der Aufgabe genannte Abgrenzung iRd § 950 BGB heranziehen. Für das WerkvertragsR bleiben damit zB "Arbeiten an einer unbeweglichen Sache, [gerichtet] auf die Herstellung von unkörperlichen Werken sowie [...] Arbeiten, die nicht zur Herstellung einer neuen Sache führen, wie zB Reparaturarbeiten" (BeckOK-BGB/Kindl, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 950 Rn 12). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
LS2024
5.7.2024, 14:48:47
Ich verstehe nicht wieso derjenige der das Material bereitstellt, das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt. Der Werkunternehmer schuldet ja einen Erfolg. Wenn die Verarbeitung also nicht erfolgreich ist, dann trägt er das wirtschaftliche Risiko. Genauso hat doch, wenn das Material aufgrund eines Fehlers des Unternehmers zerstört wird, der Unternehmer dem Besteller Schadenersatz zu leisten. Auch hinsichtlich des Materials trägt somit der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko. Unabhängig davon beträgt ja insbesondre im Fall des Superhelden Anzugs der Stoffwert nur 10 €. Der Verarbeitungswert, der ja dem Risiko des Unternehmers entspricht, dass die Verarbeitung fehlschlägt und er diese erneut (auf eigene Kosten) vornehmen muss, ist also erheblich geringer als der Stoffwert (240 €). Ergo wäre, selbst wenn man (warum auch immer) die Zerstörung des Stoffes als Risiko des Bestellers ansieht, das wirtschaftliche Risiko des Unternehmers deutlich größer. Wie wird also nach der hM begründet, dass der Besteller das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt?
Falsus Prokuristor
19.9.2024, 22:50:24
Ich habe eine ähnliche Frage unter der Aufgabe zu den Argumenten dieses Streits gestellt, die Antwort würde mich ebenfalls interessieren. :)