Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

21. Dezember 2024

4,8(16.588 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

B beauftragt U, ihr aus einem Stoff (Wert: €500), den U aus Australien importiert hat, ein Hochzeitskleid (Wert: €2.500) zu schneidern. U freut sich zwar über den Auftrag, ist sich aber über die Solvenz der B unsicher.

Diesen Fall lösen 85,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Schneidern des Hochzeitskleides erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 950 BGB.

Genau, so ist das!

Nach § 950 BGB erwirbt jemand, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe , (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt , (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe, Eigentum an der neuen Sache.Das Brautkleid ist im Vergleich zu dem Stoff eine neue (bewegliche) Sache, die durch die gezielte Aktivität der U hergestellt wurde. Der Verarbeitungswert beträgt €2.000 und ist damit nicht erheblich geringer als der Wert des Eingangsstoffs.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Person, die die Verarbeitung durchführt, ist immer Hersteller i.S.v. § 950 BGB und damit neuer Eigentümer der hergestellten Sache.

Nein, das trifft nicht zu!

Aus dem Wortlaut der Norm folgt lediglich, dass der Hersteller neuer Eigentümer der verarbeiteten Sache wird. Dies setzt nicht voraus, dass er die Sache auch selbst verarbeitet hat. Auch in der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass auch derjenige, der eine Sache herstellen lässt, Hersteller iSv § 950 BGB sein kann. Wie der Hersteller zu bestimmen ist, ist umstritten. Teilweise wird darauf abgestellt, dass die Herstellereigenschaft frei von den beteiligten Parteien geregelt werden kann. Die h.M. stellt bei der Ermittlung des Herstellers hingegen vorrangig auf die Verkehrsauffassung ab. Dabei soll derjenige Hersteller sein, in dessen Name und wirtschaftlichem Interesse die Sache hergestellt wird, also in der Regel der Geschäftsherr.

3. Beim Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 BGB) ist streitig, wer Hersteller der Sache ist.

Ja!

Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform 2002 finden auf einen Vertrag, der die Herstellung oder Lieferung neuer beweglicher Sachen zum Gegenstand hat (=Werklieferungsvertrag), die Vorschriften des Kaufrechts entsprechende Anwendung (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach dem Wortlaut des Gesetzes wäre der Werkunternehmer verpflichtet, dem Besteller die hergestellte Sache zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu übertragen (§§ 650 Abs. 1 S. 1, 433 Abs. 1 BGB). Dies wäre aber nur möglich, wenn der Werkunternehmer auch Eigentümer der Sache ist. Vor diesem Hintergrund wird nun teilweise vertreten, dass - entgegen der früheren Gesetzeslage - der Werkunternehmer immer als Hersteller anzusehen sei und nach § 950 BGB Eigentümer der verarbeiteten Sache werde.

4. Ist der Vertrag zur Herstellung eines Brautkleids ein Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Ein Werklieferungsvertrag ist ein Vertrag über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen. Auf diese Verträge ist dann Kaufrecht entsprechend anzuwenden. (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB).B und U haben vereinbart, dass U ein Brautkleid für sie herstellt und damit eine neue bewegliche Sache schafft.Sowohl § 950 BGB als auch § 650 Abs. 1 S. 1 BGB stellen auf die Herstellung einer neuen beweglichen Sache ab. Die Kriterien zu § 950 BGB entwickelt wurden, können daher auch zur Beurteilung, ob ein Werklieferungsvertrag vorliegt, herangezogen werden.

5. U ist Hersteller des Brautkleids und erwirbt Eigentum nach § 950 BGB.

Ja, in der Tat!

Die h.M. bestimmt den Hersteller beim Werklieferungsvertrag danach, wer das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt. Stellt der Werkunternehmer die Sache aus eigenen Stoffen her, trage er selbst das Risiko der Verarbeitung und sei daher Hersteller.U hat das Brautkleid aus einem sehr hochwertigen Stoff hergestellt, der ursprünglich in ihrem Eigentum stand. Sie trägt damit das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung.Zu dem gleichen Ergebnis kommt die Auffassung, die bei Werklieferungsverträgen den Werkunternehmer generell als „Hersteller“ ansieht.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

15.9.2023, 14:23:39

Wieso ist das nicht wertungswidersprüchlich im Hinblick auf den vorigen Spiderman-Fall? Dort wurde ja der Besteller als Hersteller angenommen, obwohl auch dort der Werkunternehmer das wirtschaftliche Risiko trug. Könntet ihr das kurz darstellen, worin der Unterschied besteht?

PET

Petrus

22.10.2023, 09:45:41

Beim Spiderman-Fall war der Stoff im Eigentum des Bestellers. Hier hingegen gehört der Stoff anfangs der U, sodass sie das wirtschaftliche Risiko trägt und nach der Verkehrsauffassung als Hersteller anzusehen ist.

kaan00

kaan00

19.2.2024, 10:06:42

Mir ist die Abgrenzung zw. einem Werkvertrag und einem

Werklieferungsvertrag

nicht ganz klar. Muss der

Werklieferungsvertrag

nicht auch gerade die "Lieferung" umfassen? In der Subsumtion heißt es: "B und U haben vereinbart, dass U ein Brautkleid für sie herstellt und damit eine neue bewegliche Sache schafft." Inwiefern deshalb gerade ein

Werklieferungsvertrag

gegeben ist, ist damit nicht beantwortet, oder?

LS2024

LS2024

5.7.2024, 14:48:47

Ich verstehe nicht wieso derjenige der das Material bereitstellt, das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt. Der Werkunternehmer schuldet ja einen Erfolg. Wenn die Verarbeitung also nicht erfolgreich ist, dann trägt er das wirtschaftliche Risiko. Genauso hat doch, wenn das Material aufgrund eines Fehlers des Unternehmers zerstört wird, der Unternehmer dem Besteller Schadenersatz zu leisten. Auch hinsichtlich des Materials trägt somit der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko. Unabhängig davon beträgt ja insbesondre im Fall des Superhelden Anzugs der Stoffwert nur 10 €. Der Verarbeitungswert, der ja dem Risiko des Unternehmers entspricht, dass die Verarbeitung fehlschlägt und er diese erneut (auf eigene Kosten) vornehmen muss, ist also erheblich geringer als der Stoffwert (240 €). Ergo wäre, selbst wenn man (warum auch immer) die Zerstörung des Stoffes als Risiko des Bestellers ansieht, das wirtschaftliche Risiko des Unternehmers deutlich größer. Wie wird also nach der hM begründet, dass der Besteller das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt?

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

19.9.2024, 22:50:24

Ich habe eine ähnliche Frage unter der Aufgabe zu den Argumenten dieses Streits gestellt, die Antwort würde mich ebenfalls interessieren. :)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen