Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

15. Januar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

B beauftragt U, ihr aus einem Stoff (Wert: €500), den U aus Australien importiert hat, ein Hochzeitskleid (Wert: €2.500) zu schneidern. U freut sich zwar über den Auftrag, ist sich aber über die Solvenz der B unsicher.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Verarbeitung bei Werklieferungsvertrag - Stoff des Unternehmers (Streit)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Schneidern des Hochzeitskleides erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 950 BGB.

Genau, so ist das!

Nach § 950 BGB erwirbt jemand, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe , (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt , (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe, Eigentum an der neuen Sache.Das Brautkleid ist im Vergleich zu dem Stoff eine neue (bewegliche) Sache, die durch die gezielte Aktivität der U hergestellt wurde. Der Verarbeitungswert beträgt €2.000 und ist damit nicht erheblich geringer als der Wert des Eingangsstoffs.
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2. Die Person, die die Verarbeitung durchführt, ist immer Hersteller i.S.v. § 950 BGB und damit neuer Eigentümer der hergestellten Sache.

Nein, das trifft nicht zu!

Aus dem Wortlaut der Norm folgt lediglich, dass der Hersteller neuer Eigentümer der verarbeiteten Sache wird. Dies setzt nicht voraus, dass er die Sache auch selbst verarbeitet hat. Auch in der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass auch derjenige, der eine Sache herstellen lässt, Hersteller iSv § 950 BGB sein kann. Wie der Hersteller zu bestimmen ist, ist umstritten. Teilweise wird darauf abgestellt, dass die Herstellereigenschaft frei von den beteiligten Parteien geregelt werden kann. Die h.M. stellt bei der Ermittlung des Herstellers hingegen vorrangig auf die Verkehrsauffassung ab. Dabei soll derjenige Hersteller sein, in dessen Name und wirtschaftlichem Interesse die Sache hergestellt wird, also in der Regel der Geschäftsherr.

3. Beim Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 BGB) ist streitig, wer Hersteller der Sache ist.

Ja!

Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform 2002 finden auf einen Vertrag, der die Herstellung oder Lieferung neuer beweglicher Sachen zum Gegenstand hat (=Werklieferungsvertrag), die Vorschriften des Kaufrechts entsprechende Anwendung (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach dem Wortlaut des Gesetzes wäre der Werkunternehmer verpflichtet, dem Besteller die hergestellte Sache zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu übertragen (§§ 650 Abs. 1 S. 1, 433 Abs. 1 BGB). Dies wäre aber nur möglich, wenn der Werkunternehmer auch Eigentümer der Sache ist. Vor diesem Hintergrund wird nun teilweise vertreten, dass - entgegen der früheren Gesetzeslage - der Werkunternehmer immer als Hersteller anzusehen sei und nach § 950 BGB Eigentümer der verarbeiteten Sache werde.

4. Ist der Vertrag zur Herstellung eines Brautkleids hier ein Werklieferungsvertrag (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Ein Werklieferungsvertrag ist ein Vertrag über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen. Auf diese Verträge ist dann Kaufrecht entsprechend anzuwenden. (§ 650 Abs. 1 S. 1 BGB).B und U haben vereinbart, dass U aus von U besorgtem Stoff ein Brautkleid herstellt und damit eine neue bewegliche Sache schafft.Sowohl § 950 BGB als auch § 650 Abs. 1 S. 1 BGB stellen auf die Herstellung einer neuen beweglichen Sache ab. Die Kriterien zu § 950 BGB entwickelt wurden, können daher auch zur Beurteilung, ob ein Werklieferungsvertrag vorliegt, herangezogen werden.

5. U ist Hersteller des Brautkleids und erwirbt Eigentum nach § 950 BGB.

Ja, in der Tat!

Die h.M. bestimmt den Hersteller beim Werklieferungsvertrag danach, wer das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt. Stellt der Werkunternehmer die Sache aus eigenen Stoffen her, trage er selbst das Risiko der Verarbeitung und sei daher Hersteller.U hat das Brautkleid aus einem sehr hochwertigen Stoff hergestellt, der ursprünglich in ihrem Eigentum stand. Sie trägt damit das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung.Zu dem gleichen Ergebnis kommt die Auffassung, die bei Werklieferungsverträgen den Werkunternehmer generell als „Hersteller“ ansieht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

15.9.2023, 14:23:39

Wieso ist das nicht wertungswidersprüchlich im Hinblick auf den vorigen Spiderman-Fall? Dort wurde ja der Besteller als Hersteller angenommen, obwohl auch dort der Werkunternehmer das wirtschaftliche Risiko trug. Könntet ihr das kurz darstellen, worin der Unterschied besteht?

PET

Petrus

22.10.2023, 09:45:41

Beim Spiderman-Fall war der Stoff im Eigentum des Bestellers. Hier hingegen gehört der Stoff anfangs der U, sodass sie das wirtschaftliche Risiko trägt und nach der Verkehrsauffassung als Hersteller anzusehen ist.

kaan00

kaan00

19.2.2024, 10:06:42

Mir ist die Abgrenzung zw. einem Werkvertrag und einem

Werklieferungsvertrag

nicht ganz klar. Muss der

Werklieferungsvertrag

nicht auch gerade die "Lieferung" umfassen? In der Subsumtion heißt es: "B und U haben vereinbart, dass U ein Brautkleid für sie herstellt und damit eine neue bewegliche Sache schafft." Inwiefern deshalb gerade ein

Werklieferungsvertrag

gegeben ist, ist damit nicht beantwortet, oder?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

13.1.2025, 10:17:52

Hallo @[kaan00](224294), die Abgrenzung zwischen Werklieferungs- und Werkvertrag (und auch zwischen

Werklieferungsvertrag

und Kaufvertrag) ist im Detail keine leichte und dementsprechend str. Die "Lieferung" dürfte hier aber weniger das Problem sein. Der Begriff ist untechnisch zu verstehen und eher iSe Eigentumsverschaffung wie in § 433 I 1 BGB gemeint. Erfolgen kann sie zB auch durch Abholung der Sache durch den Besteller (=Holschuld, BeckOGK-BGB/Merkle, Stand 1.10.2024, § 650 Rn 43; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl 2023, § 650 Rn 7). Deshalb ist es grds kein Problem, dass wir über die Art des "Überreichens" des Brautkleids nichts Genaues wissen. Die inhaltliche Abgrenzung zwischen Werklieferungs- und Werkvertrag erfolgt dann nach dem Schwerpunkt des Vertrags: Steht der Warenumsatz und die damit verbundene Besitz- und Eigentumsverschaffung im Vordergrund, haben wir einen Kauf- oder

Werklieferungsvertrag

. Geht es dagegen mehr um die "Herstellung eines funktionstauglichen Werks", ist WerkvertragsR anwendbar (BeckOGK-BGB/Merkle, Stand 1.10.2024, § 650 Rn 21). MüKoBGB/Busche, 9. Aufl 2023, § 650 Rn 11 ff verweist in der Sache vor allem auf § 634a I BGB, in dem typischerweise dem WerkvertragsR unterfallende Vertragsgegenstände genannt seien. Ebenfalls kann man die von uns in der Aufgabe genannte Abgrenzung iRd § 950 BGB heranziehen. Für das WerkvertragsR bleiben damit zB "Arbeiten an einer unbeweglichen Sache, [gerichtet] auf die Herstellung von unkörperlichen Werken sowie [...] Arbeiten, die nicht zur Herstellung einer neuen Sache führen, wie zB Reparaturarbeiten" (BeckOK-BGB/Kindl, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 950 Rn 12). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

5.7.2024, 14:48:47

Ich verstehe nicht wieso derjenige der das Material bereitstellt, das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt. Der Werkunternehmer schuldet ja einen Erfolg. Wenn die Verarbeitung also nicht erfolgreich ist, dann trägt er das wirtschaftliche Risiko. Genauso hat doch, wenn das Material aufgrund eines Fehlers des Unternehmers zerstört wird, der Unternehmer dem Besteller Schadenersatz zu leisten. Auch hinsichtlich des Materials trägt somit der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko. Unabhängig davon beträgt ja insbesondre im Fall des Superhelden Anzugs der Stoffwert nur 10 €. Der Verarbeitungswert, der ja dem Risiko des Unternehmers entspricht, dass die Verarbeitung fehlschlägt und er diese erneut (auf eigene Kosten) vornehmen muss, ist also erheblich geringer als der Stoffwert (240 €). Ergo wäre, selbst wenn man (warum auch immer) die Zerstörung des Stoffes als Risiko des Bestellers ansieht, das wirtschaftliche Risiko des Unternehmers deutlich größer. Wie wird also nach der hM begründet, dass der Besteller das wirtschaftliche Risiko der Verarbeitung trägt?

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

19.9.2024, 22:50:24

Ich habe eine ähnliche Frage unter der Aufgabe zu den Argumenten dieses Streits gestellt, die Antwort würde mich ebenfalls interessieren. :)


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