+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Gesellschafterinnen der Autoreparatur-OHG, G1 und G2, haben keine besonderen Regeln zur Geschäftsführung und Vertretung vereinbart. Weil die Geschäfte lange gut liefen und sich das Geld auf dem Firmenkonto stapelt, erwirbt G1 im Namen der OHG eine Beteiligung an einem Start-Up Unternehmen, in der Hoffnung, die OHG würde davon langfristig profitieren.
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Einordnung des Falls
Geschäftsführung vs Vertretung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. OHG-Gesellschafter sind grundsätzlich einzelgeschäftsführungsbefugt.
Ja!
Grundsätzlich sind alle Gesellschafter der OHG zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht (§ 108 HGB). Im Unterschied zu § 715 Abs. 1, Abs. 3 BGB herrscht in der OHG dabei der Grundsatz der Einzelgeschäftsführung (§ 116 Abs. 3 HGB): Jeder Gesellschafter ist dazu befugt, ohne vorherige Abstimmung mit seinen Mitgesellschaftern die Geschäfte der Gesellschaft zu führen.
MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 109 HGB a.F. = § 108 HGB n.F., § 114 Abs. 2 HGB a.F. ersatzlos gestrichen, § 115 Abs. 1 HGB a.F. = 116 Abs. 3 HGB n.F.
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2. G1 hatte die Geschäftsführungsbefugnis für den Kauf der Unternehmensbeteiligung.
Nein, das ist nicht der Fall!
Zwar verfügen OHG-Gesellschafter grundsätzlich über eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis (§§ 116 Abs. 1, 116 Abs. 3 HGB) und Einzelvertretungsmacht (§ 124 Abs. 1 HGB). Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich jedoch nur auf die Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt (§ 116 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 HGB). Für Maßnahmen, die darüber hinausgehen, ist die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich (§ 116 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 HGB). Über den gewöhnlichen Betrieb der OHG (§ 116 Abs. 2 S. 1 HGB) gehen solche Geschäfte hinaus, die von dem vertraglich festgelegten, aus dem Unternehmensgegenstand ableitbaren Zweck der Gesellschaft nicht mehr gedeckt werden oder die wegen ihrer Bedeutung und der mit ihnen verbundenen Risiken Ausnahmecharakter tragen
Der Kauf von Unternehmensbeteiligungen gehört nicht zum normalen Geschäft einer Autoreparaturwerkstatt, sodass eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich war (§ 116 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 HGB). G1 hat allein keine Befugnis hierfür.
MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 114 Abs. 1 HGB a.F. = § 116 Abs. 1 HGB n.F.; § 115 Abs. 1 HGB a.F. = § 116 Abs. 3 HGB n.F.; § 125 HGB a.F. = § 125 Abs. 1 HGB n.F.; § 116 Abs. 1 HGB a.F.= § 116 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 HGB n.F.; § 116 Abs. 2 HGB a.F.= § 116 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 HGB n.F.
3. Mangels Geschäftsführungsbefugnis hatte G1 auch keine Vertretungsmacht.
Nein, das trifft nicht zu!
Der gesetzliche Normalfall geht von der Einzelvertretungbefugnis eines jeden Gesellschafters der OHG aus (§ 124 Abs. 1 HGB). Im Gegensatz zur GbR ist diese Vertretungsmacht gegenüber Dritten unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis, die sich nach § 116 Abs. 1, Abs. 3 HGB richtet. Der Umfang der Vertretungsmacht ergibt sich aus § 124 Abs. 4 HGB: Die Vertretungsmacht der Gesellschafter erstreckt sich auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen einschließlich der Veräußerung und Belastung von Grundstücken sowie der Erteilung und des Widerrufs einer Prokura. Der Umfang der Vertretungsmacht des Gesellschafters nach außen ist daher völlig unbeschränkt. Da die Vertretungsmacht unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis und inhaltlich unbeschränkt ist, konnte G1 die OHG beim Kauf der Beteiligung vertreten.