Mindestlohn
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Transportunternehmerin T wird beim Blick auf die Kraftstoffpreise Angst und Bange. Um Kosten zu sparen, bietet sie Bewerberin B nur noch einen Lohn von €7/h für die Tätigkeit als Fahrerin an. B findet das sehr wenig, unterschreibt aber dennoch den Arbeitsvertrag.
Diesen Fall lösen 91,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Mindestlohn
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Arbeitsvertragsparteien sind gänzlich frei bei der Vereinbarung der Höhe der Vergütung.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Fällt B in den persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes (§ 22 MiLoG)?
Genau, so ist das!
3. Die Vergütungsvereinbarung zwischen T und B unterschreitet den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 2 MiLoG).
Ja, in der Tat!
4. Ist die Vergütungsvereinbarung zwischen T und B wirksam (§ 3 S. 1 MiLoG)?
Nein!
5. Da die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist, hat B überhaupt keinen Anspruch auf Lohn.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philippe
22.4.2022, 11:40:41
Also ist die Konsequenz des § 3 MiLoG, dass nicht nur der Mindestlohn zu zahlen ist, sondern auch die ggf darüber hinausgehende ortsübliche Vergütung? Ich hatte gedacht, das MiLoG soll den Lohn im Falle unwirksamer Vereinbarungen nur bis zum Mindestlohn aufstocken ("insoweit").
Lukas_Mengestu
22.4.2022, 12:19:01
Hallo Philippe, vielen Dank für Deine Anmerkung. In der Tat ist umstritten, welche Rechtsfolge § 3 S. 1 MiLoG hat, ob also aufgestockt wird und quasi eine Art geltungserhaltende Reduktion stattfindet oder ob die gesamte Regelung insgesamt als unwirksam (und damit nicht existent) behandelt wird und man auf § 612 BGB zurückgreift (vgl. ErfK/Franzen, 22. Aufl. 2022, MiLoG § 3 Rn. 1 mwN). Während die erste Ansicht in der Tat auf den Wortlaut abstellt, wird der Rückgriff auf § 612 BGB vielmehr mit dem Telos der Norm begründet und einer darin innewohnenden Sanktionswirkung. Wir haben das nun in der Aufgabe etwas ausführlicher dargestellt. Unabhängig welcher Ansicht man folgt, besteht mindestens ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diana Maria
16.11.2022, 23:03:37
Wisst ihr was von den beiden Ansicht die herrschende wäre? Ich nehme an das wurde noch nicht gerichtlich entschieden?
Lukas_Mengestu
20.2.2023, 14:24:25
Hallo Diana Maria, das Bundesarbeitsgericht hatte hierzu in der Tat noch nicht ausführlich Stellung bezogen. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 war die Revision der Kläger bereits deshalb abgelehnt worden, weil ihre Mindestlohnansprüche erfülllt worden waren. Die Ausführungen des BAG in dieser Entscheidung ("Differenzanspruch") und der Verweis auf Vertreter der Ansicht, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn begrenzen wollen, legt nahe, dass es hierfür gewisse Sympathien hegt (BAG, Urt. v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16 = NZA 2016, 1327). Insgesamt dürfte also die erste Ansicht vorherrschend sein. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diana Maria
20.2.2023, 22:50:38
Vielen Dank für die ausführliche Antwort :)