Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Vorsätzliche Körperverletzung, § 223 StGB

Klarer Fall einer körperlichen Misshandlung und einer Gesundheitsschädigung durch Unterlassen

Klarer Fall einer körperlichen Misshandlung und einer Gesundheitsschädigung durch Unterlassen

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B leidet an einer schweren Krebserkrankung. Ihr behandelnder Arzt A unterlässt absichtlich die gebotene Behandlung. Der Tumor der B wächst weiter, was zu zunehmenden Schmerzen führt.

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Einordnung des Falls

Klarer Fall einer körperlichen Misshandlung und einer Gesundheitsschädigung durch Unterlassen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A die gebotene Behandlung unterlässt, hat er die B körperlich misshandelt (§§ 223 Abs. 1 Var. 1, 13 Abs. 1 StGB).

Ja!

Eine körperliche Misshandlung kann auch durch Unterlassen begangen werden, wenn die Voraussetzungen des § 13 StGB erfüllt sind, d.h. der Täter eine Garantenstellung gegenüber dem Opfer hat. Der Täter ist dann strafbar wegen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB). Unterlässt der Arzt eine gebotene Behandlung gegenüber seinem Patienten, verletzt er seine Schutzpflichten und handelt garantenpflichtwidrig (Beschützergarant). Der Tumor der B wächst weiter und sie hat zunehmend starke Schmerzen, womit ihre körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt ist (körperliche Misshandlung).
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2. Indem A die gebotene Behandlung unterlässt, hat er die B auch an der Gesundheit geschädigt (§§ 223 Abs. 1 Var. 2, 13 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Gesundheitsschädigung, also insbesondere das Steigern eines pathologischen Zustands, ist auch durch Unterlassen möglich. Arzt A hat die gebotene Behandlung unterlassen und damit den pathologischen Zustand der B gesteigert. A hat somit auch eine Gesundheitsschädigung durch Unterlassen (§§ 223 Abs. 1 Var. 2, 13 Abs. 1 StGB) begangen. Die beiden Tatbestandsvarianten stehen zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB), sodass A eine Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB) begangen hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AME

Amelie7

30.10.2024, 14:46:48

Wie liegt es, wenn der Patient will dass der Heileingriff nicht vorgenommen wird? Läge dann eine

Körperverletzung durch Unterlassen

vor, die durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt ist?

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 08:57:55

Hallo Amelie7, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wenn die B im vorliegenden Fall eine Behandlung in Kenntnis der Krankheit ablehnen würde, würden wir zunächst ganz normal den Tatbestand prüfen und diesen bejahen (den dieser ändert sich ja zunächst nicht, wenngleich eine Einwilligung der B vorliegt). Allerdings würden wir auf Ebene der RWK die rechtfertigende Einwilligung prüfen und auch durchkommen, soweit die B in voller Kenntnis der Tragweite ihrer Entscheidung auf die Behandlung verzichtet hat. Wichtig ist, dass die B hinreichend aufgeklärt wird. Wenn der Arzt etwa sagt, dass sei nur Verdauungsprobleme (obwohl er um die Krebseigenschaft weiß), dann würde keine wirksame Einwilligung vorliegen, da die B eben nicht wusste, was sie tat und er Arzt sie hätte aufklären können und müssen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 34 Rn. 33 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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