Haftung des Verkäufers und des Maklers für öffentliche Äußerungen zur Kaufsache


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft und übergibt ihr Grundstück unter Haftungsausschluss an K. V weiß, dass K Pferde hält. Im Exposé von Vs Maklerin M heißt es: „Die Errichtung von Pferdeboxen ist genehmigt.“ Laut Vertrag „gehören Genehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit“. V weiß, dass Boxen weder genehmigt noch genehmigungsfähig sind.

Einordnung des Falls

Haftung des Verkäufers und des Maklers für öffentliche Äußerungen zur Kaufsache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K erkennt die Wahrheitswidrigkeit der Angaben zu Pferdeboxen und erklärt V den Rücktritt vom Kaufvertrag. Voraussetzung für wirksamen Rücktritt ist die Mangelhaftigkeit der Kaufsache (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 BGB setzt voraus: (1) Wirksamer Kaufvertrag, (2) Mangel bei Gefahrenübergang (§ 434 BGB), (3), Fristsetzung oder Entbehrlichkeit (§ 323 Abs. 2 BGB), (4) Erheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), (5) kein Ausschluss gemäß § 323 Abs. 6 BGB und (6) Rücktrittserklärung (§ 349 BGB)

2. Vorliegend müsste ein Mangel i.S.d. § 434 BGB gegeben sein. Stehen die in § 434 Abs. 1 BGB genannten drei Mängeltatbestände in einem Stufenverhältnis zueinander?

Nein!

Das seit dem 1.1.2022 geltende Kaufrecht sieht einen Gleichrang von subjektivem und objektivem Fehlerbegriff vor. Die subjektiven Anforderungen ergeben sich detailliert aus § 434 Abs. 2 BGB, die objektiven aus § 434 Abs. 3 BGB. Die Montageanforderungen regelt § 434 Abs. 4 BGB. Nach § 434 Abs. 1 BGB a.F. war die Sache „frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit“ hatte. Danach hatte der subjektive Fehlerbegriff Vorrang.

3. V und K haben eine „positive“ Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend getroffen, dass eine Baugenehmigung für zwei Pferdeboxen auf dem Grundstück existiert (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine „positive“ Beschaffenheitsvereinbarung erfordert, dass die Parteien einen bestimmten Zustand der Kaufsache als vertragsgemäß festlegen (RdNr. 18). Nach dem BGH müssen bei Grundstückskaufverträgen Beschaffenheitsvereinbarungen außerdem zwingend in die notarielle Urkunde aufgenommen werden. Eine Heilung gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB sei nicht möglich (BGH, NJW 2016, 1815). V und K haben vereinbart, dass etwaige Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehören. Außerdem haben weder das Exposé noch sein Inhalt Einzug in den notariellen Kaufvertrag gefunden. Eine positive Beschaffenheitsvereinbarung liegt nicht vor.§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. = § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.

4. V und K haben jedoch eine „negative“ Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, indem sie festgelegt haben, dass Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehören.

Nein, das trifft nicht zu!

Möglich ist auch eine „negative“ Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend, dass die Kaufsache eine bestimmte Eigenschaft nicht aufweist oder eine bestimmte wertmindernde Eigenschaft besitzt (RdNr. 18). K und V haben lediglich vereinbart, dass Genehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehören. Der Vertrag bestimmt damit weder „positiv“, dass Baugenehmigungen vorhanden sind, noch „negativ“, dass sie fehlen. Aus der Vertragsbestimmung ergibt sich auch keine wertmindernde Eigenschaft des Grundstücks. Folglich liegt auch keine „negative“ Beschaffenheitsvereinbarung vor.

5. Das Grundstück ist mangelhaft, weil es sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein!

Die Verwendung ist nur dann vertraglich vorausgesetzt, wenn der Käufer den Zweck des Kaufvertrags gegenüber dem Verkäufer hinreichend erkennbar zum Ausdruck bringt und der Verkäufer dem Zweck (auch konkludent) zustimmt oder sich zumindest nicht dagegen verwahrt. Zwar war für V wohl erkennbar, dass K das Grundstück auch zur Bebauung mit Pferdeboxen nutzen wollte. Allerdings bringt der Vertragstext zum Ausdruck, dass V für die Existenz von Baugenehmigung gerade nicht einstehen möchte. Mithin verwahrt sie sich gegen einen solchen Vertragszweck. Der BGH hat diesen Mängeltatbestand überhaupt nicht angesprochen. §434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. = § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F)

6. Nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB können dem Verkäufer zurechenbare öffentliche Äußerungen übliche Beschaffenheiten der Kaufsache i.S.d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB begründen.

Genau, so ist das!

Zu der üblichen Beschaffenheit nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen erwarten kann. Etwas anderes gilt nur, wenn (1) der Verkäufer die Äußerung nicht kannte oder kennen musste, die Äußerung (2) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder (3) die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.§ 434 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 lit. b BGB n.F. = § 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F.

7. § 434 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 lit. b BGB ist vorliegend auch anwendbar, weil die Bebaubarkeit nicht schon durch Beschaffenheitsvereinbarung geregelt ist oder zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung gehört.

Ja, in der Tat!

Auch nach dem neuen Kaufrecht finden die objektiven Anforderungen nur Anwendung soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde. Wie bereits festgestellt, ist weder eine "positive" noch eine "negative" Beschaffenheitsvereinbarung festzustellen (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Auch ist keine vertraglich vorausgesetzte Verwendung ersichtlich (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Damit ist § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB anwendbar.

8. Die Angabe im Verkaufsexposé der M, für das Grundstück sei die Errichtung zweier Pferdeboxen genehmigt, fällt grundsätzlich unter § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB.

Ja!

Unter § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB fallen Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen erwarten kann. Dazu zählen nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig auch die Angaben in einem Verkaufsexposé (BGH NJW 2018, 1954; 2017, 150). Das Exposé stammt von V's Maklerin, mithin einer Gehilfin der V, deren Äußerungen ihr insoweit zuzurechnen sind (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB).

9. Nach Auffassung des BGH ist § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB beim Grundstückskauf teleologisch dahin zu reduzieren, dass die zu erwartende Beschaffenheit im Vertrag einen Niederschlag gefunden haben muss.

Nein, das ist nicht der Fall!

Dieser im Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht hat der BGH eine Absage erteilt: § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB sei vielmehr uneingeschränkt auch auf Grundstückskaufverträge anwendbar (RdNr. 13). Dem stehe auch der Formzwang bei Grundstückskaufverträgen nicht entgegen: Das Gesetz ordne die aus öffentlichen Äußerungen folgenden Eigenschaften ausdrücklich solchen des Satz 2 Nr. 2 zu. Sie seien deshalb bestimmend für die gesetzlich vorgeschriebene Beschaffenheit; der Formzwang könne hingegen nur die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit betreffen.§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB n.F. = § 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F.

10. Mangels Beschaffenheitsvereinbarung und Verwendungszweck kommt der objektive Maßstab des § 434 Abs. 3 BGB zur Anwendung. Danach ist das Grundstück mangelhaft.

Ja, in der Tat!

Das Grundstück ist jedenfalls dann mangelhaft, wenn es (1) bei Gefahrübergang eine Eigenschaft nicht aufwies, die K nach den öffentlichen Äußerungen der V oder ihrer Gehilfin M erwarten konnte, (2) V diese Äußerung kannte und die Äußerung (3) auch nicht berichtigt war und (4) die Kaufentscheidung beeinflussen konnte (§ 434 Abs. Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB). V hat K das Grundstück übergeben und so den Gefahrübergang bewirkt (§ 446 S. 1 BGB). K durfte aufgrund des Exposés auch erwarten, dass Baugenehmigungen bestehen. Obwohl V das Exposé bekannt war, hat sie die Falschangabe nicht berichtigt. Der Inhalt des Exposés konnte K als Pferdehalter auch in seiner Kaufentscheidung beeinflussen. Mithin ist das Grundstück mangelhaft.

11. In der Vereinbarung, dass Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehören, ist ein vertraglicher Haftungsausschluss zu sehen.

Ja!

BGH: Während die Bestimmung zwar keine „positive“ oder „negative“ Beschaffenheitsvereinbarung darstelle, bringe sie aber zumindest zum Ausdruck, dass der Käufer nicht für die Möglichkeit weiterer Bebauung einstehen wolle. Dieser vertragliche Haftungsausschluss sei grundsätzlich zulässig, auch wenn er hier neben dem ohnehin vereinbarten allgemeinen Haftungsausschluss letztlich redundant sei (RdNr. 20).

12. Der Haftungsausschluss führt dazu, dass K aus der Mangelhaftigkeit des Grundstücks keine Rechte herleiten kann.

Nein, das ist nicht der Fall!

Auf den Haftungsausschluss kann sich V nicht berufen, wenn sie den Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 444 BGB). Dazu müsste sie den Mangel zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass K den Mangel nicht kannte und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätte. V wusste, dass keine Genehmigungen existieren und kannte den Inhalt des Exposés. Bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung erkannte sie auch, dass M als Pferdehalter Wert auf die Bebaubarkeit des Grundstücks mit Pferdeboxen legte und sich der Inhalt des Exposés deshalb auf den Vertragsschluss ausgewirkt hat. Somit hat sie den Mangel arglistig verschwiegen.

13. K kann vom Kaufvertrag zurücktreten.

Ja, in der Tat!

Bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache steht dem Verkäufer grundsätzlich das Recht der zweiten Andienung zu (§ 439 BGB). Der Käufer kann nur dann sofort vom Vertrag zurücktreten, wenn die Fristsetzung entbehrlich ist, also wenn ihm die Nacherfüllung nicht zugemutet werden kann (§§ 323 Abs. 2, 439 BGB). Die weiteren Rücktrittsvoraussetzungen liegen unproblematisch vor. Der BGH leitet das Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2, 323 BGB ab (RdNr. 10). Die Fristsetzung ist dann gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, weil V den Mangel arglistig verschwiegen hat (RdNr. 25). Wegen der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Bebauung lässt sich auch von Unmöglichkeit der Nacherfüllung ausgehen. Dann folgen Rücktrittsrecht und Entbehrlichkeit der Fristsetzung aus §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB.

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