Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2019
Haftung des Verkäufers und des Maklers für öffentliche Äußerungen zur Kaufsache
Haftung des Verkäufers und des Maklers für öffentliche Äußerungen zur Kaufsache
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft und übergibt ihr Grundstück unter Haftungsausschluss an K. V weiß, dass K Pferde hält. Im Exposé von Vs Maklerin M heißt es: „Die Errichtung von Pferdeboxen ist genehmigt.“ Laut Vertrag „gehören Genehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit“. V weiß, dass Boxen weder genehmigt noch genehmigungsfähig sind.
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Einordnung des Falls
Haftung des Verkäufers und des Maklers für öffentliche Äußerungen zur Kaufsache
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K erkennt die Wahrheitswidrigkeit der Angaben zu Pferdeboxen und erklärt V den Rücktritt vom Kaufvertrag. Voraussetzung für wirksamen Rücktritt ist die Mangelhaftigkeit der Kaufsache (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Vorliegend müsste ein Mangel i.S.d. § 434 BGB gegeben sein. Stehen die in § 434 Abs. 1 BGB genannten drei Mängeltatbestände in einem Stufenverhältnis zueinander?
Nein!
3. V und K haben eine „positive“ Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend getroffen, dass eine Baugenehmigung für zwei Pferdeboxen auf dem Grundstück existiert (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. V und K haben jedoch eine „negative“ Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, indem sie festgelegt haben, dass Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehören.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Das Grundstück ist mangelhaft, weil es sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Nein!
6. Nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB können dem Verkäufer zurechenbare öffentliche Äußerungen übliche Beschaffenheiten der Kaufsache i.S.d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB begründen.
Genau, so ist das!
7. § 434 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 lit. b BGB ist vorliegend auch anwendbar, weil die Bebaubarkeit nicht schon durch Beschaffenheitsvereinbarung geregelt ist oder zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung gehört.
Ja, in der Tat!
8. Die Angabe im Verkaufsexposé der M, für das Grundstück sei die Errichtung zweier Pferdeboxen genehmigt, fällt grundsätzlich unter § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB.
Ja!
9. Nach Auffassung des BGH ist § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b BGB beim Grundstückskauf teleologisch dahin zu reduzieren, dass die zu erwartende Beschaffenheit im Vertrag einen Niederschlag gefunden haben muss.
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Mangels Beschaffenheitsvereinbarung und Verwendungszweck kommt der objektive Maßstab des § 434 Abs. 3 BGB zur Anwendung. Danach ist das Grundstück mangelhaft.
Ja, in der Tat!
11. In der Vereinbarung, dass Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehören, ist ein vertraglicher Haftungsausschluss zu sehen.
Ja!
12. Der Haftungsausschluss führt dazu, dass K aus der Mangelhaftigkeit des Grundstücks keine Rechte herleiten kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
13. K kann vom Kaufvertrag zurücktreten.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Unberechtigter Untervermieter
4.6.2021, 11:21:14
Wieso folgt das
Rücktrittsrechtnicht aus §§ 437 Nr. 2, 323, 326 V? Ausweislich des Sachverhalts sind die Boxen ja nicht genehmigungsfähig
Tigerwitsch
4.6.2021, 11:52:10
Das hätte man durchaus auch machen können, wenn man auf die Unmöglichkeit der Nacherfüllung abstellt (siehe den Vertiefungshinweis bei der letzten Frage). Der BGH sowie die Vorinstanzen haben den „normalen“ Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB abgestellt. Lediglich das LG Mönchengladbach hat als Ausgangsinstanz (U. v. 32.03.2017 - AZ.: 11 O 276/15, Rn. 116 - juris) kurz den § 326 Abs. 5 BGB im Rahmen der (entbehrlichen)
Fristsetzungerwähnt.
Larzed
9.10.2022, 18:33:07
Kann mir jemand für ganz Dumme bitte erklären, warum die
Beschaffenheitsvereinbarungeinmal im Vertrag stehen müsse, aber hinsichtlich des Exposé darauf abgestellt wird, dass dieses gerade keinen Niederschlag im Vertrag finden muss? Irgendwie blicke ich da nicht so durch^^
/qwas
10.1.2024, 08:57:37
en stellen subjektive Anforderungen an die Kaufsache dar, sind also vertraglich vereinbart und müssen daher bei Grundstücken im notariellen Kaufvertrag Niederschlag finden. Das Exposé ist eine öffentliche Äußerung. Es wird gerade nicht vertraglich vereinbart, daher müssen auch die Formvorschriften für den Vertrag nicht eingehalten werden. Dass öffentliche Äußerungen überhaupt zu beachten sind, ist gesetzlich angeordnet. Der Gesetzgeber hat angeordnet, dass öffentliche Äußerungen etwas sind, das jeder vom Verkäufer / Hersteller erwarten darf, sie stellen also objektive Anforderungen dar.
Nordisch
8.4.2023, 06:50:56
Müsste es bei der, ich glaube vorvorletzten Frage, nicht heissen, dass der Verkäufer für weitere Bebauung nicht einstehen wollte?
Johannes Nebe
20.4.2023, 07:44:58
Schön aufgearbeiteter Fall! Bei Frage 4 ist die
negative Beschaffenheitsvereinbarung(nB) in Frage und Antwort unterschiedlich definiert. Laut Frage besteht die nB in der Festlegung, dass Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten
Beschaffenheitgehören (dh keine Vereinbarung dazu). Unter "Maßstab" ist die nB als Vereinbarung definiert, dass die Kaufsache eine bestimmte Eigenschaft nicht aufweist (dh Vereinbarung, dass keine Genehmigung besteht). Nach der ersten Definition wäre die Aufgabe mit "stimmt" zu beantworten, nach der zweiten mit "stimmt nicht".
Lukas_Mengestu
20.4.2023, 12:26:07
Lieber Johannes, vielen Dank für die Nachfrage! Das war vielleicht auf den ersten Blick etwas missverständlich. In der Frage selbst wird die negative
Beschaffenheitsubsumiert. Vielmehr geht es darum, ob das Handeln der Parteien hier eine
negative Beschaffenheitsvereinbarungdarstellt ("V und K haben jedoch eine „negative“
Beschaffenheitsvereinbarunggetroffen, indem sie festgelegt haben, dass Baugenehmigungen nicht zur vereinbarten
Beschaffenheitgehören.) Die Aussage ist mit nein zu beantworten, weil die Parteien keinerlei konkrete Aussage darüber getroffen haben, ob eine Baugenehmigung besteht, also weder positiv, noch negativ. Vielmehr haben sie lediglich vereinbart, dass die Frage, ob eine (nicht) bestehende Baugenehmigung für die
vereinbarte Beschaffenheitkeine Rolle spielen soll. Ich hoffe, jetzt wird es etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Johannes Nebe
20.4.2023, 14:39:39
Der Unterschied zwischen nicht vereinbart und negativ vereinbart ist mir klar, daher ja meine Anmerkung. Ich begreife jetzt aber, dass das "indem" in der Frage nicht als Definition der negativen
Beschaffenheitsvereinbarunggelesen werden muss. Danke sehr!
Lukas_Mengestu
20.4.2023, 17:10:13
Sehr gerne, danke fürs nachhaken 🙏
Niro95
7.11.2024, 08:45:24
Wäre hier nicht auch eine Anfechtung nach § 123 BGB möglich?
Lorenz
7.11.2024, 14:19:18
könnte man zumindest Andenken. 123 ist ja trotz Kaufrecht nicht gesperrt. Die Voraussetzungen liegen aber recht hoch.
Leo Lee
10.11.2024, 10:27:23
Hallo Niro95, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Lorenz bereits zutreffend angemerkt hat, kommt hier aufgrund der positiven Kenntnis in der Tat 123 in Betracht (was auch nicht gesperrt wäre). Beachte jedoch, in einer Klausur dann kurz klarzustellen, dass 123 nicht gesperrt und deshalb neben 434 ff. Anwendung fiden kann. Denn 123 schützt nicht vor Irrtum, sondern die Willensfreiheit des Erklärenden, weshalb auch der Sinn der Mängelrechte (die gerade einen Irrtum bzgl. der Mängel erfassen sollen) umgangen werden. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster § 123 Rn. 102 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo