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Sachmangel im Kaufvertrag nach §§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB – Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren (Pferdekauf)
Sachmangel im Kaufvertrag nach §§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB – Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren (Pferdekauf)
3. Juni 2025
46 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Hobbyreiterin K erwirbt 2015 von Unternehmer B einen zweieinhalb Jahre alten Hengst bei einer öffentlichen Versteigerung. Die Auktionsbedingungen sehen eine Gewährleistungsfrist von drei Monaten vor. Ein Jahr später erklärt K wegen Sachmangels den Rücktritt.
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Einordnung des Falls
Sachmangel im Kaufvertrag nach §§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB – Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren (Pferdekauf)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Anspruch der K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Hengstes setzt voraus, dass der Hengst einen Sachmangel aufweist (§§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Rücktritt der K ist ausgeschlossen, wenn die Begrenzung der Gewährleistungsfrist auf drei Monate in den Auktionsbedingungen wirksam ist.
Genau, so ist das!
3. Beim Verbrauchsgüterkauf verstößt eine bei Vertragsschluss vereinbarte Verjährungsfrist von drei Monaten gegen die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff. BGB).
Ja, in der Tat!
4. Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff. BGB) gelten nicht für Kaufverträge über gebrauchte Sachen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann (§ 474 Abs. 2 S. 2 BGB).
Ja!
5. Der Hengst ist nur dann als „gebraucht“ im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen, wenn er bis zu seinem Verkauf schon als Reit- oder Zuchttier verwendet wurde.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Der zweieinhalb Jahre alte Hengst ist aufgrund seines Lebensalters als „gebraucht“ im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
dC20
6.2.2020, 13:35:45
Steht nicht bei der Frage mit dem Verbot der kürzeren Verjährungsfrist die Erklärung mit der Frage bzw. Antwort im Widerspruch?!🤔
Jljzz
9.2.2020, 10:37:50
Sehe ich auch so...

Christian Leupold-Wendling
12.2.2020, 09:54:15
Wir haben ein paar Aussagen noch einmal deutlicher gefassst. Der Fall dreht einige Pirouetten. Vielleicht hilft es, wenn wir hier noch einmal den Prüfungsverlauf kurz zusammenfassen: (1) Rückzahlung des Kaufpreises kann K bei erfolgreichem
Rücktrittverlangen. Ob ein Sachmangel vorliegt, kann hier aber erstmal offen bleiben, denn der Anspruch könnte verjährt sein. (2)
Rücktrittwäre ausgeschlossen, wenn die verkürzte Verjährung von 3 Monaten wirksam ist. (3) Verkürzte Verjährung von 3 Monaten würde gegen die §§ 474ff. BGB verstoßen, wenn anwendbar. (4) §§ 474ff. hier nicht anwendbar, wenn (a)
öffentliche Versteigerung, bei der der Verbraucher teilnehmen kann (+) (b) Hengst "gebrauchte" Sache (fraglich) (5) Diskussion der Kriterien, wann ein Hengst als "gebraucht" anzusehen. Ergebnis: Hengst ist "gebraucht" => §§ 474ff. nicht anwendbar => verkürzte Verjährungsfrist wirksam
ShiVa
10.5.2020, 23:21:10
In welchem Fall hat der 438 IV 2 BGB Bedeutung? Wie müsste ein Fall aussehen, wo es auf diesen Paragraphen ankommt?
Raimond
5.10.2020, 08:09:17
Hallo Shiva §438 IV 2 BGB wäre in der Konstellation von Bedeutung, dass die Hobbyreiterin eine schlechte finanzielle Lage hat und sich auch 2 Jahre nach dem Kauf nicht zur Zahlung entschloss. Sie will den Kauf daher ex nunc auflösen und erklärt den
Rücktritt. 2 Jahre wäre wieder verjährt und der
Rücktrittunwirksam. §
218 BGB. Dann wäre der Unternehmer im Gegenzug zum
Rücktrittberechtigt, damit er die 2 Jahre Nutzungen etc. nach
§347 BGBals Wertersatz bekommt und nicht vollständig mit leeren Armen dasteht (§438 IV 3 BGB).

Peter E.
7.10.2020, 19:57:39
Da ist ein Rechtschreibfehler bei Rückge*f*währ
schuldverhältnis. Im Übrigen müsste nicht eher ein Haftungsausschluss geprüft werden?
Tr(u)mpeltier junior
11.1.2021, 01:33:19
Strand Spaziergang
9.5.2023, 17:59:15
Z.T wird auf ff Paragraphen verwiesen. Wenn ich den verlinkten Paragraphen Aufrufe, kann ich aber nicht skippen, also nicht die ff Paragraphen ansehen. Manchmal sind Buttons zum skippen da, manchmal nicht. (Android)

Lukas_Mengestu
16.5.2023, 14:22:57
Vielen Dank für den Hinweis! Das schauen wir uns noch einmal an! Wenn Du uns bei der Fehlersuche unterstützen möchtest, wäre es super, wenn Du uns an support@jurafuchs.de noch die Daten des von Dir verwendeten Gerätes schicken könntest. Diese findest Du unter dem Button "Du", wenn Du 4x schnell auf "Profil" klickst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AnniS
18.7.2023, 08:22:14
Bei der Frage, ob die Verbraucherschützenden Normen anwendbar sind oder eine Ausnahme nach §474 II 2 vorliegt wird auf die nF verwiesen/verlinkt. Das ist verwirrend, da ich dementsprechend die Aufgabe nach jetziger Rechtsprechung gelöst habe, was im Fall falsch war. Um die Frage richtig nach Sachverhaltsstand zu lösen, müsste bitte auf die aF verlinkt werden wenn möglich. Danke!

Rick-energie🦦
14.9.2023, 06:35:05
Ich frage mich immer woher man diesen ganzen Pferdekram (insbesondere als jemand, der Pferde nur in Form von Pferdestärke kennt) wissen oder wie man als Laie darauf kommen soll, dass 2 Jahre eine für Pferde zeitlich relevantr Zäsur darstellen.

Nora Mommsen
14.9.2023, 14:37:41
Hallo Rick-energie, danke für deine Frage. Ich kann sie dir nur leider nicht zufriedenstellend beantworten. Letztlich ist es wie mit den KfZ Schäden auch eine Rechtsprechung, die man kennen sollte, weil es dazu einfach wahnsinnig viele Urteile und damit auch Klausuren gibt. Es wird aber eingängiger, je öfter du es gehört und gelesen hast - und letztendlich ist es in der Klausur jedenfalls auch gut, wenn du dich am Gesetz und systematisch damit auseinandersetzt statt auswendig bloß das Ergebnis der Rechtsprechung niederzuschreiben. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Steinfan
18.3.2024, 11:44:36
Hallo Rick-Energie, meiner Erfahrung aus Klausurenkursen (Originalklausuren) nach werden solche Informationen immer im Sachverhalt stehen, wenn sie relevant sind (Bsp. „Die Versteigerung des Pferdes fand drei Jahre nach der Geburt des Pferdes statt. Es wurde bisher - wie bei Dressurpferden üblich - nicht beritten usw.”). Die Aufgabe ist dann, zu erkennen, wo diese Information rechtlich relevant wird (hier das Merkmal „gebraucht“), dann aus den konkreten Sachverhaltsangaben einen abstrakten Maßstab unter dieses Merkmal zu zaubern (ein Pferd ist auch dann als gebraucht anzusehen, wenn es das und das Alter erreicht hat) und anschließend einfach zu subsumieren (das Pferd ist drei Jahre alt und damit „gebraucht“). Für hohe Punktzahlen muss man daher nicht die Zahlen kennen oder Fachwissen haben, sondern nur wissen, wo solche Informationen rechtlich relevant sein können. LG

DeliktusMaximus
17.1.2024, 14:17:36
In einem anderen Fall habt ihr darauf verwiesen, dass man eine Gesamtschau vornehmen muss, um ein gebrauchtes Tier zu bejahen und eben nicht (nur) nach dem Lebensalter gehen soll.

HGWrepresent
5.10.2024, 19:37:28
Die Norm, auf die verwiesen wird, hat sich 2022 geändert, weswegen auch die Antwort falsch ist: Der Unternehmer muss bei der Versteigerung auch die Informationen zugänglich machen, Welche Vorschriften nicht anwendbar sind.
annsophie.mzkw
30.10.2024, 10:28:35
Dem schließe ich mich an. Da im SV keine Angaben zur Informationsverschaffung enthalten sind, wäre der Ausschluss doch jedenfalls unwirksam oder nicht?

AlsObH
28.5.2025, 22:42:01
Es wurde die Information über die Gesetzesänderung hinzugefügt, die Frage dazu ist allerdings noch immer missverständlich/falsch gestellt.

julia_purpose
27.2.2025, 15:40:52
Diese Rechtsprechung ist absolut spannend, wenn man selbst im Pferdesport aktiv ist. Ein Pferd sollte überhaupt erst im Alter von drei Jahren "eingeritten" (= zum ersten Mal Sattel anziehen und an das Reiten durch einen Menschen gewöhnen) werden und ist im Optimalfall dann circa zwei Jahrzehnte lang reitbar. Die Lebenserwartung ist im Optimalfall dann nochmal 10 Jahre länger & in der Zeit darf dann die Pferde-Rente genossen werden. :) Bis ein Pferd das Alter zum "Einreiten" erreicht, darf es normalerweise in Ruhe aufwachsen, ohne jede Art von Belastung zu erfahren. Das Pferd im vorliegenden Fall war erst 2,5 Jahre alt. Deswegen wäre es nur fair, wenn man in einer entsprechenden Falllösung auch vertreten könnte, dass sich bis zum Alter von 3 Jahren kaum ein Verschleiß des Tieres ergibt. Besonders im Vergleich zum Rest des Lebens nach dem Zeitpunkt zum Einreiten und dem beginnenden Einsatz im Training/ Sport/ bei der Arbeit, der in der Regel dann täglich erfolgt. Ich hoffe, dass in Examensklausuren berücksichtigt wird, dass 95% der Kandidaten keine Pferdekenntnisse haben und verschiedene Argumentationswege gleich gut gewertet werden! :)
Leo Lee
28.2.2025, 16:15:59
Hallo juila_purpose, vielen Dank für diesen sehr lehrreichen Beitrag! Dieses Thema lässt uns im Studium und Examen einfach nicht mehr los ;). In der Tat habe ich ebenfalls von Kommilitonen und Kommilitoninnen, die im Reitsport aktiv sind, genau das gehört, was du auch geschildert hast. Dementsprechend ist es - streng von der Realität des Reitens ausgehend - deine Ansicht ebenso vertretbar, wenn nicht sogar realitätsnäher und mithin auch in gewisser Hinsicht "richtiger". Allerdings würden wir dir dringend(!) dazu raten, in dieser Frage sehr wohl ebendieser Entscheidung zu folgen. Damit meinen wir also, dass du in einer Klausur der Ansicht der Gerichte unbedingt anschließen solltest, denn: Sehr viele Lösungsskizzen zu diesem Klausurfall orientieren sich an der Ansicht der Rspr. und bauen die Folgelösungen auch hierauf auf. Deshalb wäre es klausurtaktisch von Vorteil, wenn du der Rspr. folgst, damit du die danach folgenden Punkte alle mitnehmen kannst (auch wenn es dich dabei schmerzt als jemand, der vor Ort dabei ist und die
Tatsachenlage sehr gut kennt) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

julia_purpose
28.2.2025, 18:17:36
Hallo @[Leo Lee](213375), vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis! Ich habe mir bereits gedacht, dass es allein aus klausurtaktischen Gründen sinnvoll wäre, der Rspr. zu folgen. Dies setzt voraus, dass ich die Rechtsprechung zu jeder Pferde-Problematik beherrsche & das werde ich auch versuchen. Bei einer unbekannten Konstellation, die noch nicht entschieden wurde, finde ich es sehr schwer abzuwägen, ob ich in der Falllösung aus Sicht eines Laien argumentieren sollte, oder lebensnah. Meine Überlegung, dass die Rechtsprechung eigentlich lebensnah entscheiden müsste, kommt daher, dass z.B. am OLG Celle der 2. Zivilsenat ausdrücklich dafür zuständig ist, "Rechtsstreitigkeiten über Pferde" zu verhandeln. Dies ist der richterlichen Geschäftsverteilung des OLG Celle zum 2. Zivilsenat als Geschäftsaufgabe Nr. 9 zu entnehmen (Link unten eingefügt). Aus diesem Grund nahm ich bisher an, dass in der Rechtsprechung über Pferdesachen in der Regel Kenntnis herrscht. Hast Du eine Idee, wie ich in unbekannten Fallkonstellationen am besten argumentieren sollte? Link: https://oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de/startseite/wir_uber_uns/geschaftsverteilung/richterliche-geschaftsverteilung-201410.html#2._Zivilsenat
TrowaBarton
23.5.2025, 08:58:58
Nachdem Jurafuchs meine lange Antwort verschluckt hat und ich gleich ExÜ schreibe einmal die Kurzfassung: Wir sollen in erster Linie die rechtliche Seite des Sachverhalts bearbeiten (wie die Revision) und nicht den zu bewertenden Sachverhalt ermitteln und bewerten (wie die 1. und die Berufungsinstanz). Lebensnahe Sachverhaltsauslegung ist daher nur im Rahmen der festgestellten
Tatsachenzulässig. Dein persönliches Wissen fällt demnach nur dann auf fruchtbarem Boden, wenn die Parteien die Eigenschaft z.B. bestreiten und der Sachverhalt *nicht* bereits in einer Parenthese eine der Aussagen als richtig festgehalten hat. Als günstiger Vergleich erscheint der Fall der Richterin, die keinen Gutachter bestellt und aufgrund eigener Beobabachtung und Erfahrung einen Reitplatz in ihrem Urteil als mangelfrei bewertete.