Sachmangel im Kaufvertrag nach §§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB – Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren (Pferdekauf)


[...Wird geladen]

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem
Examensklassiker
Pferde

Hobbyreiterin K erwirbt 2015 von Unternehmer B einen zweieinhalb Jahre alten Hengst bei einer öffentlichen Versteigerung. Die Auktionsbedingungen sehen eine Gewährleistungsfrist von drei Monaten vor. Ein Jahr später erklärt K wegen Sachmangels den Rücktritt.

Einordnung des Falls

Sachmangel im Kaufvertrag nach §§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB – Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren (Pferdekauf)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Anspruch der K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Hengstes setzt voraus, dass der Hengst einen Sachmangel aufweist (§§ 437 Nr. 2, 434, 346 Abs. 1 BGB).

Ja!

Anspruchsgrundlage für den Rückgewähranspruch der K stellt § 346 Abs. 1 BGB dar. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass der Hengst bei Gefahrübergang einen Sachmangel aufweist (§§ 437 Nr. 2, 434, 323 BGB) und K den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB). Grundsätzlich muss K dem B eine Frist zur Nacherfüllung setzen (§ 323 Abs. 1 BGB), wenn nicht die Fristsetzung entbehrlich ist, etwa wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§ 326 Abs. 5 BGB).

2. Der Rücktritt der K ist ausgeschlossen, wenn die Begrenzung der Gewährleistungsfrist auf drei Monate in den Auktionsbedingungen wirksam ist.

Genau, so ist das!

Der Rücktritt vom Kaufvertrag ist ausgeschlossen, wenn der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist (§§ 438 Abs. 4 S. 1, 218 Abs. 1 S. 1 BGB). K erklärt dem B den Rücktritt ein Jahr nach dem Kauf. Der Rücktritt ist unwirksam und kann nicht zu einem Rückgewähranspruch führen, wenn die Begrenzung der Gewährleistungsfrist auf drei Monate wirksam ist und B sich auf die Verjährung beruft (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB).

3. Beim Verbrauchsgüterkauf verstößt eine bei Vertragsschluss vereinbarte Verjährungsfrist von drei Monaten gegen die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff. BGB).

Ja, in der Tat!

Bei einem Kaufvertrag über eine bewegliche Sache zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 S. 1 BGB). Für diese Verträge gelten ergänzend die Vorschriften der §§ 475ff. BGB (§ 474 Abs. 2 S. 1 BGB). Nach § 476 Abs. 2 BGB kann der Unternehmer die Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche (§ 437 BGB) vor Mitteilung des Mangels nicht unter zwei Jahre bei neuen und nicht unter einem Jahr bei gebrauchten Sachen senken.Eine schon bei Vertragsschluss vereinbarte Verjährungsfrist von drei Monaten verstößt also gegen die Vorschrift des § 476 Abs. 2 BGB.

4. Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff. BGB) gelten nicht für Kaufverträge über gebrauchte Sachen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann (§ 474 Abs. 2 S. 2 BGB).

Ja!

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff. BGB) gelten nicht für Kaufverträge über gebrauchte Sachen, die - wie hier - in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung (§ 156 BGB) verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann (§ 474 Abs. 2 S. 2 BGB).Tiere sind keine Sachen (§ 90a S. 1 BGB). Für Kaufverträge über Tiere existieren jedoch keine besonderen Regelungen, sodass die Vorschrift des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB auch für den Hengst entsprechend anwendbar ist (§ 90a S. 3 BGB), vorausgesetzt, dass der Hengst „gebraucht“ ist.Seit 1.1.2022 müssen Verbraucher Informationen über diese Abweichung bei Versteigerungen gesondert zur Verfügung gestellt werden (§ 474 Abs. 2 S. 2 BGB a.E)

5. Der Hengst ist nur dann als „gebraucht“ im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen, wenn er bis zu seinem Verkauf schon als Reit- oder Zuchttier verwendet wurde.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Bei der Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren sei nicht nur auf eine nutzungs-, sondern auch auf eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos abzustellen. Auch ein Tier, das seiner Gebrauchsbestimmung noch nicht zugeführt wurde, könne als „gebraucht“ einzustufen sein (BGH, RdNr. 30ff.). Ein Tier gebrauche sich schon dadurch ständig selbst, dass es lebt und sich bewegt; hierdurch steigere sich das ihm anhaftende Sachmängelrisiko (BGH, RdNr. 33). Ein Tier unterliege während seiner gesamten Lebenszeit einer ständigen körperlichen Entwicklung und sei äußerlichen Einflüssen ausgesetzt (BGH, RdNr. 35ff.).

6. Der zweieinhalb Jahre alte Hengst ist aufgrund seines Lebensalters als „gebraucht“ im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen.

Ja, in der Tat!

BGH: Die Bewertung eines noch nicht genutzten Tieres anhand des Alters als „gebraucht“ sei regelmäßig aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelumstände zu treffen (BGH, RdNr. 39). Maßgeblich sei, ob das Tier bereits über einen erheblichen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung getrennt von dem Muttertier vollzogen habe und seit einer längeren Zeit geschlechtsreif sei (BGH, RdNr. 43). Auch typische Verletzungs- und Gesundheitsgefahren seien jedenfalls bei einem zweieinhalb Jahre alten Hengst als so erheblich einzustufen seien, dass das Tier nicht mehr als „neu“ im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen sei (BGH, RdNr. 47).

Jurafuchs kostenlos testen

© Jurafuchs 2024