Ersitzung als Rechtsgrund

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

1990 wird E ein Gemälde gestohlen. Der Dieb D verkauft dieses weiter an die gutgläubigen G. E sucht elf Jahre unentwegt nach dem Gemälde. Endlich findet E heraus, dass das Gemälde bei G hängt.

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Einordnung des Falls

Ersitzung als Rechtsgrund

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja!

Bereicherungsgegenstand bei der Eingriffskondiktion ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Hierbei kommt es nicht auf einen Vermögenswert oder auf eine Gegenständlichkeit an. G hatte das Bild elf Jahre in ihrem Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB). Dabei scheitert ein sofortiger gutgläubiger Eigentumserwerb durch G daran, dass das Bild aufgrund Ds Diebstahl abhandengekommen ist (§ 935 Abs. 1 BGB). Allerdings bestand der Eigenbesitz über zehn Jahre. G war während dieser Zeit gutgläubig. Somit hat G Eigentum erworben (§ 937 BGB).
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2. G hat Eigentum auf sonstige Weise erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Der Bereicherungsschuldner erlangt den Bereicherungsgegenstand „in sonstiger Weise“, wenn er ihn nicht durch Leistung erlangt. Ob eine Leistung vorliegt, bestimmt sich nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion. E hat das Vermögen der G nicht ziel- und zweckgerichtet gemehrt. Eine Eigentumsübertragung durch D scheitert an § 935 BGB. Das Eigentum hat S vielmehr durch Ersitzung erlangt. G hat Eigentum an dem Bild auf sonstige Weise erlangt.

3. Es liegt ein Eingriff in ein fremdes Recht vor.

Ja, in der Tat!

Eingriff bedeutet nach der herrschenden Zuweisungstheorie die Verletzung des Zuweisungsgehalts eines fremden Rechts. Eigentum und Besitz waren beide dem E als Rechte zugewiesen. In diese Rechte hat G durch den Besitzerwerb und späteren Eigentumserwerb durch Ersitzung eingegriffen.

4. G hat das Eigentum „ohne Rechtsgrund“ erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Nein!

Die Bereicherung des Bereicherungsschuldner ist ohne Rechtsgrund, wenn dem Schuldner kein Behaltensgrund zusteht. Es gibt gesetzliche und vertraglich Bereicherungsgründe. BGH: Im Sinne der Rechtssicherheit stellt die Ersitzung einen Eigentumserwerb dar. Anders als in anderen Erwerbstatbeständen (vgl. §§ 951, 977 BGB) gibt es bei der Ersitzung keine gesetzliche Regelung hinsichtlich Ausgleichsansprüchen. Dies spricht entscheidend dafür, dass der Erwerb durch Ersitzung einen Rechtsgrund in sich trägt und somit Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ausschließt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AH

Angela Hildmann

5.2.2022, 11:15:20

Müsste die vorletzte Antwort nicht "nein" lauten? Weil mit Rechtsgrund aufgrund der Entgültigkeit der Ersitzung🤔

VIC

Victor

5.2.2022, 23:32:22

Ist es doch auch oder nicht? Also ohne RG falsch

AH

Angela Hildmann

6.2.2022, 03:02:31

Stimmt, mein Fehler

timstöckler

timstöckler

26.5.2022, 11:47:05

G erlangt den Besitz doch durch Leistung des Diebes D und somit nicht in sonstiger Weise?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.6.2022, 17:53:01

Hallo Tim, völlig richtig. Der Fall sollte hier primär das Eigentum in den Blick nehmen - wir haben das präzisiert. Bezüglich des Besitzes hat D diesen an G geleistet. E kann die Herausgabe des Besitzes schon deshalb nicht auf die Nichtleistungskondikon stützen, da diese bei Vorliegen einer Leistung durch G gesperrt ist (Abwicklung erfolgt grsd. entlang der Leistungsbeziehung). Im Hinblick auf das Eigentum scheitert es zwar nicht an einer vorrangigen Leistung, aber hier liegt jedenfalls ein Rechtsgrund vor in Form der Ersitzung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

17.5.2024, 13:49:57

Für eine Ersitzung fehlen mir im Sachverhalt noch 1-2 Angaben. Die Tatsache, dass die ursprüngliche Eigentümerin 11 Jahre das bild gesucht hat, heißt für mich im Umkehrschluss nicht direkt, dass der „Erwerber“ es dann auch 10 Jahre im Besitz hatte. Der Dieb kann es ja auch erst selbst noch behalten haben. Vielleicht kann man ja sowas wie „unmittelbar nach der Tat“ oder „noch im selben Jahr“ ergänzen.


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