Einschreibebrief wird auf Postamt nicht abgeholt

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Chef C will Arbeitnehmer kündigen. Um den Zugang nachweisen zu können, verschickt C die Kündigung per Übergabeeinschreiben. Da A nicht zuhause ist, wirft Postbote P ihm eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten. A erwartet keine Post und holt das Einschreiben nicht ab.

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Einordnung des Falls

Einschreibebrief wird auf Postamt nicht abgeholt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist mit Einwurf des Benachrichtungszettels zugegangen.

Nein!

Bei verkörperten Willenserklärungen liegt Zugang vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Wird bei einem Übergabeeinschreiben lediglich ein Benachrichtigungszettel eingeworfen und das Einschreiben auf der Poststelle verwahrt, so ist dieses noch nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Vielmehr wird der Zugang erst durch Aushändigung des Schreibens auf der Poststelle bewirkt (§ 130 Abs. 1 BGB).
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2. Ist A verpflichtet, das Einschreiben abzuholen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es besteht weder eine allgemeine Pflicht, Empfangsvorkehrungen für schriftliche Post zu treffen noch eine allgemeine Pflicht des Empfängers ein an ihn gerichtetes Schriftstück zeitnah abzuholen. Eine solche Pflicht kann sich nur dann aus der Rechtsbeziehung zwischen Erklärendem und dem Erklärungsempfänger ergeben, wenn der Empfänger mit einer Nachricht zu rechnen hatte.A rechnete weder mit einem Einschreiben, noch mit einer Kündigung durch C. Insoweit traf ihn keine Pflicht das Einschreiben abzuholen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Paula Schneider

Paula Schneider

24.8.2023, 12:34:56

Hallo liebes Jurafuchs Team, zu dem Fallbeispiel erklärt sich mir leider nicht die Rechtsfolge. Wenn ein Schreiben nicht abgeholt wird, dann kann die dreiwöchige Einspruchsfrist zur Kündigung doch nicht zu laufen beginnen und die Kündigung wäre dann nicht wirksam oder stellt man dann auf einen fiktiven Zugang ab? Oder wird das Kündigungsschreiben erneut vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer versendet ? GLG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.8.2023, 13:29:23

Hallo Paula, vielleicht wird es nach den weiteren Fällen der Session klarer. Grundsätzlich bedarf es für die wirksame Kündigung des Zugangs. Dieser liegt hier nicht vor, sodass es daran fehlt. Das bedeutet zugleich, dass auch die Frist des § 4 KSchG nicht in Gang gesetzt wird. Dem Arbeitgeber bleibt hier also nichts anderes übrig, als die Kündigung erneut zu verschicken. Anders ist dies tatsächlich in den Fällen der "arglistigen

Zugangsvereitelung

", in dem der Zugangszeitpunkt fingiert wird. Schau Dir hierzu vielleicht auch noch einmal den folgenden Fall aus dem BGB AT an: https://applink.jurafuchs.de/WXmgGgpwwCb Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

5.1.2024, 20:09:28

Frage: wenn der Absender nun unverzüglich einen erneuten Zustellversuch unternimmt und dieser erfolgreich sein sollte, findet dann eine Rechtzeitigkeitsfiktion statt? Vielen Dank!

LELEE

Leo Lee

7.1.2024, 15:08:01

Hallo Denislav Tersiski, so ist es! Wenn der Empfänger damit rechnen muss, dass eine rechtserhebliche Erklärung zugehen kann/wird (also eig. Jeden Tag, weil jederzeit eine Kündigung bzw. ein Angebot etc. ankommen kann), so trifft ihn die Obliegenheit, auch die zumutbare Vorkehrungen für mögliche Eingänge zu treffen. Wenn diese Obliegenheit verletzt wird, so kann der Zugang für den Zeitpunkt fingiert werden, zu dem der Adressat ohne diese schuldhafte Verletzung unter normalen Umständen von einer Willenserklärung hätte Kenntnis nehmen können (sog. Rechtzeitigkeitsfiktion). Hierfür muss allerdings der Absender unverzüglich einen neuen Zustellversuch unternommen haben. I.Ü. kann ich hier die Lektüre von von MüKo-BGB 9. Auflage, Einsele § 130 Rn. 36 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

RAP

Raphaeljura

31.1.2024, 21:19:12

Insofern geht das Einschreiben aber nur zu, wenn der Empfaenger anwesend ist oder es bei der Post abholt. Sollte beides nicht zutreffen, dann geht die WE nie zu. Dann wuerde eine eifache postalische WE wesentlich effektiver sein.


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