Einschreibebrief wird treuwidrig nicht abgeholt

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Chefin C kündigt Arbeitnehmerin A außerordentlich per Übergabeeinschreiben. Da A nicht zuhause ist, hinterlässt Postbote P der A eine Abholkarte in den Briefkasten. A weiß von Cs Plan und holt das Einschreiben nicht ab. C kündigt erneut. Diese geht A aber erst nach Ablauf der Kündigungserklärungsfrist zu.

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Einordnung des Falls

Einschreibebrief wird treuwidrig nicht abgeholt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes zulässig (§ 626 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich kann eine Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden, sondern nur zum Ende von gesetzlichen (§ 622 BGB) oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen (=ordentliche Kündigung). Ist einer Partei die weitere Aufrechterhaltung der Arbeitsvertragsbeziehung aber aus wichtigen Gründen unzumutbar, so kommt auch eine fristlose, außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) in Betracht. Diese muss allerdings innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes beim Empfänger zugehen (§ 626 Abs. 2 S. 1 BGB).Achtung Terminologie: Bei § 626 Abs. 2 S. 1 BGB handelt es sich um eine Kündigungserklärungsfrist, während man bei § 622 BGB von Kündigungsfristen spricht.
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2. Die Kündigung ist mit Einwurf des Benachrichtungszettels zugegangen.

Nein!

Bei verkörperten Willenserklärungen liegt Zugang vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Wird bei einem Übergabeeinschreiben lediglich ein Benachrichtigungszettel eingeworfen und das Einschreiben auf der Poststelle verwahrt, so ist dieses noch nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Vielmehr wird der Zugang erst durch Aushändigung des Schreibens auf der Poststelle bewirkt (§ 130 Abs. 1 BGB). A hat das Einschreiben nicht abgeholt. Das zweite Schreiben hat sie erst nach Ablauf der Kündigungserklärungsfrist erreicht.

3. Kann sich A darauf berufen, dass ihr die außerordentliche Kündigung nicht innerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist zugegangen ist (§ 626 Abs. 2 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Empfänger einer Willenserklärung kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den verspäteten Zugang der Willenserklärung berufen, wenn er den rechtzeitigen Zugang selbst vereitelt hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Erklärende die entsprechenden Fristen gewahrt. Der Erklärende muss aber seinerseits alles Zumutbare dafür tun, dass seine Erklärung den Adressaten erreicht.A hatte das Einschreiben bewusst nicht abgeholt, um den Zugang zu vereiteln. C hat durch die erneute Kündigung alles Zumutbare veranlasst, den Zugang zu bewirken. Mithin kann sich A nicht auf die abgelaufene Frist berufen und muss sich so behandeln lassen, als wäre die Erklärung rechtzeitig zugegangen.
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