Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Einschreibebrief wird treuwidrig nicht abgeholt
Einschreibebrief wird treuwidrig nicht abgeholt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Chefin C kündigt Arbeitnehmerin A außerordentlich per Übergabeeinschreiben. Da A nicht zuhause ist, hinterlässt Postbote P der A eine Abholkarte in den Briefkasten. A weiß von Cs Plan und holt das Einschreiben nicht ab. C kündigt erneut. Diese geht A aber erst nach Ablauf der Kündigungserklärungsfrist zu.
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Einordnung des Falls
Einschreibebrief wird treuwidrig nicht abgeholt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes zulässig (§ 626 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Kündigung ist mit Einwurf des Benachrichtungszettels zugegangen.
Nein!
3. Kann sich A darauf berufen, dass ihr die außerordentliche Kündigung nicht innerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist zugegangen ist (§ 626 Abs. 2 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fuchsfrauchen
4.8.2022, 16:54:54
Variante 1: Angenommen ich erwarte das Kündigungsschreiben, bekomme eine Abholkarte und hole das Schreiben nicht ab, könnte dies aber am nächsten Tag tun. Wäre dann dieser nächste Tag der angenommene Zugangszeitpunkt? Variante 2: Wie 1, nur, dass ich noch ein paar Tage im Urlaub bin, wenn die Abholkarte eintrifft. Was gilt hier? Das gleiche wie bei Variante 1 aufgrund der Rechtssicherheit?
Lukas_Mengestu
5.8.2022, 10:37:02
Hallo Fuchsfrauchen, in der Tat wäre in Variante 1 auf die nächste Abholmöglichkeit, also den nächsten Werktag als fiktives Zugangsdatum abzustellen (vgl. auch https://applink.jurafuchs.de/pqGNeDxYesb). In Variante 2 müsste man etwas differenzieren. Grundsätzlich kann dem Arbeitnehmer auch im Urlaub eine Kündigung zugehen. Da ein Arbeitnehmer sich aber nicht ohne weiteres Urlaub nehmen kann, sondern ihm dieser Urlaub vom Arbeitgeber gewährt wird, weiß der Arbeitgeber ja Bescheid, dass der Arbeitnehmer unter Umständen während seines Urlaubs nicht zuhause ist. Wählt er dann dennoch als Zustellungsmittel das
Übergabeeinschreiben, so kann dies nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen. Insofern dürfte in diesem Fall frühestens auf den nächsten Werktag nach Rückkehr des Arbeitnehmers abzustellen sein. Gerade bei außerordentlichen Kündigungen kann es dann häufig bereits zu spät sein. Dem kann der Arbeitgeber aber durch Wahl einer anderen Zustellungsart (Einwurf-Einschreiben, reitender Bote…) vorbeugen. Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team
Fuchsfrauchen
6.8.2022, 17:29:37
Vielen lieben Dank, Lukas! Es kommt mir immer noch paradox vor, dass ein Kündigungsschreiben zeitnah zugeht, wenn ich es als AG per Einwurfschreiben oder einfach normal zustelle (wie in Eurem "Nepalwanderfall") - aber nicht mit einem
Übergabeeinschreiben. In beiden Fällen weiß der AG Bescheid, dass der AN das Schreiben nicht zeitnah erhalten wird - in beiden Fällen ja auch unverschuldet.
Blackpanther
7.2.2023, 18:48:48
Auch mir scheint diese Lösung inkonsequent... warum soll dem AG nur beim Übergabe-Einschreiben der Treuwidrigkeitsvorwurf gemacht werden können und nicht auch beim Einwurf-Einschreiben (Nepal-Fall)?
Anony Mous
14.9.2024, 11:45:59
Die Argumentation für diese Absicht würde mich auch interessieren.
Denislav Tersiski
5.1.2024, 20:19:38
ich dachte, dass bei der vorsätzlichen
Zugangsvereitelung(die Arbeitnehmerin hat hier
positive Kenntnisvon der bevorstehenden Kündigung, damit handelt sie vorsätzlich) gerade kein erneuter Versuch der Zustellung nötig ist.
Leo Lee
7.1.2024, 09:51:00
Hallo Denislav Tersiski, genauso ist es! Hier hat die A arglistig den Zugang vereitelt. Gleichzeitig wurde seitens des Empfängers alles Zumutbare getan, damit die Erklärung bei ihr ankommt. Deshalb kann sie sich nicht auf eine Verfristung berufen und muss sich auch so behandeln lassen, als wäre die Erklärung rechtzeitig zugegangen. Wir haben in der Subsumtion noch einen Satz hinzugefügt, damit keine Missverständnisse künftig entstehen. I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Einsele § 130 Rn. 36 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo