+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft am Kiosk des V eine Zeitung, die €1 kostet. Er bezahlt mit einem 2-Euro-Stück und bekommt von V ein 1-Euro-Stück zurück und die Zeitung ausgehändigt.
Einordnung des Falls
Kiosk-Fall mit Wechselgeld (Trennungs- und Abstraktionsprinzip)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bilden das Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) und das dazugehörige Verfügungsgeschäft (z.B. Übereignung einer Sache) ein Rechtsgeschäft?
Nein, das trifft nicht zu!
Das BGB unterscheidet streng zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und der Änderung der Rechtszuordnung (= Verfügungsgeschäft). Dies bezeichnet man als Trennungsprinzip. Zu trennen sind die beiden Rechtsgeschäfte auch dann, wenn sie wirtschaftlich gesehen – wie zumeist beim Barkauf im täglichen Leben – einen einheitlichen Vorgang bilden.
2. K und V haben insgesamt mindestens vier Rechtsgeschäfte geschlossen
Ja!
Es sind mindestens vier Rechtsgeschäfte: (1) Der Kaufvertrag (§ 433 BGB), (2) die dingliche Einigung (§ 929 S. 1 BGB) zur Übereignung der Zeitung, (3) die dingliche Einigung (§ 929 S. 1 BGB) zur Übereignung der 2€-Münze von K an V und (4) die dingliche Einigung (§ 929 S. 1 BGB) zur Übereignung der 1€-Münze von V an K.Schließlich könnte man noch annehmen, dass V sich durch die Annahme der 2€-Münze konkludent dazu verpflichtet hat, Wechselgeld zurückzugeben. Dann lägen sogar fünf Rechtsgeschäfte vor. Hier bitte sauber arbeiten. Fehler werden hier sehr negativ gewichtet. Gerade in Anfängerklausuren musst Du hier die einzelnen Geschäfte für den Korrektor erkennbar unterscheiden. 3. Die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts ist unabhängig von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts.
Genau, so ist das!
Nicht nur hinsichtlich des Zustandekommens zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ist zu trennen, sondern auch hinsichtlich der rechtlichen Wirksamkeit (Abstraktionsprinzip): Die Wirksamkeit des einen Rechtsgeschäfts ist losgelöst („abstrakt“) von der Wirksamkeit des anderen Rechtsgeschäfts zu beurteilen. Mängel des einen Geschäfts beeinträchtigen die Wirksamkeit des anderen Geschäfts nicht. Bedeutung hat dies insbesondere bei der Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB), der beschränkten Geschäftsfähigkeit (§§ 107 ff. BGB) sowie bei Verstoß gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) und bei Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).