Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre
Kiosk-Fall mit Wechselgeld (Trennungs- und Abstraktionsprinzip)
Kiosk-Fall mit Wechselgeld (Trennungs- und Abstraktionsprinzip)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft am Kiosk des V eine Zeitung, die €1 kostet. Er bezahlt mit einem 2-Euro-Stück und bekommt von V ein 1-Euro-Stück zurück und die Zeitung ausgehändigt.
Diesen Fall lösen 80,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kiosk-Fall mit Wechselgeld (Trennungs- und Abstraktionsprinzip)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bilden das Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) und das dazugehörige Verfügungsgeschäft (z.B. Übereignung einer Sache) ein Rechtsgeschäft?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. K und V haben insgesamt mindestens vier Rechtsgeschäfte geschlossen
Ja!
3. Die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts ist unabhängig von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts.
Genau, so ist das!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jose
19.7.2021, 14:34:30
Die sog.
Fehleridentitätstellt nach vorzugswürdiger Ansicht keine Ausnahme zum Abstraktionsprinzip dar. Der identische Fehler führt zur Unwirksamkeit beider Geschäfte, aber es "schlägt" NICHT der Fehler beim
Verpflichtungsgeschäftauf das
Verfügungsgeschäft"durch". Gab vor kurzem (2021) einen guten JuS-Artikel dazu, weiß leider gerade nicht genau wo.
Wendelin Neubert
21.7.2021, 10:18:12
Hallo Jose und danke für deinen Hinweis! Du hast vollkommen Recht: Fälle der
Fehleridentitätsind keine Ausnahme von Abstraktionsprinzip! Sie beschreiben Konstellationen, in denen Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäftan demselben Fehler leiden und deshalb jeweils - aber eben unabhängig voneinander - unwirksam sind. Der Begriff der
Fehleridentitätwird von Klausurkorrektoren oft erwartet, verleitet aber zu unsauberem Arbeiten und provoziert nicht selten Verstöße gegen das Abstraktionsprinzip (vgl. die verlinkte Fundstelle zum Fall bei Faust, BGB AT). Wir haben daher im Fall den Hinweis auf die
Fehleridentitätherausgenommen und gehen an anderer Stelle nochmal darauf ein. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Claudia
24.11.2021, 19:52:36
Lukas_Mengestu
25.11.2021, 11:19:12
Liebe Claudia, da wir an dieser Stelle erst einmal in das Rechtsgebiet einführen, haben wir an dieser Stelle darauf verzichtet, noch weitere Sonderkonstellationen aufzunehmen. In der Tat steht es den Parteien grundsätzlich frei, die Wirksamkeit des
Verpflichtungsgeschäfts zur Bedingung der Wirksamkeit des dinglichen Geschäfts zu machen (Ausnahme: § 925 Abs. 2 BGB). Wir schauen gerne, wo wir hierzu noch einen Fall einbauen können. Meintest Du mit
Gesamtbetrachtungslehredie "Geschäftseinheit" (§
139 BGB). Diese widerspricht im Grundsatz dem ganzenn Wesen des Abstraktionsprinzip und kann deshalb nur in sehr begrenztem Umfang angenommen werden (Vgl. BGH NJW
1991, 317; NJW-RR 1989, 519). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
🦊²
22.8.2022, 18:45:15
Hi, sehr schöne Einführung zum fundamentalen Prinzip im Zivilrecht! :) Möglicherweise könnte man noch als Vertiefung den Sinn&Zweck des ganzen Procedere aufnehmen. Es gibt ja durchaus andere Rechtstraditionen (Schweiz, Frankreich) die den Rechtsverkehr anderweitig gestalten. Beste Grüße 🦊²
Nora Mommsen
25.8.2022, 15:10:29
Hallo Fuchs², vielen Dank für das Feedback. Wir überlegen uns eine gute Weise, den Vergleich möglicherweise mit einzubringen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
🦊²
25.8.2022, 15:40:12
Hey Hey, ich meinte tatsächlich eher weniger einen direkten Vergleich(schadet aber auch nicht), als vielmehr den Sinn des Trennungs- und Abstraktionsprinzip als Vertiefungshinweis festzuhalten und kurz darzustellen. Also, warum gibt es das so überhaupt in unsere Rechtsordnung? Was nützt es? Wer profitiert davon und warum? Liebe Grüße 🦊 ²
Paul
18.11.2022, 19:15:38
Handelt es sich hier nicht um fünf Geschäfte? Ich meine mich zu erinnern, dass mir mal beigebracht wurde, dass ein weiteres,
konkludentes
Verpflichtungsgeschäftzur
Übereignungdes Rückgelds geschlossen wird. Oder liege ich da falsch?
Lukas_Mengestu
23.11.2022, 09:56:05
Hallo Paul, gut gesehen! Es ließe sich hier in der Tat gut vertreten, dass K hier durch die Hingabe der 2€ Münze dem V den Abschluss eines "Wechselgeldrückgabevertrages" angetragen hat, den V dann durch die Annahme der Münze
konkludentangenommen hat. Dann lägen in der Tat sogar fünf Rechtsgeschäfte vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
JMT
31.12.2023, 08:52:25
Dann wäre es doch gut in der Frage mindestens vier zu schreiben, oder?
wasabi
21.5.2023, 22:04:44
se.si.sc
22.5.2023, 09:55:08
Die einfache Antwort lautet: Weil das BGB so konzipiert ist und wir es müssen. Die schon etwas komplexere lautet: Weil der historische Gesetzgeber des BGB unter Berufung auf römisch-rechtliche Prinzipien es so im BGB verankert und mit einer "Nothwendigkeit" begründet hat, die aus der "Stellung des Sachenrechts im Systeme des Privatrechts" folge (Motive zum BGB, III, S 6). Im Detail ist das alles nicht ganz unumstritten und die Quellen zum römischen Recht, das wohl ebenfalls schon in gewisser Form die Wirksamkeit des schuldrechtlichen von der des dinglichen Geschäfts getrennt hat, sind nicht gerade lückenlos oder eindeutig. Wenn du es ganz genau wissen willst, kommst du um die Lektüre eines rechtshistorischen Aufsatzes dazu leider kaum herum.
wasabi
22.5.2023, 10:14:32
Danke, ich werde mir Mal solch einen Aufsatz zu Gemüte führen. Hast du zufällig eine Empfehlung?
se.si.sc
22.5.2023, 10:58:45
Spontane google-Recherche ergabe das hier als frei verfügbar: https://studzr.de/medien/beitraege/2012/3/pdf/StudZR_2012-3_Neumann_Grundlagen_Trennungsp_Abstraktionsp.pdf
wasabi
22.5.2023, 11:24:18
Alles klar, danke dir. Ich werd auch Mal bei Beck schauen was die da haben, dich für mich googlen lassen war nicht meine Intention :D Dachte du hättest einen parat, den du empfehlenswert findest. Danke für die Mühen. :)
Law_yal_life
18.9.2023, 11:10:19
Law_yal_life
18.9.2023, 11:12:09
Was meint ihr mit der Vertiefung? Also das gerade bei AF, GF, GESTZL VERBOT, SITTENW das Abstraktionsprinzip besonders zu betrachten ist? Könnt ihr zu den jeweiligen ein Beispiel nennen? Kann mir da konkret nicht was darunter vorstellen..
Swiss
18.11.2023, 13:18:48
Um die wesentlichen Bedeutung einer sauberen Unterscheidung zwischen Verfügung und Verpflichtung hervorzuheben, schlage ich folgende Aufgabe vor: „Kauf einer Packung Spaghetti 500 g zu einem Preis von 2,39 EUR im Einkaufsmarkt“. Dann bitte jeden Spaghetti Strang auflisten als Vertrag:)