Schema: Tatbestand einer Willenserklärung

10. Juni 2025

15 Kommentare

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Welche subjektiven und objektiven Elemente unterscheidet man beim Tatbestand einer Willenserklärung?

  1. Subjektiver (innerer) Tatbestand

    1. Handlungswille

      Die Erklärung muss in einem bewussten und willentlichen menschlichen Verhalten bestehen. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn es sich um reine Reflexbewegungen oder Schlafwandeln handelt.

    2. Erklärungsbewusstsein

      Der Erklärende muss sich bewusst sein, überhaupt eine rechtlich erhebliche Erklärung abzugeben. Nicht erforderlich ist, dass ein Bewusstsein bezüglich einer bestimmten Rechtsfolge vorliegt. Das Erklärungsbewusstsein kann fehlen, wenn es sich um eine reine Scherzerklärung handelt oder z.B. eine Theaterrolle gespielt oder die Erklärung zu Übungszwecken abgegeben wird. Das Fehlen des Erklärungsbewusstseins führt nach h.M. nicht automatisch zur Nichtigkeit der Willenserklärung, sondern zur Anfechtbarkeit nach § 119 BGB.

    3. Geschäftswille

      Der Geschäftswille ist der Wille, eine konkrete Rechtsfolge herbeizuführen. Abweichungen zwischen dem inneren Willen und der objektiven Erklärung führen zur Anfechtbarkeit nach § 119 BGB.

  2. Objektiver (äußerer) Tatbestand

    1. Objektive Erklärung

      Für den objektiven Tatbestand der Willenserklärung genügt jedes menschliche Verhalten, das – gegebenenfalls nach Auslegung – einen konkreten Geschäftswillen erkennen lässt.

    2. Rechtsbindungswille

      Der Rechtsbindungswille ist das Bewusstsein und der Wille des Erklärenden, eine rechtlich verbindliche Erklärung abzugeben. Trotz der Verwendung des Begriffs „Wille“ ist dieser objektiv zu bestimmen. Im Gegensatz zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen wird das Vorliegen des Rechtsbindungswillen allein objektiv aus der Sicht eines Empfängers bestimmt (§§ 133, 157 BGB). Innere Vorbehalte des Erklärenden sind somit unbeachtlich. Grund hierfür ist der Verkehrsschutz: Der Rechtsverkehr muss sich auf erkennbare Erklärungen verlassen können. Liegt objektiv erkennbar kein Rechtsbindungswille vor, so liegt auch keine Willenserklärung vor.

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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Natürliche Person

Natürliche Person

6.3.2021, 09:02:26

Warum benutzt ihr die Begriffe Erklärungsbewusstsein und

Rechtsbindungswille

anstelle von subj. und obj. Erklärungswille?

Marilena

Marilena

6.3.2021, 10:27:16

Hallo Joscha, danke für die Frage! Nach Durchsicht der bekanntesten und einiger nicht so bekannten BGB AT-Lehrbücher erscheinen uns die Begriffe Erklärungsbewusstsein und

Rechtsbindungswille

am gebräuchlichsten zu sein. Werden an Deiner Universität die Begriffe subjektiver und objektiver Erklärungswille verwendet?

Natürliche Person

Natürliche Person

7.3.2021, 12:48:43

Danke für die schnelle Antwort. Habe das Gefühl das wird ein bisschen nach Gutdünken gemacht. Habe den obj. und subj. Erklärungswillen von einem Online-Repititorium übernommen, weil es mir am passendsten erscheint...

Natürliche Person

Natürliche Person

7.3.2021, 12:54:47

Gutdünken kam jetzt falsch rüber, ich meine, ich verstehe nicht, warum man da verschiedene Begriffe benutzt, aber beim Handlungs- und

Geschäftswille

n nicht.

KLE

kleinerPadawan

14.3.2023, 11:25:32

Ich habe mich auch lange Zeit unnötig an den Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang aufgehangen, da sich wirklich überall unterschiedliche Bezeichnungen finden. Ich würde sagen letztlich ist die genaue Wortwahl relativ egal, solange inhaltlich das Richtige folgt bzw. geprüft wird. An dieser Stelle zerbricht man sich mMn unnötig den Kopf. Wählt einfach die Bezeichnung, die Euch am meisten einleuchtet bzw. diejenige, welche Ihr euch am besten merken könnt.

Sambajamba10

Sambajamba10

10.8.2023, 11:56:27

Die hier verwendete Terminologie ist schon deutlich genauer meines Erachtens nach. Beispielsweise würde doch niemand bei der Abgrenzung zwischen Vertrag und

Gefälligkeit

den "obj. Erklärungswillen" untersuchen. Vielmehr würden wir die Abgrenzung anhand des

Rechtsbindungswillen

vornehmen. Genauso finde ich es einleuchtender, vom Erklärungsbewusstsein statt von subj. Erklärungswillen zu sprechen, wenn wir sagen, dass die handhebende Person bei der

Trierer Weinversteigerung

ein

potentielles Erklärungsbewusstsein

hat. Erklärungswille sollte nur der Oberbegriff für

Rechtsbindungswille

und Erklärungsbewusstsein sein

S.

s.t.

2.9.2021, 13:51:16

Wird insgesamt der Subjektive TB vor dem Obj geprüft ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.11.2021, 11:03:20

Hallo s.t., letztlich ist dies austauschbar. Du kannst also auch mit dem objektiven Tatbestand starten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GilgameshTG

GilgameshTG

4.11.2022, 19:10:58

Im Allgemeinen empfiehlt es sich, das Unproblematische zuerst zu prüfen, um sich nichts "abzuschneiden". Ergibt auch eine logischere Lösung. So könnte die Prüfung entweder der Idee folgen: "K wollte, aber hat er das auch so ausgedrückt?" oder "K hat es objektiv so ausgedrückt, aber wollte er das auch?".

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:13:46

Ist es auch im Examen zulässig erst subj. TB und dann obj- TB zu prüfen? Macht das überhaupt Sinn? IdR ist das Problem ja im subj. TB (Potentieller Erklörungsbewusstsein) oder???

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 15:10:42

Hallo Prädikatkandidat, beim Prüfungsaufbau hast du sehr viel Spielraum, d.h. es ist egal, wie du aufbaust und du musst auch nie erklären, weshalb du so aufbaust. Wir würden dir empfehlen, nach Schwerpunkten aufzubauen: Wenn der Fall offensichtlich darauf ausgelegt ist, den subjektiven TB zu problematisieren, spricht wenig dagegen, direkt mit dem subj. TB zu beginnen bzw. den obj. TB in einem Satz zu bejahen, um sodann mit dem subj. TB weiter zu machen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

pine

pine

1.2.2025, 00:00:12

macht es nicht auch Sinn beim objektiven Tatbestand nach einem

Geschäftswille

n zu fragen?


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