Angebot zum Autokauf - Normalfall zum inneren Tatbestand der Willenserklärung


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jemand schreibt ein Verkaufsangebot zu einem Auto

A möchte dem Händler B anbieten, ihr Auto für €10.000 abzukaufen. Sie unterschreibt den Brief, der den Antrag zum Verkauf des Autos für €10.000 enthält, und schickt ihn B.

Einordnung des Falls

Der innere Tatbestand einer Willenserklärung bezieht sich auf die subjektive, innere Seite einer Willenserklärung, d.h. auf den tatsächlichen Willen der handelnden Person, eine rechtliche Wirkung zu erzielen. Man unterscheidet drei Elemente: den Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Antrag (§ 145 BGB) zum Abschluss eines Kaufvertrags (§ 433 BGB) ist eine Willenserklärung.

Ja, in der Tat!

Der Kaufvertrag (§ 433 BGB) kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Antrag und Annahme (§§ 145, 147 BGB), zustande. Eine Willenserklärung ist eine auf den Eintritt eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtete private Willensäußerung. Der Erklärende bringt zum Ausdruck, dass nach seinem Willen eine bestimmte Rechtsfolge (z.B. der Abschluss eines Kaufvertrags) eintreten soll. Die Willenserklärung besteht aus einem äußeren (objektiven) Tatbestand, der Erklärung, und einem inneren (subjektiven) Tatbestand, dem erklärten Willen. Beim inneren Tatbestand unterscheidet man drei Kategorien: (1) Handlungswillen, (2) Erklärungsbewusstsein und (3) Geschäftswillen.

2. Hatte A beim Unterschreiben des Briefes den Willen und das Bewusstsein, zu handeln (Handlungswille)?

Ja!

Elementare Voraussetzung der Willenserklärung ist der Handlungswille. Gemeint ist der bewusste Willensakt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. Er muss tatsächlich vorliegen. In der Regel weiß der Erklärende jedoch auch, dass er handelt, spricht, schreibt, oder sich durch Gesten äußert. Nicht von einem Handlungswillen gedeckt sind beispielsweise Handlungen im Schlaf, unter Narkose und Reflexbewegungen.Bei A ist kein Grund für die Annahme ersichtlich, dass sie ohne Willen und Bewusstsein gehandelt (d.h. unterschrieben) hat. Hier liegt somit der Regelfall vor - A hat das Bewusstsein und den Willen zu handeln.

3. Hatte A beim Unterschreiben des Briefes das Bewusstsein, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein)?

Genau, so ist das!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben. Die Folgen eines Fehlens des Erklärungsbewusstseins für das Vorliegen einer Willenserklärung sind in Rechtsprechung und Lehre umstritten. Nach Rspr. und h.L. liegt bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung vor, sofern der Empfänger von einer wirksamen Willenserklärung ausgehen konnte und der Erklärende dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. A wollte einen Antrag zum Verkauf eines Autos abgeben und hatte damit den Willen, am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen.

4. Hatte A beim Unterschreiben des Briefes den Willen und das Bewusstsein, gegenüber B einen Antrag zum Abschluss eines Kaufvertrags über ihr Auto für €10.000 abzugeben (Geschäftswille)?

Ja, in der Tat!

Unter dem Geschäftswillen versteht man den Willen, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Anders als beim Erklärungsbewusstsein genügt somit die Vorstellung, irgendeine rechtserhebliche Erklärung abzugeben, nicht. Der Wille des Erklärenden muss auf ein ganz bestimmtes Rechtsgeschäft konkretisiert sein. Fehlt der Geschäftswille bleibt die Wirksamkeit einer Willenserklärung jedoch unberührt, er ist also kein notwendiger Bestandteil. Sein Fehlen kann aber unter Umständen zu deren Anfechtbarkeit führen. As Wille war beim Unterschreiben auf den Antrag zum Abschluss des Kaufvertrags mit B über ihr Auto zum Preis von 10.000 € und damit auf ein ganz bestimmtes Rechtsgeschäft gerichtet.

Prüfungsschema

Welche subjektiven und objektiven Elemente unterscheidet man beim Tatbestand einer Willenserklärung?

  1. Subjektiver (innerer) Tatbestand
    1. Subjektiver Handlungswille
    2. Erklärungsbewusstsein
    3. Subjektiver Geschäftswille
  2. Objektiver (äußerer) Tatbestand
    1. Objektiver Handlungswille
    2. Rechtsbindungswille
    3. Objektiver Geschäftswille

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JEAN

Jean-Pierre

26.8.2020, 14:59:34

Wenn der Erklärungswille ein Tatbestandsmerkmal sein soll, dann muss er vorliegen, damit die Rechtsfolge der WE eintritt. Bei einem fehlenden Erklärungsbewusstsein wird viel mehr weiter differenziert, ob es aufgrund von Fahrlässigkeit nicht vorliegt (potentielle Erklärungsbewusstsein) und daher trotzdem angenommen werden kann.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

3.9.2020, 10:06:49

Hi, danke für den Beitrag! Korrekt, es ist umstritten, ob das Erklärungsbewusstsein „TATBESTANDSMERKMAL“ der Willenserklärung ist (oder ob eine Willenserklärung kein Erklärungsbewusstsein erfordert, dann aber anfechtbar ist, wenn es fehlt). Wir formulieren deshalb sehr vorsichtig („Beim inneren Tatbestand unterscheidet man drei KATEGORIEN: …“). Besten Gruß

UL

Ulmenhorst

6.8.2022, 18:52:16

Es ist ein bisschen irritierend, dass zentral auf das Formulieren und Unterschreiben des Antrags abgestellt wird. In diesem Moment lag ja noch gar keine Abgabe der WE vor. Der innere Tatbestand einer WE müsste m.E. viel eher beim Verschicken der Briefes vorliegen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2022, 19:13:26

Hallo Ulmenhorst, bei WIllenserklärungen unterscheidet man normalerweise 4 Phasen: (1) das Erstellen der Erklärung, (2) die Abgabe, (3) den Zugang und (4) Kenntnisnahme. Gerade bei schriftlichen Erklärungen unter Abwesenden kann zwischen den einzelnen Phasen dabei ein deutlicher zeitlicher Abstand liegen. Der äußere und innere Tatbestand müssen zunächst bereits beim Formulieren der Erklärung vorliegen. Eine davon zu unterscheidende Frage ist dann, ob der Erklärende die Erklärung auch wirksam in den Verkehr gegeben hat (vgl. die Problematik um die "abhanden gekommene Willenserklärung"). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Cosmonaut

Cosmonaut

22.8.2022, 19:15:15

Fyi: Schulfall zur zweiten Frage (Erklärungsbewusssein) ist jener der Trierer Weinauktion, soweit ich mich recht erinnere. Kann man mal lesen!

KLE

kleinerPadawan

14.3.2023, 11:15:44

Kommt noch in den folgenden Fällen ;)

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:05:00

Das heißt der Geschäftswille ist nicht wirklich wichtig? Wenn der nicht vorliegt. dann haben wir trotzdem eine WE- Allerdings können wir anfechten, sofern kein unerhebliches Motiviirrtum vorliegt? Dahingehend vllt eine Frage, wie genau würde ein Motivirrtum als Beispiel aussehen?

BL

Blotgrim

6.1.2024, 10:51:56

Zum ersten Teil: Genau im Innern Tatbestand brauchen wir keinen Geschäftswillen. Allerdings brauchen wir im äußeren Tatbestand zumindest den Anschein eines Geschäftswillen. Zum Motivirrtum: Hier muss man etwas differenzieren. Es gibt den beachtlichen Motivirrtum in Form des

Eigenschaftsirrtum

s. Hier ihr der anfechtende über eine verkehrswesentliche Eigenschaft und erklärt daher die WE, die er nicht/ nicht so erklärt hätte wenn er die verkehrswesentliche Eigenschaft so gekannt hätte wie sie tatsächlich vorlag. Andere Formen des Motivirrtums berechtigen nicht zurAnfechtung. Beispielsweise wenn du ein Geschenk für jemanden kaufst und ihr euch dann zerstreitet. Du kannst den Vertrag dann nicht anfechten weil dein Motiv (Geschenk für Freund) weggefallen ist.


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