Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
BGH zur unzulässigen Nutzung eines Prominentenbildes als Clickbait
BGH zur unzulässigen Nutzung eines Prominentenbildes als Clickbait
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
P betreibt die Zeitschrift „TV Movie“, eine Internetseite und ein Facebook-Profil. P postet auf Facebook: „Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht.“ Der Post enthält vier Bilder prominenter Fernsehmoderatoren, darunter ein Bild von Günther Jauch (J). J hat der Verwendung des Bildes nicht zugestimmt. Der Post verlinkt auf die Website der P. Dort berichtet P wahrheitsgemäß über die Erkrankung eines der drei anderen Moderatoren. Informationen über den J finden sich dort nicht. J verlangt Ersatz für die Nutzung seines Bildes in Höhe von €20.000.
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Einordnung des Falls
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird nicht nur in der Grundrechtsklausur relevant, sondern ist auch im Zivilrecht beliebter Prüfungsgegenstand, um zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Fragestellungen zu verschränken. Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass das APR ausnahmsweise nicht im Kontext eines Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 2 BGB analog iVm § 823 Abs. 1 BGB) oder deliktischen Schadensersatzanspruch (§ 823 Abs. 1 BGB) herangezogen wurde. Vielmehr stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit der Vorteil, den der Betreiber von TV-Movie durch die unzulässige Nutzung eines Bildes von Günther Jauch erlangt hatte, bereicherungsrechtlich abgeschöpft werden konnte (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Da die konkrete Nutzung nicht mehr herausgegeben werden kann, kommt allein Wertersatz in Betracht (§ 818 Abs. 2 BGB). Wie auch beim Schadensersatz, hat es der BGH bei der Bemessung des Wertersatzes dabei genügen lassen, dass auf eine „fiktive Lizenzgebühr“ abgestellt wird. Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf einen konkret durch die Nutzung erlangten Gewinn entfallen somit.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wird das Recht am eigenen Bild rechtlich geschützt?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat P, indem er das Bild des J genutzt hat, „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?
Ja!
3. Hat P in den Zuweisungsgehalt eines Rechts des J eingegriffen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB)?
Genau, so ist das!
4. Ist es stets rechtswidrig, ein Bild zu nutzen, auf dem ein anderer abgebildet ist?
Nein, das trifft nicht zu!
5. War die Nutzung des Bildes – also der Eingriff – rechtswidrig?
Ja!
6. Muss P grundsätzlich das Erlangte herausgeben?
Genau, so ist das!
7. Kann P das Erlangte – die Nutzung des Bildes – nicht herausgeben?
Ja, in der Tat!
8. Kann eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von €20.000 angemessen sein?
Ja!
9. Kommen Schadensersatzansprüche bei der unberechtigten Nutzung eines Bildes nicht in Betracht?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Hat P die Nutzung des Bildes „durch Leistung“ des J erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lulu 🐙
21.1.2021, 13:34:41
Ihr seid ja schnell 👏🏻 ✨
Eigentum verpflichtet 🏔️
21.1.2021, 14:32:35
Wow, da haben sich unsere Fallersteller*innen mal wieder selbst übertroffen! Ich gebe das Lob gerne weiter :)
Tigerwitsch
28.5.2021, 23:41:11
In der letzten Aufgabe werden ja - neben dem Anspruch aus § 812 BGB - deliktische Ansprüche bejaht, sofern Verschulden besteht. Ich frage mich, wieso die deliktischen Ansprüche (bei denen man den Eingriff in das
APR/KunstUrhG ebenfalls thematisiert) nicht vor dem Bereicherungsrecht geprüft werden? Zwar prüft der BGH in dem Urteil im Wesentlichen § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, jedoch wäre doch die andere Reihenfolge richtig - oder übersehe ich etwas? 😊
Simon
30.5.2021, 00:23:14
Ich glaube, dass es zwischen deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüchen keine feststehende Prüfungsreihenfolge gibt. Es macht wohl keinen Unterschied, welche der beiden Anspruchsarten man zuerst prüft.
Lukas_Mengestu
31.5.2021, 10:12:37
Hallo Tigerwitsch, in der Tat könne man die Prüfung der deliktischen Ansprüche vorziehen und somit der "klassischen" Reihenfolge folgen (Vertrag - Quasivertraglich - EBV - Delikt - Bereicherungsrecht). Diese ergibt sich im Wesentlichen aus drei Prinzipien: 1. Privatautonomie (deswegen u.a. Vertrag ganz am Anfang), 2. Spezialität (zB
Sperrwirkung des EBVggü. Delikts-/Bereicherungsrecht) und 3. Logik (zB GoA stellt ein Recht zum Besitz dar, weswegen sie, um Inzidentprüfungen zu vermeiden, vor dem Bereicherungsrecht geprüft wird). Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Bereicherungsrecht und Deliktsrecht gibt es - wie Simon schon eingewendet hat - keinen zwingenden Grund, dass das eine vor dem anderen kommt. Es gibt insofern nicht nur "eine" richtige Lösung. Deshalb macht es durchaus Sinn sich hier nach dem Anspruchsbeg
ehren zu richten. Geht es im Kern um ein Herausgabeverlangen, so ist der bereicherungsrechtliche Anspruch zweckmäßiger, da es hier keines Verschuldens bedarf. Geht es dagegen im Kern um einen Schaden (der von den §§ 812 ff. BGB nicht ausgeglichen wird), empfiehlt sich dagegen die traditionelle Reihung. Bei der Eingriffen in das
APRkommen regelmäßig verschiedene Positionen in Betracht (sog. "dreifacheSchadensberechnung: a) Ausgleich des Schadens, b) Herausgabe des Gewinns, c) Lizenzanalogie), wobei meist für den Kläger die fiktive Lizengebühr am einfachsten darzulegen ist. Insofern geht es dann um ein Herausgabeverlangen. Der BGH kann sich hier naturgemäß einen schlanken Fuß machen, da den Gerichten letztlich eine Anspruchsgrundlage genügt, um einer Klage stattzugeben. Ob er also einen Anspruch aus Delikt oder Bereicherungsrecht bejaht, ist insoweit ihm überlassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Florian
15.10.2021, 15:22:47
Ich finde die Frage nach der Angemessenheit der Höhe bei den vorliegenden Informationen ungeeignet. Ohne zu wissen, wie hoch Lizenzgebühren in vergleichbaren Fällen wären, lässt sich die Frage kaum beantworten.
Lukas_Mengestu
17.10.2021, 19:31:38
Danke Florian, in der Tat ist die Subsumtion im konkreten Fall ohne weitere Informationen etwas schwierig. Wir haben die Frage insoweit generalisiert, als wir nun nur noch danach fragen, ob eine fiktive Lizenzgebühr angemessen sein KANN. Denn im Wesentlichen geht es ja um die Frage, welche Kriterien man hierbei zugrunde. Für diese pauschale Frage braucht man dann auch keine bestimmten Sachverhaltsinformationen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
frausummer
26.7.2022, 07:58:59
Könnte man für die Klausur noch Ansprüche aus § 687 II BGB denken? Das KUG habe ich als verfassungsmäßige Konkretisierung in Erinnerung, was auch bedeutet, dass wir das
APRaus § 823 I nur prüfen, sofern ein vollständiger Schutz über das KUG als lex specialis nicht erreicht werden kann. Was wäre das hier bei § 823 I gewesen? Kann man die dreifache Schadensberechnung aus dem
APRauch auf das KUG übertragen?
Nora Mommsen
17.8.2022, 14:57:04
Hallo frausummer, ein guter Gedanke. In der Literatur wird ein Anspruch aus Geschäftsanmaßung rege diskutiert, in der Rechtsprechung hat dies allerdings noch keinen Anklang gefunden. Grundsätzlich geht der sonderrechtliche Schutz des KUG dem allgemeinen vor. Allerdings kommt das
APRüberall dort zum Tragen, wo der sondergesetzliche Schutz Verletzungen persönlichkeitsrechtlicher Belange nicht erfasst. Auch im Rahmen des KUG, wie im Urheberrecht und Immaterialgüterrecht allgemein wird auf die dreifache Schadensberechnung zurückgegriffen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Ulmenhorst
18.2.2023, 10:10:00
Kann man die Frage nach dem Eingriff in den Zuweisungsgehalten so wie hier geschehen mit der Prüfung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs verknüpfen? Sind das nicht eher zwei verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen (1. "in sonstiger Weise" & 2. "ohne rechtlichen Grund")?