Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2020
Missbrauch der Vertretungsmacht bei Insichgeschäft und Bereicherungsausgleich bei unwirksamer Anweisung
Missbrauch der Vertretungsmacht bei Insichgeschäft und Bereicherungsausgleich bei unwirksamer Anweisung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die K-GmbH & Co. KG gewährt der B-GmbH & Co. KG ein Darlehen. Dabei vertritt G, der Geschäftsführer der Komplementär-GmbHs von K und B, sowohl K als auch B. Die Komplementärin der B ist im Gesellschaftsvertrag (nur) im Außenverhältnis von § 181 BGB befreit. K zahlt das Darlehen vereinbarungsgemäß an D, einen Gläubiger der B, aus.
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Einordnung des Falls
Missbrauch der Vertretungsmacht bei Insichgeschäft und Bereicherungsausgleich bei unwirksamer Anweisung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 17 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K genehmigt ihre Vertretung durch G und klagt nach Ablauf der Darlehenszeit gegen B auf Rückzahlung des Darlehens. Kommt als Anspruchsgrundlage vorrangig § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ob ein wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen ist, hängt maßgeblich davon ab, ob G beim Vertragsschluss sowohl K als auch B wirksam vertreten konnte.
Ja!
3. Grundsätzlich kann ein Vertreter den Vertretenen aber nicht wirksam vertreten, wenn er gleichzeitig auch die andere Partei bei einem Vertragsschluss vertritt.
Genau, so ist das!
4. Da eine GmbH & Co. KG durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wird und K und B verschiedene Komplementär-GmbHs haben, liegt hier kein Fall des § 181 BGB vor.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Da G der gesetzliche Vertreter der Komplementär-GmbH der B ist, muss auch die Komplementär-GmbH ihn von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.
Nein!
6. Da G jedoch nur im Außenverhältnis von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war, ist der Vertragsschluss trotzdem gemäß § 181 BGB unwirksam.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Beschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis wirken sich aber ausnahmsweise auf das Außenverhältnis aus, wenn die Regeln über den „Missbrauch der Vertretungsmacht“ eingreifen.
Ja, in der Tat!
8. Da sich K die Kenntnis des G von den Beschränkungen seiner Vertretungsmacht nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss, ist der Vertragsschluss wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam.
Nein!
9. K hat den Darlehensbetrag auch dem Vermögen der B zugeführt.
Genau, so ist das!
10. Da das Darlehen auch zur Rückzahlung fällig ist, kann K von B Rückzahlung des Darlehens verlangen.
Ja, in der Tat!
11. Ist der Darlehensvertrag wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam, muss er nach Bereicherungsrecht rückabgewickelt werden. Die Leistungskondiktion ist dabei grundsätzlich vorrangig.
Ja!
12. Für die Frage, ob eine Leistung im Sinne der Leistungskondiktion vorliegt, sind die subjektiven Vorstellungen des Leistenden maßgeblich.
Nein, das ist nicht der Fall!
13. K hat mit der Auszahlung des Darlehensbetrages an D geleistet.
Nein, das trifft nicht zu!
14. K hat mit der Auszahlung des Darlehensbetrages an B geleistet.
Ja!
15. In „Anweisungsfällen“ wie dem vorliegenden weicht die Rechtsprechung aber teilweise von dem Grundsatz ab, dass die Rückabwicklung nur entlang der Leistungsbeziehungen zu erfolgen hat.
Genau, so ist das!
16. Da die Anweisung der B an K aus einem unwirksamen Vertrag stammt, tritt der Vorrang der Leistungskondiktion zurück und K muss sich über die Nichtleistungskondiktion an D halten.
Nein, das trifft nicht zu!
17. K kann (nur) von B Rückzahlung des Darlehensbetrages gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
NJGHD
9.8.2022, 09:35:48
Warum muss die K nicht auch vom 181 befreien? Finde etwas seltsam, dass nur die Befreiung durch B ausreicht.
NJGHD
9.8.2022, 09:50:21
Zuständig für die Gestattung ist der Vertretene, für den das Insichgeschäft ein Risiko bei der Verwirklichung seiner Interessen birgt. Eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens muss durch den Vertretenen erfolgen. Bei einer Mehrvertretung setzt die Gestattung voraus, dass alle Vertretenen das Insichgeschäft gestatten. Müko 181 Rn 75
Lukas_Mengestu
10.8.2022, 17:06:19
Hallo NJGHD, in der Tat muss G hier von beiden Seiten entsprechend befreit werden. Der zugrundeliegende Originalsachverhalt des BGH hat hierzu zwar keine Ausführungen gemacht. Dies lässt sich allerdings vor allem damit erklären, dass die Gestattung der Klägerin unproblematisch vorlag. Denn jedenfalls mit der Geltendmachung der entsprechenden Ansprüche liegt eine
konkludente Gestattung des Geschäfts vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
david1234
23.10.2024, 14:29:09
Aha! Danke ! Das hat mich die ganze Zeit gestört und halb verzweifeln lassen. Ich fände es sehr gut, wenn ihr das an der Stelle im Sachverhalt kurz darstellen würdet, so hab ich die ganze Zeit nur überlegt, warum lediglich eine Befreiung reichen sollte.
DeliktusMaximus
29.4.2023, 13:58:00
Den Fall hatte ich vor etwa zwei Jahren in einer Hausarbeit. Großartig, wie ihr den hier gelöst und erklärt habt!
Nora Mommsen
3.5.2023, 11:58:39
Hallo DeliktusMaximus, danke für die Info und das tolle Feedback! Wir freuen uns, dass dir der Fall gefällt wenn du ihn schon so gut kennst. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
evanici
8.9.2023, 20:06:22
Dann ist die "Ausnahme" eigentlich der Bankfall, oder? Weil nur dort trotz Veranlassung eine Zurechnung aus Wertungsgesichtspunkten verneint wird und eine Direktkondiktion gegen den Anweisungsempfänger ohne Berücksichtigung seiner Gutgläubigkeit möglich ist. In den anderen Fällen wäre bei Veranlassung des vermeintlich Anweisenden eine Zurechenbarkeit grundsätzlich gegeben und eine Direktkondiktion ausgeschlossen, soweit der Anweisungsempfänger gutgläubig ist, und bei fehlender Zurechenbarkeit unabhängig von der Gutgläubigkeit des Anweisungsempfängers möglich. Der krasse § 181er-Fall hier ist insoweit eigentlich der "schematische Regelfall", weil die Zurechenbarkeit die allgemeine
Nichtleistungskondiktionin Verbindung mit der Gutgläubigkeit des Anweisungsempfängers quasi sperrt. Wäre der Fall abweichend zu lösen, wenn D bösgläubig gewesen wäre, also hätte K dann einen
Eingriffskondiktionsanspruch gegen D? Und wäre dieser Anspruch dann nicht eigentlich gesperrt wegen der Leistungskondiktion gegen den vermeintlich Anweisenden? Oder würde dieser dann ausnahmsweise parallel bestehen?
NathalieK
6.8.2024, 12:06:24
NathalieK
15.8.2024, 14:26:48
Also warum ist nur die Rechtslage im Außenverhältnis maßgeblich?