Spontanäußerung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T erscheint auf der Polizeiwache und berichtet ungefragt dem Polizisten P, soeben ihren fremdgehenden Ehemann im Streit erstochen zu haben. P nimmt sie daraufhin vorläufig fest und fährt sie mit dem Kollegen K zur Staatsanwaltschaft. Während der langen Fahrt berichtet T den beiden Beamten die Einzelheiten der Tat, ohne dass diese sie zuvor belehrt haben (§ 136 Abs. 1 StPO).
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Einordnung des Falls
Spontanäußerung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T ist Beschuldigte.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bei der Interaktion in der Polizeiwache handelt es sich um eine Vernehmung.
Nein!
3. Bei der Interaktion während der langen Autofahrt handelt es sich um eine Vernehmung.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blotgrim
8.5.2023, 19:24:18
Aber die Polizisten verlangten doch keine Auskunft, ist das kein abweichen vom formellen Vernehmungsbegriff?
se.si.sc
8.5.2023, 21:12:53
Es ist richtig, dass die Polizeibeamten keine Nachfragen an T richten. Es ist allerdings auch so, dass die Selbstbelastungsfreiheit (und damit verknüpft die Aufklärung darüber) zu den elementaren Rechten des Beschuldigten gehört (bzw desjenigen, der sich durch seine Äußerungen gerade zu einem Beschuldigten macht). Das ist neben § 136 I 2 StPO und dem daraus folgenden Verwertungsverbot auch auf internationaler Ebene anerkannt, zB iRv Art 6 EMRK (MüKo-StPO, Art 6 EMRK Rn 318 ff).
Spontanäußerungen sollten vor diesem Hintergrund einen eher engen Anwendungsbereich haben. Wann genau eine Sponanäußerung sich so hinreichend zu einem
Anfangsverdachtverdichtet hat, dass sie faktisch zu einer Vernehmungssituation übergeht und dementsprechende Belehrungspflichten auslöst, lässt sich natürlich leider nicht abstrakt und präzise bestimmen. Jedenfalls der vorliegende Fall ist aber mE recht eindeutig so gestrickt, dass gerade die Länge der anschließenden Autofahrt (nachdem T schon festgenommen wurde!) eine Belehrung ohne Weiteres möglich und auch erforderlich gemacht hat.