(Fall) Erbfähigkeit - Juristische Person
19. Mai 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
"Vom Tellerwäscher zum Millionär", doch vergessen hat M seine Herkunft nicht. Sein Vater war arm und obdachlos gestorben. Zeitlebens hat M eine enge Beziehung zur Obdachlosenhilfe O e.V. unterhalten. M vermacht den "Mitgliedern der Obdachlosenhilfe" die Erlöse aus seinen Rolls Royce.
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Einordnung des Falls
(Fall) Erbfähigkeit - Juristische Person
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die O ist vermächtnisfähig und hat Anspruch auf die Erlöse.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. O ist nur deshalb vermächtnisfähig, weil sie in das Vereinsregister eingetragen ist. Nicht eingetragene Vereine sind dagegen niemals vermächtnisfähig.
Nein!
3. M bedenkt testamentarisch „die Mitglieder der Obdachlosenhilfe“. Dies ist zu ungenau.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Laura
2.3.2024, 12:48:19
Ist es gängige Rechtsprechung das auch juristische Personen beerbt werden können oder übersehe ich eine entsprechende Norm? Der § 1923 spricht nämlich nur von lebenden Personen und das sind doch dann nur natürliche Personen oder?
Leo Lee
4.3.2024, 12:23:24
Hallo Laura, vielen Dank für diese sehr gute Frage! In der Tat wird in 1923 unmittelbar nichts wirklich gesagt zu jur. Personen. Jedoch folgt aus 1923, dass solche Personen erbfähig sind, die zum Zeitpunkt des Erbfalls rechtsfähig sind/
waren. Bei nat. Personen mit Vollendung der Geburt (bzw. als NASCITURUS) und bei jur. Personen mit deren Bestand. Denn jur. Personen können genauso Träger von Rechten/Pflichten sein (siehe etwa 13 I GmbHG oder 124 I HGB; bei GbR – bis zum MoPeG – als Außen-GbR durch den BGH anerkannt). Dieses Prinzip folgt aus der allg. Rechtsfähigkeit und wird durch verschiedene erbrechtliche Normen bestätigt, die von der Erbfähigkeit einer juristischen Person ausgehen (etwa § 2044 Abs. 2 S. 3, 2101 Abs. 2, 2106 Abs. 2 S. 2). Somit lautet die Antwort auf deine Frage: Es steht zwar nicht explizit drin; ergeben tut es sich allerdings aus anderen Gesetzen und der allg. Rechtsfähigkeitslehre! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Leipold § 1923 Rn. 36 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

robse27
29.7.2024, 14:35:35
Das sind doch zwei verschiedene Sachen, oder nicht (s. schon § 1939 („ohne ihn [den Bedachten] als Erben einzusetzen“). Finde es daher etwas verwirrend bzw. nicht ganz passend, wenn hier die Erbfähigkeit thematisiert wird. Könnte man vllt den Sachverhalt ggf. anpassen (dass O wirklich erben soll und nicht nur ein Vermächtnis zugesprochen bekommt)? LG :)
L.Goldstyn
6.8.2024, 21:48:06
Hallo robse27, ich sehe das ähnlich: Es wird hier durch die Aufgabe suggeriert, Erbfähigkeit und die Fähigkeit, Vermächtnisnehmer zu werden, sind identisch. Auch wenn das für den vorliegenden Fall keinen Unterschied macht (da es hier nur um die Frage der Rechtsfähigkeit geht), wäre es doch gut, wenn klar gestellt wird, dass die Fähigkeit, Vermächtnisnehmer zu werden, von der Erbfähigkeit zu unterscheiden ist.
Eike-Christian
3.9.2024, 12:39:19
Ich finde auch, dass der SV so nicht passt, weil er eindeutig ein Vermächtnis und keine Erbeinsetzung als Inhalt der letztwilligen Verfügung unterstellt. Man könnte höchstens schreiben, M „hinterlässt“ die Erlöse dem O. Dann sind wir aber schnell bei der Diskussion der Gesamtrechtsnachfolge (§§ 1922, 2032 BGB) und der Frage, ob hier in eine Einsetzung zu Bruchteilen (§ 2088 BGB) umgedeutet werden kann. Allerdings sind „die Erlöse“ (aus dem Verkauf?) schon deshalb problematisch, weil sie sich ohne Testamentsvollstreckung praktisch nicht durchsetzen lassen. Die Erbengemeinschaft/der Erbe ist ja zunächst Eigentümer (§ 1922!) der Rolls Royce geworden.
hagenhubl
6.11.2024, 11:28:24
Kam Rudolf Mooshammer wirklich aus armen Verhältnissen?

Sebastian Schmitt
10.1.2025, 08:54:48
Hallo @[robse27](211434), vielen Dank für Deinen Hinweis. In der Tat sollte man, wie @[L.Goldstyn](251555) und @[Eike-Christian](206577) richtig sagen, zwischen Erb- und Vermächtnisfähigkeit unterscheiden, auch wenn sich das iE (so wie hier) häufig nicht auswirken wird (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl 2022, § 1923 Rn 5; Staudinger/Otte, BGB, Neubearb 2017, § 1923 Rn 4). Wir haben das in der Aufgabe korrigiert. Hinsichtlich "der Erlöse" sehe ich kein grundsätzliches Problem. Ich kann Dir leider nicht sagen, wie genau das damals praktisch umgesetzt wurde (evtl durch Testamentsvollstrecker, §§ 2197 ff BGB?), aber Mooshammer hat wohl tatsächlich einem Obdachlosenverein den Erlös aus dem Verkauf eines ihm gehörenden Hemds von Napoleon Bonaparte vermacht. @[hagenhubl](233869): Zu solchen offensichtlich nicht-rechtlichen und auch sonst nicht jura- oder prüfungsbezogenen Fragen würde ich Dich um eine eigene Recherche bitten. Im wikipedia-Artikel findest Du vermutlich Antworten: https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolph_Moshammer. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

geraumezeit
19.12.2024, 09:52:24
Bestimmungen sind auslegungsbedürftig, wenn sie uA zu ungenau sind. Mittels Auslegung wird ihre genaue Bestimmung ermittelt. Hier bedarf es der Auslegung von „die Mitglieder der Obdachlosenhilfe“, deren tatsächlicher Inhalt nur mittels Auslegung zu ermitteln ist. Wäre die Bestimmung eideutig, müsste sie nicht ausgelegt. Folglich ist die Bestimmung „die Mitglieder der Obdachlosenhilfe“ zu ungenau. Entsprechend müsste die Antwort „ja“ lauten.