Öffentliches Recht
VwGO
Vorläufiger Rechtsschutz (§ 123 VwGO)
1 Fall allgemeine Leistungsklage: Sicherungsanordnung
1 Fall allgemeine Leistungsklage: Sicherungsanordnung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Gemeinde G hat mit dem Ausbau von öffentlichen Parkplätzen vor Ls Haus begonnen. L ist der Ansicht, der Bau wäre rechtswidrig, weil die Parkplätze zu nah an ihrem Grundstück gebaut werden. Sie stellt einen Antrag nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO. Sie begehrt, dass G die Bauarbeiten vorläufig einstellt.
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Einordnung des Falls
1 Fall allgemeine Leistungsklage: Sicherungsanordnung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Im Rahmen der Begründetheit des Antrags nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO muss L zunächst das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft machen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Mangels Rechtsgrundlage scheitert Ls Antrag bereits am Bestehen eines Anordnungsanspruches.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass L in der Hauptsache einen Anspruch auf Unterlassung gegen die B hat.
Ja!
4. Die Begründetheit des Antrags scheitert an dem Bestehen eines Anordnungsgrundes.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
bayilm
27.6.2023, 19:44:30
Ich kann hier nicht ganz nachvollziehen, warum hier der Anspruchsgrund bejaht wird. Können hier im Nachhinein nicht auch einfach die Parkplätze wieder entfernt werden? Warum war das in dem Fall, in dem jemand ein Haus baut und das dann im Zweifel wieder abreißen muss anders?
ehemalige:r Nutzer:in
4.1.2024, 17:31:59
Das würde mich auch interessieren, liebes Jurafuchs Team
Marie
11.2.2024, 23:02:43
Sofern die bauliche Anlage im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht steht, bestünde doch ggf. ein Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsicht. Hier kann der Dritte den Anspruch ggf. auf die Verletzung drittschützender Normen stützen, hätte im Ergebnis bei einem Widerspruch mit öffentlichen Baurecht zumindest einen
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Weshalb wird nicht dieser Anspruch im einstweiligen Rechtsschutz durch einen vorübergehenden Baustopp gesichert?
Sebastian Schmitt
30.10.2024, 09:58:47
Hallo @Marie, auf inhaltliche Details sind wir in dieser Aufgabe aus guten Gründen gar nicht eingegangen. Die Tatsache, dass es sich hier mit der Gemeinde um einen öffentlich-rechtlichen Bauherrn handelt, macht einiges deutlich komplizierter bzw "anders" als sonst. Wir hätten hier ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten der zuständigen Bauordnungs
behördegegen die Gemeinde (!), nicht gegen Private. Aus dem Gesetzestext ergibt sich das nicht, aber mit dem ordnungsbehördlichen Instrumentarium kann die Bauaufsichts
behördenicht gegen einen hoheitlichen Bauherrn vorgehen (habe dazu spontan nur eine sehr alte Auflage des Stollmann als Quelle, das sollte sich aber aus vielen ordentlichen BauR-Lehrbüchern ergeben, Öff BauR, 5. Aufl 2008, § 21 Rn 40 mit Verweis ua auf OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 194, wo es aber auch nicht explizit steht). Hier müsste L sich wohl vielmehr mit dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und
Unterlassungsanspruch w
ehren (Stollmann aaO), wie wir das in unserer Aufgabe auch andeuten. Ohnehin gestaltet sich die Suche nach einer passenden drittschützenden Norm gar nicht so leicht. L will nicht ausreichenden Abstand des Parkplatzes zu ihrem Grundstück geltend machen. Das klingt nach einer Verletzung des (grds drittschützenden) Abstandsflächengebots, wie es zB in § 6 BauO NRW geregelt ist. Ob die entsprechende LandesBauO überhaupt anwendbar ist, dürfte allerdings schon nicht eindeutig sein, so enthält zB § 1 II Nr 1 BauO NRW eine Ausnahme aus dem Anwendungsbereich für "Anlagen des öffentlichen Verkehrs einschließlich
Zubehör, Nebenanlagen und Nebenbetrieben [...]". Zumindest müsste man darauf wegen des hier in Frage stehenden (öffentlichen) Parkplatzes näher eingehen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
David
21.3.2024, 15:44:12
Liebes Jurafuchs-Team, leider ist mir bei dieser Aufgabe nicht ganz klar geworden, wieso der öffentlich-rechtliche
Unterlassungs- anstatt des Abwehranspruchs als Anordnungsanspruch geltend gemacht wird. Ein
Unterlassungsanspruch erfordert doch das zusätzliche Kriterium, dass eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des möglicherweise rechtswidrigen hoheitlichen Handelns besteht oder nicht? Daher würde es schon aus prozessökonomischen Gründen doch sinnvoller sein, auf den Abwehranspruch abzustellen, da dieser ,,nur'' einen bestehenden und andauernden Eingriff voraussetzt, ohne, dass es auf eine Wiederholungsgefahr ankommt. Das ist aufgrund der anhaltenden Baumaßnahmen vorliegend ja bereits gegeben. Oder habe ich die Unterschiede zwischen den beiden Ansprüchen missverstanden? Vielen Dank im Voraus!
Merle_Breckwoldt
22.3.2024, 17:33:38
Hallo David, danke für Deine Frage. Im öffentlichen Recht sind diese Ansprüche ja nicht unmittelbar kodifiziert. Man spricht häufig schlicht vom "öffentlich-rechtlichen Abwehr- und
Unterlassungsanspruch" und hält sich nicht strikt an die Differenzierungen des § 1004 I 1 vs. 2 BGB. Wollte man das tun, wäre dein Gedanke allerdings richtig und hier handelte es sich wohl um einen Fall des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs mit den von Dir benannten Voraussetzungen! Aber: Der öffentlich-rechtliche
Unterlassungsanspruch wäre nicht in diesem Sinne (prozessual) "voraussetzungsreicher". Vielmehr handelt es sich um eine Frage des Sachverhalts. Andauernder Eingriff -> Abwehranspruch. Kein andauernder, aber vergangener und damit erneut i.S. einer Wiederholungsgefahr drohender Eingriff ->
Unterlassungsanspruch. Da mit den Baumaßnahmen hier ein hoheitlicher Eingriff andauert, würde es insoweit nichts ändern, würde man sich (nur) auf einen '
Unterlassungsanspruch' berufen, da ein solcher nicht geprüft würde (s. i.Ü. § 88 VwGO analog). Beste Grüße, Merle
Merle_Breckwoldt
22.3.2024, 17:34:11
Hallo David, danke für Deine Frage. Im öffentlichen Recht sind diese Ansprüche ja nicht unmittelbar kodifiziert. Man spricht häufig schlicht vom "öffentlich-rechtlichen Abwehr- und
Unterlassungsanspruch" und hält sich nicht strikt an die Differenzierungen des § 1004 I 1 vs. 2 BGB. Wollte man das tun, wäre dein Gedanke allerdings richtig und hier handelte es sich wohl um einen Fall des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs mit den von Dir benannten Voraussetzungen! Aber: Der öffentlich-rechtliche
Unterlassungsanspruch wäre nicht in diesem Sinne (prozessual) "voraussetzungsreicher". Vielmehr handelt es sich um eine Frage des Sachverhalts. Andauernder Eingriff -> Abwehranspruch. Kein andauernder, aber vergangener und damit erneut i.S. einer Wiederholungsgefahr drohender Eingriff ->
Unterlassungsanspruch. Da mit den Baumaßnahmen hier ein hoheitlicher Eingriff andauert, würde es insoweit nichts ändern, würde man sich (nur) auf einen '
Unterlassungsanspruch' berufen, da ein solcher nicht geprüft würde (s. i.Ü. § 88 VwGO analog). Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team @[Lukas_Mengestu](136780)
Katharina
12.11.2024, 13:29:40
Kurze Frage hierzu: Würde denn nicht auch schon eine Erstbegehungsgefahr ausreichen, da die Errichtung des Parkplatzes unmittelbar droht fertig gestellt zu werden?