Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Fall zur Drohung mit Veröffentlichung von Unregelmäßigkeiten

Fall zur Drohung mit Veröffentlichung von Unregelmäßigkeiten

26. Juli 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fall zur Drohung mit Veröffentlichung von Unregelmäßigkeiten:

T, dessen Grundstück die Bank O bald (rechtmäßig) zwangsversteigern soll, weist unzutreffend auf Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen der O hin und droht dieser mit der öffentlichen "Zerreißung" der Bilanzen, sollte sie die Zwangsversteigerung nicht unverzüglich aufheben. Aus Angst vor einem Imageverlust lässt O von der Zwangsversteigerung ab.

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Einordnung des Falls

Fall zur Drohung mit Veröffentlichung von Unregelmäßigkeiten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T der O mit einem empfindlichen Übel gedroht (§ 240 Abs. 1 Var. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Drohung ist das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Übel ist jede vom Betroffenen als nachteilig empfundene Veränderung der Außenwelt. Empfindlich ist ein Übel, wenn es bei objektiver Beurteilung und der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen. Hier stellt T der O die Übelszufügung in Aussicht, ihr durch Offenlegung von Bilanzfehlern einen Imageschaden zu bereiten.
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2. Ist der Nötigungserfolg (§ 240 Abs. 1 StGB) in Form einer Unterlassung eingetreten?

Ja, in der Tat!

Der Täter muss ein Opferverhalten, das in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen kann, herbeigeführt haben (Nötigungserfolg). Das Unterlassen ist die Nichtvornahme einer konkreten Handlung. Handlung meint dabei ein positives Tun. O entschließt sich, die Zwangsvollstreckung nicht zu betreiben.

3. Hat T gerade mit der eingesetzten Drohung das Unterlassen der O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang)?

Ja!

Zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen, d.h. das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. Es finden die allgemeinen Regeln der objektiven Zurechnung Anwendung. Der Zusammenhang fehlt, wenn das Opfer auf eigenen Entschluss oder fremden Rat dem Verlangen des Täters nachgibt. O lässt von der Vollstreckung gerade aufgrund der Drohung des T ab.

4. Ist die Drohung seitens des T auch verwerflich (§ 240 Abs. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Verwerflich ist eine Verhaltensweise, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist, d.h. von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich, als strafwürdiges Unrecht empfunden wird. In der Androhung des T, die vermeintlichen Missstände durch unwahre Tatsachen für den Fall der Nichtaufhebung der Zwangsvollstreckung offen zu legen, liegt ein sozial unerträgliches Verhalten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

16.1.2024, 13:23:03

Liebes Team, im § 240 I StGB heißt es doch "wer einen Menschen ...". Wie kann die Bank O hier überhaupt Opfer sein?

MAH

Marvin Hort

24.1.2024, 09:12:34

Ich denke dies wird über eine Zurechnung des Verhaltens des Vorstandes gelöst gemäß

§ 31 BGB analog

. Die

Drohung

gegenüber einem Vorstandsmitglied oder einem sonstigen Vertretungsberechtigten wäre dann eine

Drohung

gegenüber einem Menschen und durch die Zurechnung dann auch gegenüber der Bank. Die Bank als juristische Person kann ja auch nicht selbst die Zwangsvollstreckung betreiben, da sie nicht handlungsfähig ist. Auch dies würde ihr über ein Verhalten der Vertreter zugerechnet werden. So wäre zumindest mein Verständnis.

Dogu

Dogu

2.6.2024, 12:32:24

Man kann im Strafrecht keine Strafbarkeit über die analoge Anwendung von Normen begründen. Vielmehr wird im Echtfall die Nötigung eben zum Nachteil der jeweils handelnden Person begangen.


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