+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T flößt seinem zehnjährigen Neffen B gegen dessen Willen den Inhalt einer ganzen Schnapsflasche ein. B gelangt in einen heftigen Rauschzustand. Er wird auf dem Heimweg ohnmächtig, sodass B mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden muss.
Einordnung des Falls
Rauschzustand
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T den B dazu nötigte, die Flasche Schnaps leer zu trinken, hat er ihn körperlich misshandelt (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird.
Den B dazu zu bringen, eine ganze Flasche Schnaps leer zu trinken, stellt eine üble und unangemessene Behandlung dar. B wurde auf dem Nachhauseweg ohnmächtig und erlitt eine Alkoholvergiftung, sodass auch seine körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtig ist.
2. T hat den B durch dieselbe Handlung an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).
Ja!
Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. Ein Rauschmittelzustand ist ein vom Normalzustand der körperlichen Funktion des Opfers nachteilig abweichender Zustand.
Schon indem der T den B in einen Rauschzustand versetzt hat, hat er einen pathologischen Zustand hervorgerufen.
Die Erfüllung beider Alternativen gegenüber demselben Opfer durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) ändert nichts am Vorliegen nur einer Körperverletzungstat.