Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Verjährung

Verjährungshöchstfristen für Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 2 BGB

Verjährungshöchstfristen für Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 2 BGB

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Unbekannte U fuhr Fahrradfahrer F am 24.03.2021 fahrlässig mit seinem Auto an und flüchtete. F wurde verletzt. Die Heilbehandlung kostete €5.000. Da es keine Zeugen gibt und F das Kennzeichen nicht gesehen hat, weiß er bis heute (25.09.2022) nicht, wer ihn geschädigt hat.

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Einordnung des Falls

Verjährungshöchstfristen für Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F hat Schadensersatzansprüche gegen U wegen seiner Verletzungen.

Ja, in der Tat!

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 7 Abs. 1 Alt. 2 StVG). U ist Halter eines Kfz und hat bei dessen Betrieb den Körper und die Gesundheit des F verletzt, wodurch ein Vermögensschaden in Höhe von €5.000 entstanden ist.Daneben bestehen auch deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB iVm § 229 StGB)
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2. Die Schadensersatzansprüche des F gegen U unterliegen einer 30-jährigen Verjährungsfrist.

Nein!

Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Sie gilt immer dann, wenn keine gesetzliche Sonderregelung besteht. In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit beruhen (§ 197 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und 3 BGB). U hat den Körper und die Gesundheit des F nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig verletzt. Die Sonderregelung des § 197 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und 3 BGB greift daher nicht und es gilt die Regelverjährungsfrist.

3. Die Regelverjährungsfrist hat am 01.01.2022 zu laufen begonnen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem (1) der Anspruch entstanden ist und (2) der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die Schadensersatzansprüche sind am 24.03.2021 entstanden. F hat im selben Jahr zwar von den den Anspruch begründenden Umständen, nicht jedoch von der Person des Schuldners, dem Unbekannten U, Kenntnis erlangt. Damit hat die Regelverjährungsfrist noch nicht zu laufen begonnen.

4. Die Schadensersatzansprüche des F unterliegen einer Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren (§ 199 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 2 Alt. 2 und 3 BGB). Die Schadensersatzansprüche des F beruhen auf einer Körper- und Gesundheitsverletzung durch U.

5. Die Verjährungshöchstfrist hat ebenfalls noch nicht zu laufen begonnen.

Nein!

Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 2 Alt. 2 und 3 BGB). Die Frist wird somit durch ein Ereignis iSd § 187 Abs. 1 BGB ausgelöst. U hat die Verletzungshandlung, die die Schadensersatzansprüche des F begründet, am 24.03.2021 begangen. Die 30-jährige Verjährungshöchstfrist hat damit am 25.03.2021 zu laufen begonnen.

6. Die Verjährungshöchstfrist endet mit Ablauf des 24.03.2051.

Genau, so ist das!

Nach § 188 Abs. 2 BGB endigt eine Frist, die nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt ist, im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre und ist damit ein mehrere Monate umfassender Zeitraum. Die Verletzungshandlung als das die Frist auslösende Ereignis war am 24.03.2021. Damit endet die Frist mit Ablauf des 24.03.2051.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Gruttmann

Gruttmann

24.1.2024, 14:57:04

Kann mir einer erklären, wieso die 30-jährige Verjährungsfrist bei diesem Fall bei den ersten Fragen verneint wurde, dann jedoch bejaht wurde. Also sind das zwei verschiedene Ansprüche oder wie kann ich das verstehen?

Paulah

Paulah

26.1.2024, 19:42:42

Es geht hier zunächst um die 30-jährige V e r j ä h r u n g s f r i s t, § 197 Abs. 1 BGB. Die greift nicht, weil die Körperverletzung fahrlässig und nicht vorsätzlich erfolgte. Deshalb greift hier die regelmäßige Verjährungsfrist nach §

195 BGB

. In §

199 BGB

geht es zum einen um den Beginn der Verjährungsfrist und zum anderen um die V e r j ä h r u n g s h ö c h s t f r i s t. Die regelmäßig Verjährungsfrist hat noch nicht begonnen, weil F nicht weiß, wer ihn geschädigt hat. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn F weiß, wer ihn geschädigt hat. Die Verjährungshöchstfrist legt fest, wann der Anspruch auf jeden Fall verjährt ist, auch wenn F bis dahin nicht erfahren hat, wer der Schädiger war. Diese Verjährungshöchstfrist beträgt nach § 199 Abs. 2 BGB 30 Jahre, hier von der Begehung der Handlung an. Die Verletzungshandlung war am 24.03.2021, als Ereignisfrist beginnt die Verjährungshöchstfrist somit am 25.03.2021 und endet am 24.03.2051.

Gruttmann

Gruttmann

27.1.2024, 08:18:47

Vielen lieben Dank für die ausführliche Erklärung! Ich habe es jetzt verstanden:)

Gruttmann

Gruttmann

24.1.2024, 15:10:13

Blicke ich hier durch, wenn ich sage dass der §199 abs.2 dafür da ist, falls nicht herausgefunden werden kann, wer der „Täter“ ist sozusagen. Wenn man wüsste wer der Täter war, dann gilt der §197 abs.1 nr.1 und die Verjährungsfrist würde vom Vorsatz abhängen. Vorsatz(+) -> 10 Jahre, Fahrlässigkeit (+) -> 3 Jahre.

Paulah

Paulah

26.1.2024, 19:48:00

Es gibt verschiedene Fristen für die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung: bei V o r s a t z sind es nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB, abweichend von der Regelverjährungsfrist nach §

195 BGB

, 30 Jahre, sonst bleibt es bei den 3 Jahren. §

199 BGB

regelt den B e g i n n der Verjährungsfristen und die V e r j ä h r u n g s h ö c h s t f r i s t e n.

Gruttmann

Gruttmann

27.1.2024, 08:22:02

Dankeschön für die schnellen und verständlichen Antworten, es hat Klick gemacht:)


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