Drohung mit einem erlaubten Übel

4. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kaufhausdetektiv T hält die beim Diebstahl eines Schals erwischte 17-jährige O zum Zwecke einer Strafanzeige fest. T sagt O, er werde sie anzeigen, sollte sie nicht mit ihm schlafen. O fürchtet sich vor strafrechtlichen Konsequenzen und hat deswegen Sex mit T.

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Einordnung des Falls

Drohung mit einem erlaubten Übel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T könnte O gedroht haben, indem er ihr ankündigte, sie wegen des Diebstahls anzuzeigen, sollte sie nicht mit ihm schlafen (§ 240 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Drohung ist das Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels, auf welches der Täter Einfluss zu haben vorgibt. Unter Übel fällt jeder Nachteil. Empfindlich ist das Übel, wenn es bei objektiver Beurteilung und der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen.Im allgemeinen darf T die O anzeigen, wenn er sie beim Ladendiebstahl erwischt. Problematisch ist deshalb hier, ob eine Drohung vorliegen kann, wenn lediglich erlaubtes Verhalten angekündigt wird.
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2. Nach einer Ansicht schützt § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB nur die rechtlich garantierte Freiheit. Spricht das dafür, dass T der O gedroht hat?

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist umstritten, ob eine Drohung durch ein erlaubtes Übel verwirklicht werden kann. Wenn man lediglich die rechtlich garantierte Freiheit als vom Schutzzweck des § 240 Abs. 1 StGB umfasst sieht, ist eine Drohung mit einem erlaubten Tun als tatbestandslos zu werten. Vom Bedrohten kann und muss dann verlangt werden, dass er dieser Ankündigung standhält. T stellt der O in Aussicht, sie lediglich wegen des Diebstahls anzuzeigen, wenn sie nicht mit ihm schlafe. Die Anzeige wegen des tatsächlich begangenen Diebstahls ist aber erlaubt. Es ist nicht von Os rechtlich garantierter Freiheit umfasst, für eine Straftat nicht angezeigt zu werden.

3. Nach h.M. ist auch eine Drohung mit einem erlaubten Übel möglich. Hat T der O nach dieser Ansicht i.S.v. § 240 Abs. 1 StGB gedroht?

Ja!

Die h.M. argumentiert, dass die Rechtsordnung dem Täter zwar erlaube, das Tun auch tatsächlich auszuführen. Beschränke er sich aber darauf, es dem Opfer nur anzudrohen, so habe er die Wechselbeziehung von Leistung und Gegenleistung zu achten. Fehle zwischen beiden ein innerer Zusammenhang, entfalle die rechtliche Legitimität für den seitens des Täters beim Opfer hervorgerufenen Willenszwangs. Auch der Wortlaut des § 154 c StPO spricht für die Möglichkeit der Drohung mit einem erlaubten Übel.T stellt zwischen dem grundsätzlich erlaubtem Tun (= Strafanzeige) und dem Sex eine Leistung-Gegenleistung-Beziehung her. Dazwischen besteht aber kein innerer Zusammenhang. Die Ankündigung der Strafanzeige ist in diesem Kontext nach h.M. eine Drohung.Auch mit einer Ankündigung von erlaubtem Verhalten kann der Wille des Genötigten gebeugt werden (Schutzzweck der Norm). Damit die Strafbarkeit nicht ausufert, erfolgt eine Einschränkung durch das Erfordernis der Verwerflichkeit. Es bietet sich an, der h.M. zu folgen, und das Erlaubtsein des Übels in die Abwägung bei der Verwerflichkeit einzubeziehen. Dort kann insbesondere das in diesem Fall vorliegende Ausnutzen einer Machtposition gegenüber einer Minderjährigen für sexuelle Handlungen gewichtet und bewertet werden.

4. Ist auch der übrige objektive Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB erfüllt?

Ja!

O hat die von T bezweckte Handlung (= Sex mit T) vorgenommen, sodass auch der Nötigungserfolg eingetreten ist. Sie tat das nur, weil T ihr in Aussicht gestellt hat, sie sonst anzuzeigen. Somit liegt auch der nötigungsspezifische Zusammenhang zwischen Nötigugnsmittel und Nötigungserfolg vor. T hat den objektiven Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB erfüllt.
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