+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
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Klassisches Klausurproblem
Kaufhausdetektiv T erwischt die 17-Jährige O beim Klauen und zeigt sie an. O bittet T, nicht zur Polizei zu gehen. T sagt, er würde die bereits abgeschickte Anzeige zurücknehmen, wenn O mit ihm schlafe. Falls nicht, werde alles „seinen gewohnten Lauf" nehmen. O schläft mit T.
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Einordnung des Falls
Drohung mit einem Unterlassen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T der O in Aussicht gestellt hat, die Anzeige nicht zurückzunehmen, falls O nicht mit ihm schläft, hat T ein Unterlassen angekündigt.
Genau, so ist das!
Drohung ist das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Diese kann ausdrücklich sowie stillschweigend erfolgen. Die Ankündigung kann sich zudem sowohl auf ein Tun als auch ein Unterlassen beziehen.
T stellt O in Aussicht, die Anzeige nicht zurückzuziehen, sofern diese nicht mit ihm schlafe. Damit hat T angekündigt, nicht tätig zu werden (= Unterlassen). Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. T hat mit einem Unterlassen gedroht. Könnte eine Strafbarkeit mit Blick auf § 13 StGB voraussetzen, dass T zur Rücknahme der Anzeige rechtlich verpflichtet war?
Ja, in der Tat!
Es ist umstritten, welche Anforderungen an die Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu stellen sind, wenn der Täter mit einem Unterlassen droht.Nach einer Ansicht in der Literatur (Mindermeinung) ist eine Drohung mit einem Unterlassen nur dann tatbestandlich einschlägig, wenn der Täter eine Handlung unterlässt, zu deren Vornahme er rechtlich auch verpflichtet ist (Garantenstellung). Nach dieser Ansicht sei für die Nötigung die Freiheitsbeeinträchtigung des Opfers maßgeblich. Wenn der Täter aber zu der angekündigten Handlung nicht verpflichtet ist, so könne in dem Unterlassen auch keine Beschränkung der Entschlussfreiheit des Opfers liegen. Nach dieser Ansicht wird Os Freiheit dadurch erweitert, dass O die „Möglichkeit“ bekommt, dass T die Anzeige zurücknimmt. T hat keinerlei Garantenstellung gegenüber O inne, sodass die Ankündigung, T würde die Anzeige nicht zurücknehmen, keine Drohung i.S.v. § 240 Abs. 1 StGB ist. 3. Nach h.M. kann die Ankündigung eines Unterlassens den Tatbestand von § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB unabhängig von einer Garantenstellung des Täters erfüllen. Hat T der O danach i.S.v. § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB gedroht?
Ja!
Nach überwiegender Auffassung kann auch die reine Ankündigung eines Unterlassens eine taugliche Drohung sein. Es könne nicht der „Gerissenheit“ und Formulierungskunst des Täters überlassen werden, ob er sich strafbar macht. Zudem sei für eine Drohung nur relevant, ob das Opfer das angedrohte Übel als empfindlich wahrnehme und sich deswegen in seiner Willensentschließungs- bzw. -betätigungsfreiheit eingeschränkt sieht. Nach dieser Ansicht kann es für den Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB keinen Unterschied machen, ob T O androht, eine Strafanzeige zu stellen (= Handlung), sollte sie nicht mit ihm schlafen oder eine gestellte Anzeige nicht zurückzunehmen (= Unterlassen). Diese Ansicht verlagert das „Problem“ auf die Ebene der Rechtswidrigkeit. Diese kann unter Umständen entfallen, wenn der Täter erlaubtermaßen mit einem Unterlassen droht. 4. T hat O gedroht. Ist damit die Prüfung des objektiven Tatbestands von § 240 Abs. 1 StGB abgeschlossen?
Nein, das ist nicht der Fall!
§ 240 StGB ist ein Erfolgsdelikt. Der Täter muss ein Opferverhalten, das in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen kann, herbeigeführt haben (Nötigungserfolg). Zudem muss zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen, d.h. das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. O hat mit T geschlafen. Ein Nötigungserfolg besteht somit. Hier ist O gerade deshalb auf das Angebot des T eingegangen, weil T sie dazu genötigt hat. Damit liegt auch der nötigungsspezifische Zusammenhang vor. In dieser Aufgabe ging es vor allem um die Drohung durch Unterlassen. Die restlichen Voraussetzungen des objektiven Tatbestands, sowie die Frage der Rechtswidrigkeit schauen wir uns später genau an!