Drohung mit einem Unterlassen

15. April 2025

7 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Kaufhausdetektiv T erwischt die 17-Jährige O beim Klauen und zeigt sie an. O bittet T, nicht zur Polizei zu gehen. T sagt, er würde die bereits abgeschickte Anzeige zurücknehmen, wenn O mit ihm schlafe. Falls nicht, werde alles „seinen gewohnten Lauf" nehmen. O schläft mit T.

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Einordnung des Falls

Drohung mit einem Unterlassen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T der O in Aussicht gestellt hat, die Anzeige nicht zurückzunehmen, falls O nicht mit ihm schläft, hat T ein Unterlassen angekündigt.

Genau, so ist das!

Drohung ist das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Diese kann ausdrücklich sowie stillschweigend erfolgen. Die Ankündigung kann sich zudem sowohl auf ein Tun als auch ein Unterlassen beziehen. T stellt O in Aussicht, die Anzeige nicht zurückzuziehen, sofern diese nicht mit ihm schlafe. Damit hat T angekündigt, nicht tätig zu werden (= Unterlassen).
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2. T hat mit einem Unterlassen gedroht. Könnte eine Strafbarkeit mit Blick auf § 13 StGB voraussetzen, dass T zur Rücknahme der Anzeige rechtlich verpflichtet war?

Ja, in der Tat!

Es ist umstritten, welche Anforderungen an die Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu stellen sind, wenn der Täter mit einem Unterlassen droht.Nach einer Ansicht in der Literatur (Mindermeinung) ist eine Drohung mit einem Unterlassen nur dann tatbestandlich einschlägig, wenn der Täter eine Handlung unterlässt, zu deren Vornahme er rechtlich auch verpflichtet ist (Garantenstellung). Nach dieser Ansicht sei für die Nötigung die Freiheitsbeeinträchtigung des Opfers maßgeblich. Wenn der Täter aber zu der angekündigten Handlung nicht verpflichtet ist, so könne in dem Unterlassen auch keine Beschränkung der Entschlussfreiheit des Opfers liegen. Nach dieser Ansicht wird Os Freiheit dadurch erweitert, dass O die „Möglichkeit“ bekommt, dass T die Anzeige zurücknimmt. T hat keinerlei Garantenstellung gegenüber O inne, sodass die Ankündigung, T würde die Anzeige nicht zurücknehmen, keine Drohung i.S.v. § 240 Abs. 1 StGB ist.

3. Nach h.M. kann die Ankündigung eines Unterlassens den Tatbestand von § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB unabhängig von einer Garantenstellung des Täters erfüllen. Hat T der O danach i.S.v. § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB gedroht?

Ja!

Nach überwiegender Auffassung kann auch die reine Ankündigung eines Unterlassens eine taugliche Drohung sein. Es könne nicht der „Gerissenheit“ und Formulierungskunst des Täters überlassen werden, ob er sich strafbar macht. Zudem sei für eine Drohung nur relevant, ob das Opfer das angedrohte Übel als empfindlich wahrnehme und sich deswegen in seiner Willensentschließungs- bzw. -betätigungsfreiheit eingeschränkt sieht. Nach dieser Ansicht kann es für den Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB keinen Unterschied machen, ob T O androht, eine Strafanzeige zu stellen (= Handlung), sollte sie nicht mit ihm schlafen oder eine gestellte Anzeige nicht zurückzunehmen (= Unterlassen). Diese Ansicht verlagert das „Problem“ auf die Ebene der Rechtswidrigkeit. Diese kann unter Umständen entfallen, wenn der Täter erlaubtermaßen mit einem Unterlassen droht.

4. T hat O gedroht. Ist damit die Prüfung des objektiven Tatbestands von § 240 Abs. 1 StGB abgeschlossen?

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 240 StGB ist ein Erfolgsdelikt. Der Täter muss ein Opferverhalten, das in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen kann, herbeigeführt haben (Nötigungserfolg). Zudem muss zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen, d.h. das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. O hat mit T geschlafen. Ein Nötigungserfolg besteht somit. Hier ist O gerade deshalb auf das Angebot des T eingegangen, weil T sie dazu genötigt hat. Damit liegt auch der nötigungsspezifische Zusammenhang vor. In dieser Aufgabe ging es vor allem um die Drohung durch Unterlassen. Die restlichen Voraussetzungen des objektiven Tatbestands, sowie die Frage der Rechtswidrigkeit schauen wir uns später genau an!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jose

25.1.2022, 16:28:42

Anzeigen können nicht zurückgenommen werden, richtig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.1.2022, 12:17:27

Hallo Jose, in der Tat können nur Straf"anträge" zurückgenommen werden. Denn die Rücknahme eines

Strafantrag

s hat bei den sog. absoluten Antragsdelikten (z.B. § 123 Abs. 1 StGB) zur Folge, dass ein Strafverfolgungshindernis vorliegt. Die Strafanzeige ist dagegen lediglich eine Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden über eine (mögliche) Straftat. Bei vielen Delikten ist für die Strafverfolgung ein

Strafantrag

des Verletzten entweder nie notwendig (Offizialdelikte, zB §

249 StGB

) oder jedenfalls dann nicht, wenn ein

besonderes öffentliches Interesse

vorliegt (zB §

223 StGB

- hier ist die Terminologie uneinheitlich: "bedingte Antragsdelikte"/"eingeschränkte Antragsdelikte"/"relative Offizialdelikte"). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PET

Petrus

28.11.2022, 09:17:14

Hier wird geschrieben, dass in der Ankündigung eine Handlung vorzunehmen, zu der derjenige nicht verpflichtet ist keine

Nötigung

liege, weil es die Freiheit des Opfers erweitere und nicht beschränke. Gilt diese Aussage nur für die Ankündigung eines Unterlassens? Weil beim aktiven Drohen mit einer Strafanzeige ist es doch grds. das Gleiche: der Täter ist ja nicht verpflichtet eine Anzeige zu machen, was die Freiheit des Opfers doch quasi auch erweitert.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2022, 18:36:53

Hallo Petrus, Vorsicht beim Lesen der Aufgabe. In der Aufgabe werden zwei Ansichten präsentiert. Unter anderem wird die Mindermeinung dergestellt, nach der die Ankündigung des Unterlassens einer Handlung freiheitserweiternd sei für das Opfer, da es die Option habe die Forderung zu erfüllen oder nicht. Nach der herrschenden Meinung soll dies aber nicht gelten - vielmehr kommt es darauf an, ob das Opfer die

Drohung

als Übel empfindet. Eine gerissene Person soll nicht besser gestellt werden. Ich hoffe, das klärt deine Frage. Sonst schreib nochmal zu welcher Stelle in der Aufgabe zu ganz genau eine Frage hast. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Juraddicted

Juraddicted

6.1.2025, 11:04:55

in der Aufgabe steht: „Zudem ist für eine

Drohung

nur relevant, ob das Opfer das angedrohte Übel als empfindlich wahrnehme (…)“ Wird „empfindlich“ objektiv aus der Sicht eines Dritten bestimmt oder nach den subjektiven Maßstäben des konkreten Opfers (in Hinsicht auf besonders leichtgläubige, ängstliche, religiöse, esoterisch angelegte Opfer). vielen Dank :)

OKA

okalinkk

28.2.2025, 15:36:19

@[Juraddicted](96780) objektiv

TAUNU

Taunus84

13.4.2025, 20:01:59

Ich verstehe den Hinweis auf § 13 in der einen Frage nicht ganz – T droht doch hier MIT einem Unterlassen, und er begeht nicht die

Nötigung

DURCH Unterlassen, oder verstehe ich das falsch? Was hat § 13 damit zu tun?


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