Drohung mit einem Unterlassen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Der Kaufhausdetektiv T hält die beim Entwenden eines Schals erwischte 17-jährige O zum Zwecke einer Strafanzeige fest. Kurze Zeit später wendet sich O vertrauensvoll an T mit der Bitte, von einer Strafanzeige abzusehen, da sie mit den dadurch verbundenen Folgen ihre Karriere bei der Polizei gefährdet sieht. T berichtet der O, die Anzeige sei "bereits raus". Er würde sie aber zurücknehmen, sollte O mit ihm schlafen. Falls nicht, werde alles "seinen gewohnten Lauf" nehmen. O geht auf das Angebot ein.

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Einordnung des Falls

Drohung mit einem Unterlassen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach einer Mindermeinung liegt in der Ankündigung eines Unterlassens nur dann eine Drohung (§ 240 Abs. 1 Var. 2 StGB), wenn der Täter eine Garantenstellung hat.

Genau, so ist das!

Drohung ist das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Nach einer Ansicht in der Literatur ist eine Drohung mit einem Unterlassen nur dann tatbestandlich einschlägig, wenn der Täter eine Handlung unterlässt, zu deren Vornahme er rechtlich auch verpflichtet ist (Garantenstellung). Maßgeblich für die Nötigung sei die Freiheitsbeeinträchtigung des Opfers. In der Ankündigung, eine Handlung vorzunehmen, zu der der Täter nicht verpflichtet sei, wird jedoch die Freiheit des Opfers nicht beschränkt, sondern gerade erweitert. Daher kann in der Drohung, diese Erweiterung nicht vorzunehmen, auch keine strafrechtlich relevante Nötigung liegen. T stellt O in Aussicht, die Anzeige nicht zurückzuziehen, sofern diese nicht mit ihm schlafe. Zur Rücknahme der Anzeige ist T gerade nicht verpflichtet. Es liegt keine Garantenstellung vor.
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2. In der Ankündigung des Unterlassens der Zurücknahme der Anzeige liegt nach h.M. eine "Drohung" seitens des T vor (§ 240 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Nach überwiegender Auffassung liegt in der Ankündigung eines Unterlassens eine taugliche Drohung. Es solle nicht dem Täter überlassen sein, durch "Gerissenheit" und Formulierungskunst einer Strafbarkeit zu entgehen. Zudem ist für eine Drohung nur relevant, ob das Opfer das angedrohte Übel als empfindlich wahrnehme und sich deswegen in seiner Willensentschließungs- bzw. -betätigungsfreiheit eingeschränkt sieht. Nach dieser Ansicht folgt eine Lösung unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit. Dann fehlt es an der Rechtswidrigkeit, wenn der Täter erlaubtermaßen mit einem Unterlassen droht. Die Ankündigung des Unterlassens der Zurücknahme der Anzeige ist eine Drohung. Zur "Gerissenheit": Hätte T zu O gesagt, dass er die O anzeigen werde, sollte sie nicht mit ihm schlafen, läge nach der anderen Ansicht eine Drohung mit einem aktiven Tun vor.

3. T hat gerade mit der eingesetzten Drohung das Tun der O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).

Ja!

Zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen, d.h. das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. Es finden die allgemeinen Regeln der objektiven Zurechnung Anwendung. Der Zusammenhang fehlt, wenn das Opfer auf eigenen Entschluss oder fremden Rat dem Verlangen des Täters nachgibt. O ist gerade deshalb auf das unmoralische Angebot des T eingegangen, weil T sie dazu genötigt hat.
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