Examensrelevante Rechtsprechung
Rechtsprechung Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht BT: Versammlungsrecht
Faktischer Eingriff in Versammlungsfreiheit durch Tiefflug eines Tornados
Faktischer Eingriff in Versammlungsfreiheit durch Tiefflug eines Tornados
30. Juni 2025
8 Kommentare
4,5 ★ (34.004 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Wegen mehrtägiger gewalttätiger Großdemonstrationen machen Kampfflugzeuge der Bundeswehr im Auftrag der Polizeibehörde (Amtshilfe) Fotos der Umgebung zur frühzeitigen Gefahrerkennung. Dafür fliegt ein Jet in nur 114 m Höhe über ein Unterkunfts-Camp, in dem sich Demonstrantin D aufhält.
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Einordnung des Falls
Faktischer Eingriff in Versammlungsfreiheit durch Tiefflug eines Tornados
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ermächtigungsgrundlage für die Anfertigung der Fotos und den dafür erforderlichen Überflug ist § 19a i.V.m. § 12a Abs. 1 VersG, Art. 125a GG.
Nein, das trifft nicht zu!
2. Die Demonstrationen starten am 6. Juni, das Flugzeug überfliegt das Camp aber schon einen Tag früher, am 5. Juni. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG ist zu diesem Zeitpunkt gleichwohl bereits eröffnet.
Ja!
3. Unterkunfts-Camps, von denen aus die Demonstranten zu ihren Demonstrationen aufbrechen, sind selbst eine Versammlung.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Der Überflug des Kampfflugzeugs in nur 114 m Höhe ist als Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Personen, die sich im Camp befinden, zu werten.
Ja, in der Tat!
5. D begehrt die gerichtliche Feststellung, dass der Überflug sie in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzt hat. Die Feststellungsklage ist statthaft.
Ja!
6. Die Camps fallen unter dem Gesichtspunkt der Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich des Grundrechts ist eröffnet.
Genau, so ist das!
7. Der Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG hätte auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein müssen.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philipp Paasch
23.7.2022, 23:50:47
Habt ihr die Entscheidung des Tatgerichts dazu?

Lukas_Mengestu
3.8.2022, 15:23:39
Hallo Phillipp, die Entscheidung der Ausgangsinstanz (VG Schwerin, 29. September 2011, 1 A 1180/07) findest Du hier: https://
openjur.de/u/343230.html und jetzt auch in den Literaturnachweisen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Rick-energie🦦
23.9.2023, 07:18:23
Woraus ergibt sich, dass 12a VersG keine Übersichtsaufnahmen gestattet? Hätte das nämlich nach eigener Auslegung (vom Wortlaut her finde ich es passend und der Telos ist meines Erachtens auch in die Richtung) falsch beantwortet
Johannes -
12.1.2024, 10:32:37
Grds. Geht es, glaube ich, um die Einschüchterungswirkung, dass Personen nicht mehr demonstrieren wollen, wenn sie aufgrund der Nahaufnahmen und Identifizierung mit Folgen rechnen müssen. Mittlerweile gibt es aber, glaube ich, neue Rechtsprechung, die auch bei Übersichtsaufnahmen einen Eingriff annimmt, aufgrund der Hohen Auflösung von heutigen Kameras und der Möglichkeit sehr Nahe heranzuzoomen und Personen dadurch zu identifizieren.
JanaC
4.4.2024, 21:41:42
Liebed Jurafuchsteam, mir leuchtet nicht ein, wo und wieso man jetzt eine Verletzung von
Art 8 GGprüft? (anstatt EGL Form. Materielle RMK - TB und RF) Soll die Prüfung ein Unterpunkt der materiellen VFM sein?

Merle_Breckwoldt
9.4.2024, 18:17:42
Hallo JanaC, ganz genau! Vorliegend ist die
allgemeine Feststellungsklage(§ 43 I VwGO) statthaft. Deren einzige Maßgabe in der
Begründetheitlautet: "Die Klage ist begründet, soweit das behauptete Rechtsverhältnis tatsächlich besteht". Das Rechtsverhältnis ist hier die (von D behauptete) Unzulässigkeit des zur Anfertigung von Luftaufnahmen durchgeführten Überflugs. Und Unzulässigkeit liegt vor, wenn (1) keine
Ermächtigungsgrundlagegegeben ist, das Handeln (2) formell oder (3) materiell
rechtswidrigist: (1) EGL: Polizei- und ordnungsrechtliche
Generalklausel(im Fall: § 13 MVSOG a.F.) (2) Formelle RMK (3) Materielle RMK: TB (+), RF/
Ermessen: Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG (+/-) Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
29.5.2025, 21:56:39
Ich finde das Rechtsverhältnis ist sowohl in der Aufgabe als auch in der (im Übrigen sehr hilfreichen) Erklärung von @[Merle_Breckwoldt](241588) nicht ganz klar raufgearbeitet. Der Knackpunkt bei der FK - so habe ich es jedenfalls gelernt - ist doch, dass man damit nicht einfach die Rechtmäßigkeit/
Rechtswidrigkeit einer Maßnahme feststellen lassen kann, sondern dass es ein
feststellungsfähiges Rechtsverhältnisbraucht. Dessen Bestehen oder Nichtbestehen kann dann festgestellt werden. Dh das Rechtverhältnis kann nicht die Unzulässigkeit des Überflugs sein. mE käme hier die Festellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in betracht. Nämlich dass, es kein Rechtsverhältnis gibt, das die Anfertigung von Luftaufnahmen legitimiert. Es muss also überprüft werden, ob es nicht doch eine Norm gibt, die ein solches Rechtsverhälntis zwischen der Behörde und der Betroffenen begründet. Das könnte hier das Handeln der Behörde auf Grundlage der
Generalklauselsein, das auch
formell und materiell rechtmäßigsein müsste. In der Sache prüft man natürlich in der
Begründetheitdann das gleiche, aber die Zielrichtung des
Feststellungsinteresses ist mE doch etwas anders, als es im Fall dargestellt wurde. Insbesondere bei der ersten Frage dieser Aufgabe wird finde ich die Notwendigkeit eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses für die FK (und gerade nicht schlicht Feststellung einer Grundrechtsverletzung) nicht klar.
Dogu
28.11.2024, 18:47:29
Ein Hinweis auf die gegenteilige Entscheidung in einem vergleichbaren Sachverhalt wäre toll: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverwg-6c423-protestcamp-g20-gipfel-2017-hamburg-versammlungsfreiheit?utm_econtactid=CWOLT000038449598&utm_crmid=
Urt. v. 27.11.2024, Az. 6 C 4.23