Erlassfalle

11. Juli 2025

8 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Schlitzohr S schuldet der gutmütigen Gläubigerin G €150.000. S sendet G einen Scheck über €1.000. Dazu legt er ein Hinweisschreiben, dass er die Einlösung des Schecks durch G als Erlass der Restschuld ansehen wird. G löst den Scheck ein.

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Einordnung des Falls

Erlassfalle

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Hinweis des S, die Einlösung des Schecks als Erlass der Restschuld zu sehen, ist als Antrag auf Abschluss eines Erlassvertrags (§ 397 BGB) zu sehen.

Ja!

Der Erlassvertrag (§ 397 BGB) ist ein normaler Vertrag, der also durch Antrag und Annahme zustande kommt (vgl. §§ 145 ff. BGB). Der Hinweis des S ist auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Aus dem Hinweis ergibt sich ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags.
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2. „Schweigen“ und „konkludentes Handeln“ werden im Zivilrecht synonym verwendet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzung jeder Willenserklärung ist ein tatsächlicher Erklärungsakt. Eine ausdrückliche Erklärung ist aber nicht nötig. Vielmehr genügt auch konkludentes oder schlüssiges Handeln. Hierbei kommt durch eine bestimmte Verhaltensweise ein Willen zum Ausdruck. Beim Schweigen hingegen liegt bewusst keine Äußerung vor. Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Dies gilt auch, wenn der potenzielle Vertragspartner angekündigt hat, das Schweigen des Erklärungsgegners als Willenserklärung zu sehen. Eine Ausnahme gilt nur in den gesetzlich geregelten Fällen (bspw. §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2, 416 Abs. 1 S. 2, 455 S. 2, 516 Abs. 2 S. 2 BGB).

3. G hat auf S' Antrag nicht reagiert und bloß geschwiegen.

Nein, das trifft nicht zu!

Voraussetzung jeder Willenserklärung ist ein tatsächlicher Erklärungsakt. Eine ausdrückliche Erklärung ist aber nicht nötig. Vielmehr genügt auch konkludentes oder schlüssiges Handeln. Hierbei kommt durch eine bestimmte Verhaltensweise ein Willen zum Ausdruck. Beim Schweigen hingegen liegt bewusst keine Äußerung vor. Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung.G hat den Scheck eingelöst und damit nicht bloß geschwiegen. Fraglich ist, wie das Einlösen des Schecks rechtlich zu bewerten ist.

4. Durch die Einlösung des Schecks hat G konkludent S‘ Angebot angenommen.

Nein!

Willenserklärungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). An das Vorliegen eines Erlasswillens sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Die Rechtsprechung verneint einen (konkludenten) Annahmewillen regelmäßig, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen der angebotenen Abfindung zur Höhe der nicht bestrittenen Schuld besteht, sodass der Schuldner vernünftigterweise nicht mit dem Einverständnis rechnen konnte. G hat den Scheck zwar ohne Vorbehalt eingelöst. Der Scheck belief sich aber nur auf 0,67% der geschuldeten Summe. Ohne weitere Anhaltspunkte konnte S deshalb nicht ernsthaft davon ausgehen, dass G sich hiermit zufrieden geben würde.Diese Konstellation ist als „Erlassfalle“ bekannt. Zum Thema des Erlasses musst Du nur Grundlagen kennen. Zum Sonderfall der „Erlassfalle“ siehe Grüneberg, 82.A. 2023, BGB, § 151 RdNr. 2a. Wann ein krasses Missverhältnis vorliegt, ist eine Sache des Einzelfalls. Ein solches kann auch schon bei einem nicht so drastischen Missverhältnis wie hier vorliegen. Werte deshalb die Sachverhaltsangaben stets sorgfältig aus.
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