Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Widerklage

Isolierte Drittwiderklage (Kläger einer abgetretenen Forderung, Beklagter bestreitet deren Bestehen und erhebt negative Feststellungsklage gegen den Zedenten)

Isolierte Drittwiderklage (Kläger einer abgetretenen Forderung, Beklagter bestreitet deren Bestehen und erhebt negative Feststellungsklage gegen den Zedenten)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A behauptet, dass B ihm €2.500 schuldet. B bestreitet dies. A tritt seine vermeintliche Forderung gegenüber B an C ab, der sie klageweise geltend macht. B erhebt Widerklage gegen A, mit der er festgestellt haben möchte, dass besagte Forderung auch bei A nicht besteht.

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Einordnung des Falls

Isolierte Drittwiderklage (Kläger einer abgetretenen Forderung, Beklagter bestreitet deren Bestehen und erhebt negative Feststellungsklage gegen den Zedenten)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine isolierte Drittwiderklage ist stets zulässig.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Widerklage, die sich ausschließlich gegen einen Dritten richtet, wird als isolierte Drittwiderklage bezeichnet. Sie ist grundsätzlich unzulässig, ausnahmsweise aber zulässig, wenn (1) ein Sachzusammenhang zwischen Klage und isolierter Drittwiderklage besteht, (2) der Dritte dadurch nicht benachteiligt wird und (3) die Klageänderung nach §§ 263, 267 ZPO analog zulässig ist.
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2. Zwischen Cs Klage und Bs isolierter Drittwiderklage besteht der nötige Sachzusammenhang.

Ja!

Der erforderliche Sachzusammenhang besteht, wenn die Gegenstände von der Klage und der isolierten Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind. Die Leistungsklage des C und die negative Feststellungsklage des B haben denselben Anspruch zum Gegenstand.

3. A wird durch die isolierte Drittwiderklage gegen ihn nicht benachteiligt.

Genau, so ist das!

Eine isolierte Drittwiderklage darf den Drittwiderbeklagten nicht benachteiligen. Eine Benachteiligung des A ist nicht ersichtlich. Er hat die Notwendigkeit einer isolierten Drittwiderklage durch die Abtretung seiner Forderung an C selbst hervorgerufen. Hätte er die Forderung nicht abgetreten, sondern selbst geltend gemacht, wäre eine isolierte Drittwiderklage nicht erforderlich.

4. Die mit der isolierten Drittwiderklage einhergehende Klageänderung ist zulässig.

Ja, in der Tat!

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet (§ 263 ZPO). A hat in die Klageerwiderung nicht eingewilligt. Sie ist jedoch aufgrund des bestehenden Sachzusammenhangs als sachdienlich anzusehen.

5. B fehlt es aber an dem notwendigen Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO.

Nein!

Nach § 256 Abs. 1 Alt. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Eine Feststellungsklage verhindert vorliegend bei Erfolg eine weitere Leistungsklage durch A. Wenn die Forderung bereits bei A nicht bestand, wird die Klage des C abgewiesen und gegenüber A rechtskräftig festgestellt, dass auch er keinen Anspruch hat. Diese rechtskräftige Entscheidung steht einer erneuten Klage durch A mit der Begründung, die Abtretung sei unwirksam gewesen, entgegen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PAT

Patrick4219

12.2.2024, 19:54:40

Ich steh glaube ich gerade total auf dem Schlauch aber wieso besteht hier das Feststellungsinteresse? A hat seine Forderung doch an C abgetreten, d.h. A hat gar keinen Anspruch mehr gegen B. Man klagt doch in der Regel nicht immer noch auf Feststellung, dass dem Rechtsvorgänger keine Ansprüche mehr zustehen oder täusche ich mich da?

TI

Timurso

13.2.2024, 16:27:36

Das Feststellungsinteresse ergibt sich hier daraus, dass sich 1. der A dem Anspruch berühmt hat und 2. die Gefahr droht, dass A seinen vermeintlichen Anspruch durchsetzen will, wenn C den Prozess verliert. Dieses Ergebnis würde ja, gleich ob aufgrund eines Mangels des Anspruchs selbst oder nur der Abtretung, gegenüber dem A nicht in Rechtskraft erwachsen.

ALE

Aleks_is_Y

22.3.2024, 18:14:04

Und wieso genau greift man in diesem Fall zur

Drittwiderklage

und nicht zur

Streitverkündung

?

Sinan

Sinan

6.11.2024, 11:32:34

Die

Streitverkündung

betrifft eine andere Konstellation: Sie ist nach § 72 I ZPO zulässig, wenn eine Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt. Der B will und kann sich aber gerade nicht schadlos beim A halten, wenn er gegen C verliert.

PI

Pit

28.7.2024, 11:09:59

Kann eine

Widerklage

erhoben werden, die die Forderung der Gegenseite bloß negiert? Ich hatte mir das so gemerkt, dass das gerade nicht ginge, sondern zum Ausschluss der

Widerklage

führt. Wäre das nicht eine unzulässige Schlechterstellung des A, wenn man das im Rahmen einer isolierten

Drittwiderklage

nun zulässt?

EN

Entenpulli

30.7.2024, 11:17:44

Es gibt keine Schlechterstellung des A. Berühmt sich A eines Anspruchs gegen B, kann B FK erheben. Erhebt A in diesem Prozess dann aber

Widerklage

auf Erfüllung dieses Anspruchs (also LK), wird die FK unzulässig. Im vorliegenden Fall verhält es sich nicht anders, nur dass die LK des A unsinnig wäre, weil er die vermeintliche Forderung schon abgetreten hat.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

18.9.2024, 11:00:24

Hallo @[Pit](192974), Du hast hier vermutlich den Grundsatz der Unzulässigkeit solcher

Widerklage

n im Kopf, die nur das kontradiktorische Gegenteil des klageweise geltend gemachten Anspruchs darstellen. So sieht es die hM wegen der Identität des Streitgegenstands tatsächlich (Musielak/Voit/Musielak/Wolff, ZPO, 21. Aufl 2024, § 322 Rn 21 ff mwN), nur haben wir hier mE keinen Fall des kontradiktorischen Gegenteils. Klage ist B -> C auf Zahlung von €2.500,

Widerklage

ist C->A (!) auf Feststellung, dass die von B geltend gemachte Forderung iHv €2.500 (auch) dem A nicht zusteht. Das kontradiktorische Gegenteil zur Klage des B wäre

Feststellungsklage

, dass B keinen Anspruch iHv €2.500 gegen C hat. Dass A in den Prozess hineingezogen wird, liegt allein an ihm: Er hätte seinen angeblichen Anspruch ja nicht abtreten müssen (sondern selbst geltend machen können), dann hätte C direkt gegen ihn klagen können. Eine Benachteiligung des A sehe ich hier nicht. @[Entenpulli](169608) erwähnt noch eine spannende, leicht abweichende Variante, in der zuerst

Feststellungsklage

und daraufhin

widerklage

nd

Leistungsklage

erhoben wird. Dann stellt sich vor allem noch die Frage, wie der ursprüngliche Kläger kostengünstig aus seiner unzulässig gewordenen Klage herauskommt (mit der üblichen Diskussion zu Klagerücknahme und Erledigungserklärung). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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