Einsatz von privater „Hilfspolizei“ für Verkehrsüberwachung

15. April 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Damit die Stadt F effektiver gegen Parkverstöße vorgehen kann, setzt sie Mitarbeiter des privaten Dienstleisters D zur Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs ein. In der Folge ahndet der private „Hilfspolizist“ H bei der Verkehrsüberwachung einen Parkverstoß.

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Einordnung des Falls

Einsatz von privater „Hilfspolizei“ für Verkehrsüberwachung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Organisation und Überwachung des ruhenden Verkehrs ist eine hoheitliche Aufgabe.

Ja!

OLG: Nur der Staat habe das Recht, gemeindlichen Verkehrsraum zu organisieren, in seiner Funktion zu bestimmen und einzelnen Verkehrsteilnehmern zur Benutzung zuzuweisen. Dazu gehöre auch die Regelung, ob und wie Verkehrsraum zur Verfügung gestellt wird sowie der rechtliche Rahmen für deren Organisation und Kontrolle (z.B. über Verwarn- und Bußgelder). Das gesamte System des Straßenverkehrsrechts sei nach Maßgabe des StVG und der StVO erkennbar unter hoheitlichen Regelungs- und Überwachungsvorbehalt gestellt worden (III.1.).
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2. Die Ahndung und Durchsetzung von Regelverstößen im ruhenden Verkehr durch Verwarn- und Bußgelder ist ebenfalls hoheitliche Aufgabe.

Genau, so ist das!

Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben handelt es sich bei Verstößen gegen Parkvorschriften um Ordnungswidrigkeiten (§§ 35ff. OWiG), die dem Sanktionssystem von Verwarnung und Verwarnungsgeld unterliegen. OLG: Das Recht, derartige Verstöße zu ahnden, sei Ausfluss des staatlichen Gewaltmonopols und somit ausschließlich dem Staat zugewiesen (vgl. § 47 Abs. 1 OWiG, Art. 33 Abs. 4 GG). Die Sanktionierbarkeit von Parkverstößen sei Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und damit „grundsätzlicher Kern der originären Staatsaufgaben“ (III.2.).

3. Hoheitliche Aufgaben können grundsätzlich auch auf Privatpersonen übertragen werden.

Ja, in der Tat!

Die Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen durch Private ist grundsätzlich möglich und geschieht im Wesentlichen durch Beliehene und Verwaltungshelfer. Für eine zulässige Übertragung an private Dritte bedarf es einer dafür vom Parlament erlassenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Absolute hoheitliche Kernaufgaben (z.B. Justiz, Polizei und Fiskalverwaltung) sind grundsätzlich nicht übertragbar. OLG: Die Stadt F könne die ihr von der Bevölkerung erteilte Regelungs- und Sanktionsmacht, von der sie ihre eigene Legitimation bezieht, nicht ohne gesetzliche Legitimation wieder an private Dienstleister abgeben (III.2, III.3.).

4. § 99 HSOG kommt als Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung der Verkehrsüberwachung auf D in Betracht.

Nein!

Gemäß § 99 Abs. 1 HSOG können Hilfspolizeibeamte bestellt werden u.a. zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben. OLG: Die Übertragung der Verkehrsüberwachung auf Private bedeutete die Übertragung nicht übertragbarer hoheitlicher Kernaufgaben: Denn übertragen werde nicht nur die unbedenkliche Tatsachenfeststellung von Verkehrsverstößen, sondern auch die hoheitliche Sanktionsmacht, Verwarngelder zu erheben. Hilfspolizisten gemäß § 99 HSOG erhielten Befugnisse der Vollzugspolizei. Als Landespolizeigesetz erfülle § 99 HSOG indes nicht die Anforderungen an eine Rechtsgrundlage für die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Dritte (III.3.).

5. Sämtliche durch D ausgestellte Bescheide sind nichtig, da die entsprechenden Beweismittel in einem etwaigen Ordnungswidrigkeitenverfahren einem absoluten Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Genau, so ist das!

OLG: Die Stadt F habe strukturell und systematisch den Bürger und die Gerichte getäuscht, und zwar in vollem Bewusstsein, dass sie geltendes Recht umgeht. Ein Bürger müsse davon ausgehen, dass eine die Uniform der Polizei tragende Person ein Polizist ist und die dazugehörigen Befugnisse besitze. Die Stadt F habe eine „leere Hülle in Uniform“ geschaffen, die nach außen den „täuschenden Schein der Rechtsstaatlichkeit“ vermittelt (III.3.). Aufgrund dieser systematischen Verschleierung unterliegen die entsprechenden Beweismittel einem absoluten Beweisverwertungsverbot im Ordnungswidrigkeitenverfahren (IV.).
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