+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Nachbar N vergiftet aus Wut auf das ständige Kläffen den „Köter“ des K. Dieser stirbt. K steht eine Schadensersatzforderung i.H.v. €400 zu. Aus Rache zerschlägt K Ns heißgeliebte und seltene Gartenzwerge im Wert von ebenfalls €400. K erklärt N, nun seinen die quitt.

Einordnung des Falls

Deliktische Handlung 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Aufrechnungslage liegt vor und K hat die Aufrechnung erklärt.

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Ja, in der Tat!

Eine Aufrechnungslage liegt vor, wenn der Aufrechnende eine gegenseitige, gleichartige, fällige und durchsetzbare Gegenforderung besitzt, und die Hauptforderung wirksam und erfüllbar ist. Bei der Aufrechnungserklärung handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. K und N stehen gegenseitig Geldforderungen zu. Ks Forderung ist sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) fällig und einredefrei. Ns Schadensersatzforderung ist wirksam und erfüllbar. Ks Erklärung, dass beide nun „quitt“ seien ist als Aufrechnungserklärung zu verstehen (vgl. §§ 133, 157 BGB).

2. Da beide Forderungen deliktischer Natur sind, findet das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB keine Anwendung.

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Nein!

Bei der Prüfung der Aufrechnung ist zum Schluss immer an den Ausschluss der Aufrechnung zu denken!§ 393 BGB schließt die Aufrechnung gegen eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung aus. Tatsächlich argumentiert ein Teil der Literatur dafür, dass das Aufrechnungsverbot hier nicht greift. Dagegen spricht jedoch nach der herrschenden Meinung zum einen der klare Wortlaut der Vorschrift und auch der Sinn und Zweck des Aufrechnungsverbots Akte der „Privatvollstreckung“ oder – wie hier – der „Privatrache“ zu verhindern. Eine Aufrechnung kommt hier also nicht in Betracht.Allerdings macht auch die herrschende Meinung dann eine Ausnahme, wenn die beidseitigen Forderungen einem einheitlichen Lebenssachverhalt entstammen und eng miteinander zusammenhängen. So wird es bspw. möglich sein, dass zwei Personen, die sich prügeln, die Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB gegenseitig aufrechnen können.

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Sambajamba10

Sambajamba10

4.6.2023, 21:01:26

Der klare Wortlaut ist natürlich ein gutes Argument. Jedoch habe ich zumindest Sympathien mit der Ansicht, die in diesen Konstellationen eine geologische Reduktion des § 393 vornimmt, wenn diese Forderungen aus einem einheitlichen Lebensvorgang stammen, da hier das Telos der Norm auch nicht wirklich missachtet wird. Wie seht ihr das?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.6.2023, 18:12:15

Hallo Sambajamba, der klare Wortlaut ist hier letztlich das entscheidende Argument der Rspr. und weiten Teilen der Literatur. Aber wie so oft, ist ein anderes Ergebnis natürlich vertretbar. Deutlich wird dies insbesondere in den Fällen, in denen verschiedene deliktische Ansprüche innerhalb derselben Ausseinandersetzung entstehen (zB bei einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der beide Seiten gegenseitig Eigentum beschädigen/zerstören). Denn da steht der Zweck des § 393 BGB die Privatrache zu verbieten, nur bedingt entgegen (mehr dazu bei BeckOGK/Skamel, 1.4.2023, BGB § 393 Rn. 21BeckOGK/Skamel, 1.4.2023, BGB § 393 Rn. 21). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

2.11.2023, 11:44:23

Liebes Jurafuchsteam, wie die tvA hier dargestellt ist, stimmt mE nicht: Die tvA sagt, dass § 393 teleologisch zu reduzieren ist, wenn die Forderungen beider Beteiligten aus §§ 823 ff kommen, aber aus einem einheitlichen Lebensverhältis / Lebenssachverhalt resultieren, also einer Prügelei beispielsweise. Im vorliegenden Fall würde mE auch die tvA § 393 voll anwenden.

LELEE

Leo Lee

4.11.2023, 11:40:58

Hallo Sniter, vielen Dank für den Hinweis! Du hast natürlich völlig recht mit dem Ausnahmefall des einheitlichen Lebenssachverhalts. Wir haben diese Information als Vertiefung ergänzt :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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