Öffentliches Recht
Europarecht
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Omega")
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Omega")
11. April 2025
10 Kommentare
4,5 ★ (5.461 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die deutsche Gesellschaft D betreibt ein Laserdrome, wo spielerisch Menschen „getötet“ werden. D bezieht Laserwaffen von einer griechischen Firma. Die zuständige Behörde verbietet den Betrieb, da dieser die Menschenwürde verletzten würden und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle.
Diesen Fall lösen 74,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Omega")
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. D bezieht Laserwaffen von einer griechischen Firma. Ist der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Maßnahme der deutschen Behörde verstößt gegen das Diskriminierungsverbot.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Tragweite des Rechtfertigungsgrundes der öffentlichen Ordnung kann von den Mitgliedstaaten einseitig festgelegt werden.
Nein!
4. Die Unionsgrundrechte sind als zulässige Konkretisierung der Rechtfertigungsgründe anerkannt.
Genau, so ist das!
5. Laserdome ist in anderen Mitgliedstaaten erlaubt. Stellen unterschiedliche Vorstellungen über den Schutz der Menschenwürde der Verhältnismäßigkeit der deutschen Maßnahmen entgegen?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Claas action
14.2.2023, 19:48:47
Ist tatsächlich Art. 4 GRC oder eigentlich Art. 1 GRC gemeint? 🤔

Nora Mommsen
16.2.2023, 11:51:11
Danke dir Claas action, das war tatsächlich einfach ein Tippfehler. Wir haben die Angabe nun geändert. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
16.7.2023, 23:18:51
Also ich finde hier die Bejahung der Verhältnismäßigkeit schon ziemlich schwierig. Ich meine es wird hier jemandem sein Geschäft komplett untersagt, nur weil man mit lasern aufeinander zielt. Ich könnte es ja noch bei Paintball oder Softair Waffen verstehen, aber Lasertag Waffen sehen nicht ansatzweise aus wie echte Waffen (oder ist Laserdome was anderes) und vom simulierten töten zu sprechen finde ich auch eher konstruiert. Kann man das so sehen oder übersehe ich was in meiner Argumentation

Simon
19.7.2023, 23:38:59
Ich sehe das tatsächlich ähnlich wie du. Grundsätzlich sollte man mit der Menschenwürde eher zurückhaltend umgehen. Gerade im internationalen Kontext ist die Bedeutung der Menschenwürde eher unklar. So wird sie in den meisten Menschenrechtsverträgen nicht als eigene Garantie, sondern nur als Begründung bzw. Verankerung der Menschenrechte angesehen. Auch wenn das auf Unionsebene (Aet. 1 GRC) anders ist, zeigt das schon wie unterschiedlich die Menschenwürde von Staat zu Staat gehandhabt wird. Legt man die öffentliche Ordnung im Ang
esicht der Menschenwürde zu weit aus, so droht letztlich eine Unterwanderung der Grundfreiheiten durch die Mitgliedstaaten. Daher sollte man mE zurückhaltend sein. Zudem scheint mir die Menschenwürde hier eher im Sinne einer vermeintlich allgemeinen Sittlichkeitsnorm missverstanden zu werden. Wessen Menschenwürde soll hier konkret betroffen sein? Die Teilnehmer stimmen dem Laserdrome zu. Zumindest nach europäischer Vorstellung ist auch die Autonomie des Individuums ein Teil seiner Würde (s. Kant). Außenstehende mögen die Simulation eines Kampfgeschehens anstößig finden - ihre Menschenwürde wird dabei aber mE nicht tangiert. Damit zeigt sich: Eigentlich geht es um den Schutz gewisser Sittlichkeitsvorstellungen. Ob das eine derart starke Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheitrechtfertigen kann, scheint mir in der Tat zweifelhaft. Auch würde man keinem Kind verbieten, mit seinen Freunden "Räuber und Gendarm" zu spielen. Eine andere Meinung kann man, wie ich finde, daher gut vertreten.
Konrad1522
8.2.2024, 17:53:43
Worin besteht hier der grenzüberschreitende Bezug? Dass die gelieferten Laser aus Griechenland kommen hat ja nichts mit der
Dienstleistungsfreiheitzu tun.
Bioshock Energy
14.3.2024, 12:31:00
Das habe ich mich auch gefragt. Eine deutsche
Behördeuntersagt einer deutschen Gesellschaft den Betrieb. Für mich liegt hier auch kein grenzüberschreitender Bezug vor, es sei denn man stellt darauf ab, dass theoretisch auch Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten die Leistungen der Gesellschaft in Anspruch nehmen könnten. Würde man darauf abstellen würde der Grenzüberschreitende Bezug aber in so gut wie allen Fällen bejaht werden müssen. LG

Sebastian Schmitt
18.12.2024, 13:50:10
Hallo @[Konrad1522](153272), hallo @[Bioshock Energy](207759), der EuGH verfolgte hier in der unserem Fall zugrunde liegenden Entscheidung (EuZW 2004, 753 - Laserdrome) einen recht großzügigen Maßstab, was den grenzüberschreitenden Bezug angeht. Er hat darauf abgestellt, dass die Untersagung des Betriebs jedenfalls für die Zukunft geeignet wäre, Vertragsbeziehungen zu dem im EU-Ausland sitzenden Lieferunternehmen zu unterbinden und Geschäftsbeziehungen einzuschränken. Letztlich ließ es der EuGH genügen, dass die EU-Grundfreiheiten jedenfalls nicht offensichtlich unbetroffen seien. Wörtlich heißt es (753 f, Rn 18-21): "18. Die Bekl. wirft die Frage der Zulässigkeit der Vorlagefrage auf, und zwar genauer gesagt der Anwendbarkeit der Gemeinschaftsrechtsvorschriften über die Grundfreiheiten in diesem Rechtsstreit. Ihrer Ansicht nach betraf die Untersagungsverfügung vom 14.9.1994 kein Verhalten mit grenzüberschreitendem Bezug und konnte somit nicht die vom EG-Vertrag verbürgten Grundfreiheiten einschränken. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung sei die der Kl. von Pulsar angebotene Anlage noch nicht geliefert gewesen, und kein Franchisevertrag habe die Kl. verpflichtet, die von der Untersagung betroffene Spielvariante anzubieten. 19. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich Sache der mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte ist, in deren Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit sie ihr Urteil erlassen können, als auch, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erheblich sind. Betreffen also die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden [...]. 20. Nach dieser Rechtsprechung kann der Gerichtshof außerdem die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urt. PreussenElektra, Rdnr. 39, Canal Satélite Digital, Rdnr. 19, Adolf Truley, Rdnr. 22, Korhonen u.a., Rdnr. 20, und Kapper, Rdnr. 25). 21. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch wenn nämlich die Kl. ausweislich der Akten zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 14.9.1994 noch keine Liefer- oder Franchiseverträge mit dem im Vereinigten Königreich niedergelassenen Unternehmen förmlich geschlossen hatte, genügt die Feststellung, dass diese Verfügung jedenfalls in Anbetracht ihrer Wirkung auch für die Zukunft und unter Berücksichtigung der mit ihr ergangenen Untersagung geeignet ist, die künftige Entwicklung von Vertragsbeziehungen zwischen den beiden Geschäftspartnern einzuschränken. Somit ist nicht offensichtlich, dass die Auslegung der die
Dienstleistungsfreiheitund die
Warenverkehrsfreiheitverbürgenden Vertragsbestimmungen, um die das vorlegende Gericht mit seiner Frage ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht." Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Skra8
15.5.2024, 11:40:29
Liebes JuraFuchs-Team, meiner Meinung nach fehlt es in der hier abgewandelten Variante an dem grenzüberschreitenden Element. Der Sachverhalt gibt zwar wieder, dass die Laserwaffen von einer griechischen Firma bezogen werden, allerdings tue ich mich schwer, daraus zu lesen, dass die
Dienstleistungsfreiheitgemäß Art. 56 ff.
AEUVeinschlägig sei und nicht die
Warenverkehrsfreiheitgemäß Art. 28 ff.
AEUV. Um diese Unterscheidung deutlich zu machen, würde ich den Sachverhalt näher an die Originalentscheidung in der Rechtssache C-36/02 anlehnen, wo zwischen der Omega Spielhallen- und Automatenaufstellungs GmbH und der Pulsar International Ltd. ein Franchisevertrag für das Format des Laserdromes geschlossen wurde. Aus dem Zusatz, dass ein Franchisevertrag zwischen den Parteien besteht, lässt sich meiner Meinung nach das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Elements besser begründen. Gruß