Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

AGB

Fahrlässigkeitsmaßstäbe § 309 Nr. 7

Fahrlässigkeitsmaßstäbe § 309 Nr. 7

20. Mai 2025

22 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F kauft bei E einen neuen Fernseher für die Fußball-EM. In den AGB des Kaufvertrags steht, dass die Haftung für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen des Verwenders ausgeschlossen ist. Als F den Fernseher auspackt, ist dieser irreparabel aufgrund leichter Fahrlässigkeit der E beschädigt.

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Einordnung des Falls

Fahrlässigkeitsmaßstäbe § 309 Nr. 7

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die AGB-Klausel hinsichtlich des Haftungsausschlusses verstößt gegen § 309 Nr. 7 a) BGB.

Ja, in der Tat!

Für Schäden an Leben, Körper und Gesundheit ist nach § 309 Nr. 7 a) ein Haftungsausschluss bereits für fahrlässige Pflichtverletzungen des AGB-Verwenders selbst sowie seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen unwirksam. (Leicht) Fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB) . Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt. Ein Haftungsausschluss ist nach § 309 Nr. 7 a) somit auch für leicht fahrlässig verursachte Personenschäden unzulässig. Da die Haftung für Personenschäden nicht ausdrücklich ausgenommen ist, stellt die AGB-Klausel einen Haftungsausschluss für leicht fahrlässig verursachte Personenschäden dar. Die Klausel verstößt daher gegen § 309 Nr. 7 a) BGB.
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2. Die Klausel verstößt gegen § 309 Nr. 7 b) BGB.

Nein!

Bei sonstigen Schäden ist nach § 309 Nr. 7 b) BGB eine Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit grundsätzlich zulässig, aber ein Haftungsausschluss für grob fahrlässige Pflichtverletzung des Verwenders selbst oder für vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders unwirksam. Die Unwirksamkeit einer Begrenzung der Vorsatzhaftung des Verwenders selbst ergibt sich bereits aus § 276 Abs. 3 BGB. Da die Klausel lediglich die Haftung für leicht fahrlässig verursachte Schäden ausschließt, verstößt sie nicht gegen das Klauselverbot für sonstige Schäden nach § 309 Nr. 7 b) BGB.

3. Der Haftungsausschluss ist wegen des Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 a) BGB insgesamt unwirksam.

Genau, so ist das!

In § 306 BGB findet sich keine ausdrückliche Regelungen zu AGB-Klauseln, die nur zum Teil unwirksam sind. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen AGB Klausel auf ihren noch zulässigen Inhalt ist nach herrschender Meinung aber unzulässig. Ansonsten könnte der Verwender risikolos überzogene AGB einführen, was dem Zweck des Gesetzes Verbraucher vor unwirksamen Klauseln zu schützen, zuwiderlaufen würde. Die nach § 309 Nr. 7 a) BGB unwirksame AGB-Klausel ist insgesamt unwirksam und darf nicht auf ihren nach § 309 Nr. 7 b) BGB zulässigen Teil reduziert werden. Die Haftung ist daher auch nicht für leichte Fahrlässigkeit bezüglich sonstiger Schäden beschränkt und der Haftungsausschluss insgesamt unwirksam.

4. F kann - sofern die Nacherfüllung scheitert - von E Schadensersatz aufgrund der Beschädigung nach den allgemeinen Vorschriften verlangen.

Ja, in der Tat!

Nach § 306 Abs. 2 BGB richtet sich der Inhalt des Vertrags bei entstehende Lücken durch unwirksame oder nichteinbezogene AGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Stellt der Vertrag trotz dieser Änderungen eine unzumutbare Härte für die andere Vertragspartei dar, ist er nach § 306 Abs. 3 BGB nichtig. Da der Vertrag ohne den Haftungsausschluss keine unzumutbare Härte für E darstellt, ist er nicht nichtig und die Haftung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften. F kann - sofern die Nacherfüllung scheitert - daher von E Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB verlangen. E haftet nach §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB für Vorsatz und Fahrlässigkeit.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CLAUD

Claudia

27.7.2023, 19:29:42

309 Nr. 7a) BGB umfasst doch nur die Verletzung von Personen und nicht durch Personen oder? Dann würde die Norm bei einer fahrlässigen

Beschädigung

des Fernsehers mithin einer Sache nicht greifen oder stehe ich hier auf dem Schlauch?

LELEE

Leo Lee

3.8.2023, 11:34:34

Hallo Claudia, Genauso ist es, "Verletzung von Sachen" sind nicht von § 309 Nr. 7a) BGB erfasst. Beachte jedoch, dass eine AGB-Prüfung immer "abstrakt" vorzunehmen ist. Sprich, der Schwerpunkt liegt nicht darauf, dass Nr. 7a) hier die

Beschädigung

des Fernsehers erfasst, sondern vielmehr darauf, dass (

konkludent

durch die Nichtklarstellung) auch Personenschäden quasi von dieser problematischen Klausel erfasst wird und somit "mittelbar" gegen Nr. 7a) verstößt. D.h. die Klausel bezieht sich auf jegliche Pflichtverletzungen durch leichter Fahrlässigkeit und mithin auch auf Personenschäden (was jedoch gegen Nr. 7a) verstößt):) Liebe Grüße Leo

FL

Flohm

31.8.2023, 08:52:42

Ich verstehe leider immer noch nicht warum Nr. 7a hier einschlägig ist und was der Fall mit einem Personen

schaden

zu tun hat.

Dogu

Dogu

22.11.2023, 23:28:31

Der Fall muss nichts mit einem Personen

schaden

zu tun haben. Es reicht, wenn die Klausel gegen ein Klauselverbot verstößt.

in persona

in persona

26.8.2024, 22:06:34

Hallo:) über eine ausführliche Erklärung wäre ich dankbar!

MAT

Matschegenga

18.9.2024, 10:00:54

Erklärung: Der Verwender will hier mit der Klausel die eigene Haftung wegen

leicht fahrlässig

er Pflichtverletzungen ausschließen. Wäre die Klausel wirksam, würde der Verwender unter anderem nicht für fahrlässig verursachte Schäden an Körper, Leben oder Gesundheit des Kunden haften. Daher verstößt die Klausel gegen § 309 Nr.7 lit.a BGB. Der Haftungsausschluss ist daher insgesamt unwirksam und greift daher auch nicht vorliegend im Fall mit dem Fernseher.

Juraluchs

Juraluchs

11.11.2024, 23:54:01

Im Übrigen ergibt sich die Unwirksamkeit schon aus § 309 Nr. 8b

BEN

benjaminmeister

1.12.2024, 18:57:01

Könnte man wirklich noch in die Aufgabe als Zusatzfrage übernehmen (also zum Beispiel unterstellen, dass die Haftungsbeschränkung Personenschäden ausnimmt und deshalb grundsätzlich wirksam ist) und danach fragen, ob V die Nacherfüllung verweigern kann.

AN

AngeD

7.12.2024, 12:07:49

Könnte mir jmd. in diesem Zusammenhang erklären, wie der Blue-Pencil Test vs. Verbot geltungserhaltenden Reduktion angewandt wird? mMn schließen sich beide gegenseitig aus?!

LELEE

Leo Lee

8.12.2024, 11:17:41

Hallo AngeD, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Du liegst mit deinem Gefühl (fast) sehr nah an der Antwort, denn es scheint auf den ersten Blick tats. so, als würden der Test und das Verbot der Reduktion sich diametral entgegenstehen. Beachte allerdings, dass das Verhältnis zw. den beiden nicht exklusiv, sondern vielmehr ergänzend ist. Der sog. blue-pencil-Test befindet sich "innerhalb" des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion und "entschärft" dieses Verbot insofern. Dies geschieht dadurch, dass diejenigen Teile, die an sich zulässig wären (und wo eben keine geltungserhaltende Reduktion nötig wäre, um zu retten), von den unzulässigen (die eben einer Reduktion zugänglich wären) Teilen getrennt werden. Das bedeutet also, dass der Blue-Pencil-Test eine Art "Vorstufe" zum Verbot bildet und versucht erstmal die an sich unproblematischen Teile zu retten, solange die Klausel auch ohne diese Teile Sinn ergeben. Wenn diese Teile unzertrennlich sind, dann werden sie als Einheit behandelt und dann mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ggf. "rausgekickt". Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Fornasier § 306 Rn. 22 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

schwemmely

schwemmely

8.3.2025, 10:34:33

Hallo, ich fand den Thread, in dem das Verhältnis von den 2 erklärt wurde, super. Nur merke ich, dass ich für das Verständnis noch 1-2 Beispiele bräuchte, wann was nun angewendet wird...Ist iwi immer noch so schwammig... Mir würde z.B. ein Beispiel helfen, was mal so und mal so formuliert wird, um den Unterschied genauer zu erkennen... LG

LMA

Lt. Maverick

18.4.2025, 21:35:06

Wichtig für die Anwendbarkeit des Blue-Pencil-Tests ist, dass „inhaltlich voneinander trennbare und einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen gegeben sind“. Im vorliegenden Fall ist es so, dass die Rede von „Pflichtverletzungen“ ist. Dies kann sich sowohl auf Pflichtverletzungen hinsichtlich der Hauptleistung als auch auf Schutz- und Rücksichtnahmepflichten beziehen. Inhaltlich können die jeweiligen Arten der Pflichtverletzungen nicht getrennt werden, da sie als Oberbegriff zusammengefasst wurden. Es geht nicht klar hervor, welche Form der Pflichtverletzung gemeint ist. Geltungserhaltend wäre die Reduktion, wenn man annehmen würde, dass nur das gelten würde, was sozusagen wirksam wäre. Das ist aber verboten. Den Blue-Pencil-Test kann man hier prima visualisieren. Was könnte man bei dieser Klausel denn wegstreichen, dass zumindest „sonstige Schäden“ noch erfasst werden? Nichts. Dreh- und Angelpunkt ist der Begriff „Pflichtverletzung“. Da kann sinngemäß nichts weg. Für einen Blue-Pencil-Test könnte man das Beispiel hier einfach umformulieren: „Die Haftung ist für [fahrlässige Personenschäden ausgeschlossen, ebenso ist die Haftung für]

leicht fahrlässig

e Schäden, die keine Personenschäden sind, ausgeschlossen.“ Der Blue-Pencil-Test ist aber eher im Arbeitsrecht anzutreffen. Da hilft es einschlägige BAG-Urteile zu lesen.

schwemmely

schwemmely

19.4.2025, 10:00:19

@[Lt. Maverick](229751) danke dir! D.h. stimmt die grds. Daumenregel, dass wenn ein unbestimmter Begriff oder eine Art unbestimmte Klausel vorliegt, der blue-pencil Test ausscheidet, weil, dann der Begriff selber ausgefüllt werden müsste und das unzulässig ist. Aber wenn man konkrete Benennungen hat, die voneinander abgespalten werden können oder eine konkretere Benennung einfach weggestrichen werden kann, weil dadurch z.b. Gesetzliche Rahmenbedingungen an die Stelle treten können, dieser anwendbar ist? :) LG

LMA

Lt. Maverick

19.4.2025, 10:38:20

Zunächst ist „Pflichtverletzung“ kein unbestimmter Rechtsbegriff. Der Gesetzgeber hat allerlei Bestimmungen getroffen, die diesen Begriff ausfüllen, z.B. §§ 241, § 281, § 282, §

823 BGB

sowie in speziellen vertraglichen Regelungen. Im Zusammenspiel von §§ 241 II, 823 I BGB ist klar, dass es sich bei Rechten um Körper, Gesundheit, Leben usw. (§ 309 Nr. 7a BGB) handelt. Verletzt eine Vertragspartei diese Rechte, so stellt das ebenso eine Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I S. 1 BGB dar. Wenn also eine Vertragspartei nun die Haftung für fahrlässige Pflichtverletzungen durch AGB einschränkt, so können Verletzungen hinsichtlich der vorgenannten Rechte inhaltlich und begrifflich nicht von „Pflichtverletzungen“ getrennt werden, denn sie stellen ebenso Pflichtverletzungen dar wie z.B. die verspätete Leistung. Würde man also annehmen, dass der Verwender nur solche Pflichtverletzungen meinte, die nicht von § 309 Nr. 7a BGB erfasst sind, dann wäre das ein Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Der Verwender könnte sich sonst bei eigentlich unwirksamen Klauseln darauf verlassen, dass die Gerichte zu seinen Gunsten nur das wirksame Überbleibsel aus der Klausel herauslesen. Das heißt, dass die Klausel so formuliert sein muss, dass sich Begriffe sinngemäß trennen lassen und inhaltlich ohne den unwirksamen Teil stehen können. Ein anderes Beispiel von Jurafuchs: „Die Haftung für

leicht fahrlässig

e Verletzungen von Personen- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.“ Der Teil hinsichtlich „Personenschäden“ ist wegen § 309 Nr. 7a BGB unwirksam. Vermögensschäden sind keine Personenschäden, damit nicht von § 309 Nr. 7a BGB erfasst. Würde man den Blue-Pencil-Test jetzt so anwenden, dass zumindest die Bestimmung hinsichtlich der Haftung für

leicht fahrlässig

verursachte Vermögensschäden wirksam bleibt, so würde es dennoch zu einer Verkürzung von Ansprüchen beim

Verwendung

sgegner kommen. Auch bei Personenschäden treten regelmäßig Vermögensschäden auf (z.B. Heilbehandlungskosten). Inhaltlich stehen Vermögensschäden somit in einem Zusammenhang mit Personenschäden. Der Blue-Pencil-Test kommt nicht zur Anwendung, auch wenn visuell „Personenschäden“ gestrichen werden könnte, hängen Vermögensschäden inhaltlich mit Personenschäden zusammen. Ist die Klausel also insgesamt unwirksam bzw. teilweise unwirksam, treten an deren Stelle die gesetzlichen Regelungen (§ 306 II BGB). Bei unbestimmten Rechtsbegriffen immer die kundenfeindlichste Deutung wählen, gerade die Mehrdeutigkeit ist ein Indiz für Kundenfeindlichkeit. Da käme kein Blue-Pencil-Test zur Anwendung. Es ist gerade nicht Aufgabe der Gerichte die für den Verwender günstigste Interpretation zu wählen. Vorsicht beim Blue-Pencil-Tests. Die Gerichte gehen selbst zaghaft und vorsichtig damit um.

schwemmely

schwemmely

19.4.2025, 11:18:33

Danke für deine Ausführungen!

Ware

n sehr hilfreich :)


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