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Schönheitsreparaturen

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Ersatzansprüche bei Vornahme Schönheitsreparaturen trotz unwirksamer Klauseln

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Ersatzansprüche bei Vornahme Schönheitsreparaturen trotz unwirksamer Klauseln

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V vermietet an M eine Wohnung für monatlich €800. V weiß, dass Schönheitsreparaturklauseln mit starren Fristen unwirksam sind. Dennoch vereinbart er per AGB mit M, dass M alle zwei Jahre Schönheitsreparaturen durchführen muss. Nach zwei Jahren lässt der unwissende M die Wohnungswände für €80 streichen. Kurz darauf klärt Jurastudent J den M über die Unwirksamkeit der Klausel auf.

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Einordnung des Falls

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Ersatzansprüche bei Vornahme Schönheitsreparaturen trotz unwirksamer Klauseln

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V trägt aufgrund der unwirksamen AGB-Klausel die Pflicht für Schönheitsreparaturen.

Ja!

Ist eine AGB-Klausel unwirksam, greift die gesetzliche Pflichtenverteilung. Demnach ist der Vermieter bei unwirksamer Abwälzung von Schönheitsreparaturklauseln auf den Mieter selbst dazu verpflichtet, diese vorzunehmen (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB).
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2. M hat gegen V einen Anspruch aus Culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Bezieht ein Vertragspartner unwirksame Klauseln in einen Vertrag ein, stellt dies die Verletzung einer vorvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar. Problematisch kann sein, ob der Vermieter diese Pflichtverletzung auch zu verschulden hat. An einem Verschulden fehlt es zumindest, wenn entsprechende Klauseln erst nach Vertragsschluss von der Rechtsprechung als unangemessene Benachteiligung des Mieters beanstandet worden sind.V hat absichtlich eine unwirksame Klausel verwendet, sodass er schuldhaft eine vorvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt hat. M hat gegen V einen Anspruch auf Ersatz der €80 (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB).

3. M hat gegen V einen Aufwendungsersatzanspruch wegen mangelhafter Mietsache (§ 536a Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Bei einer mangelhaften Mietsache kann der Mieter den Mangel selbst beseitigen und seine Aufwendungen ersetzt verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung im Verzug ist oder die Reparatur zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig sind. V befindet sich weder im Verzug einer Mangelbeseitigung, noch handelt es sich bei den Schönheitsreparaturen um Reparaturen, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig sind. Der Anspruch scheidet daher aus.

4. M hat gegen V einen Aufwendungsersatzanspruch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 539 Abs. 1 iVm. 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Nein!

Bei § 539 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, sodass die Voraussetzungen für eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen müssten. M wurde aufgrund seiner vermeintlichen Verpflichtung zu Schönheitsreparaturen tätig und handelte daher ohne Fremdgeschäftsführungswillen. Ein Aufwendungsersatzanspruch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt daher nicht in Frage.

5. M hat gegen V einen Anspruch auf Wertersatz aus dem Bereicherungsrecht (§§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Da vom Mieter durchgeführte Schönheitsreparaturen bei einer unwirksamen Klausel ohne Rechtsgrund erbracht wurden (§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB), ist der Vermieter zum Ersatz nach § 818 BGB verpflichtet. Mangels Möglichkeit zur Herausgabe in natura hat der Vermieter Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten. Bei Schönheitsreparaturen durch einen Handwerksbetrieb kann der Mieter somit die Kosten für die Renovierung ersetzt verlangen. M kann von V €80 Wertersatz für die Streichkosten verlangen (§§ 812 Abs. 1 S. 1, ALt. 1, 818 Abs. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FML

FML

8.6.2021, 15:43:12

Sollte man hier bei der letzten Frage den 812 BGB als AGL nicht lieber mitzitieren?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.6.2021, 22:55:47

Das ist in der Tat sauberer. Wir haben das nun ergänzt :) Danke Dir!

LI

Lisa_Kr

10.2.2023, 18:30:23

Ist das Streichen wirklich eine Leistung iSv § 812 I 1 Var. 1 BGB?

FML

FML

10.2.2023, 19:55:25

Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist die bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Das Streichen einer fremden Wohnung fällt da problemlos drunter.

DIAA

Diaa

31.8.2023, 13:23:24

wo liegt der Rechtsgrund?

Blan

Blan

19.10.2023, 08:38:05

Es besteht kein Rechtsgrund, da die Klausel unwirksam war und die Pflicht dem V obliegen hätte zu renovieren. Daher hat M

rechtsgrundlos

das Vermögen des V gemehrt indem er trotzdem renoviert hat.

JURA

juravulpes

24.3.2024, 11:17:47

Warum wird hier die GoA abgelehnt? Nach der Rechtsprechung des BGH müsste doch ein auch-fremdes Geschäft vorliegen, bei dem der FGW vermutet wird?

LELEE

Leo Lee

29.3.2024, 07:03:12

Hallo juravulpes, vielen Dank für die sehr gute Frage! IN der Tat wird bei einem auch-fremden Geschäft ein FGW vermutet. Allerdings bedeutet eine Vermutung, dass „Tatsächlichkeiten“ vorgehen (dann wird die Vermutung widerlegt!). So liegt es auch hier: Zwar wird nach außen hin ein Geschäft vorgenommen, was sowohl dem Mieter als auch dem Vermieter zustattenkommen. Allerdings wissen wir hier genau, was der Mieter dabei dachte (also ob er das Geschäft für sich selbst oder (auch) für den Vermieter vorgenommen hat). Und weil der Mieter in diesem Fall – weil er eben nicht wusste, dass der Vermieter eigentlich den Zustand erhalten muss – irrtümlich davon ausging, dass er den Zustand herstellen und entsprechend handeln muss, hat er ausschließlich im EIGENEN Interesse (also in der irrtümlich angenommenen Pflicht) agiert. Mithin lag kein FGW, sondern vielmehr EIGENgeschäftsführungswille vor. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Bieber § 539 Rn. 10 (erster Stichpunkt) sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

JURA

juravulpes

29.3.2024, 07:23:39

Das ist ja bei unerkannt nichtigen Verträge immer so, dass der Schuldner leistet, weil er irrtümlich davon ausgeht, zur Leistung verpflichtet zu sein und trotzdem hat der BGH – zumindest in der Vergangenheit – in diesen Fällen immer die Voraussetzungen der GoA bejaht.

SH

Showstehler

18.4.2024, 20:08:28

Ist der weg zur GoA nicht schon durch das ablehnen von 536a abs. 2 versperrt?

Whale

Whale

8.8.2024, 09:19:58

Warum prüfen wir hier eine vorvertragliche Verletzung der Rücknahmepflichten? Wird die Verletzung etwa von der Aufnahme der AGB in den Vertrag abhängig gemacht? Aber die werden ja auch erst mit Vertragsschluss aufgenommen

Tobias Krapp

Tobias Krapp

12.8.2024, 15:19:53

Hallo Whale, danke für deine Nachfrage. Deine Vermutung ist genau richtig, die Verletzung basiert auf der Verwendung der AGB. Zwar ist es richtig, dass diese erst mit Vertragsschluss verbindlich vereinbart werden. Dafür müssen sie aber gerade bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses von einer Partei vorformuliert, in die Vertragsurkunde aufgenommen und dann der anderen Partei bei Vertragsschluss vorgelegt worden sein. Gerade dies ist bei unwirksamen, den Vertragspartner unangemessen benachteiligenden AGB die Pflichtverletzung. Daher ist der Bezugspunkt ein vorvertraglicher, vgl. zum Ganzen BGH Urteil vom 27.05.2009, VIII ZR 302/07. Deswegen greift bei entsprechendem Vertretenmüssen die c.i.c. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

ROBT

RobTop

5.11.2024, 16:23:55

Scheidet ein Anspruch aus § 536 II nicht ohnehin aus, da kein Mangel i.S.d. § 536 vorliegt?


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