Referendariat

Die StA-Klausur im Assessorexamen

Das materielle Gutachten

Zeugnisverweigerung erst im Prozess - schriftliche Mitteilungen und Erklärungen

Zeugnisverweigerung erst im Prozess - schriftliche Mitteilungen und Erklärungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im Ermittlungsverfahren gegen B wegen Körperverletzung zum Nachteil ihres Ehemannes E legte E bei seiner Zeugenvernehmung einen Brief vor, den er am Tattag an B geschrieben hat. Er enthält Angaben, die B erheblich belasten. E nimmt während seiner Vernehmung mehrfach Bezug auf einzelne Passagen des Briefs. In der Hauptverhandlung hat es sich E anders überlegt und verweigert seine Aussage.

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Einordnung des Falls

Zeugnisverweigerung erst im Prozess - schriftliche Mitteilungen und Erklärungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E kann sich nur vor seiner ersten Vernehmung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO berufen.

Nein!

Ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge kann sich jederzeit, also auch erst in einer späteren Vernehmung auf die Verweigerung seines Zeugnisses unter Hinweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen (vgl. § 252 StPO). Es ist dafür unerheblich, ob der Zeuge zuvor bereits Angaben zur Sache gemacht hat, schriftliche Mitteilungen oder Erklärungen abgegeben hat oder nicht. E kann sich daher auch erst während der Vernehmung in der Hauptverhandlung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO berufen (§ 252 StPO).
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2. Da E in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern Gebrauch macht, darf das Vernehmungsprotokoll über die zuvor von ihm gemachten Angaben in der Verhandlung nicht verlesen werden.

Genau, so ist das!

Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen nicht verlesen werden, wenn er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Die Äußerungen, die E in der vorherigen Vernehmung gemacht hat, dürfen nicht in das Verfahren eingeführt und verwertet werden (§ 252 StPO) § 252 StPO verbietet über seinen Wortlaut hinaus nicht nur die Verlesung des Vernehmungsprotokolls, sondern auch die Vernehmung des polizeilichen Vernehmungsbeamten. Denn andernfalls ließe sich der durch die §§ 52, 252 StPO gewährte Schutz vollständig aushebeln.

3. Wie die Äußerungen darf auch der von E in der Vernehmung vorgelegte Brief an die Beschuldigte B nicht verwertet werden.

Ja, in der Tat!

Schriftliche Mitteilungen und Erklärungen des Zeugen in dem anhängigen Verfahren oder einem anderen Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren sind nach h.M. auch bei späterer Zeugnisverweigerung grundsätzlich jederzeit verwertbar. Dies gilt insbesondere für Erklärungen des Zeugen in Briefen an die Beschuldigte oder gegenüber anderen Zeugen. Eine Ausnahme gilt jedoch für diejenigen Schriftstücke, die der Zeuge bei seiner Vernehmung übergeben hat und die Bestandteil seiner Aussage geworden sind. Sie sind unverwertbar. E hat den Vernehmungsbeamten während der Zeugenvernehmung einen Brief übergeben, der einige die B belastende Angaben enthält. Zudem nahm er während seiner Vernehmung mehrfach Bezug auf Abschnitte des Briefs. Der Inhalt des Briefs ist damit noch von der Reichweite des § 252 StPO erfasst und folglich unverwertbar. Soweit schriftliche Erklärungen des Zeugen verwertbar sind, können sie als Urkunden nach § 249 StPO in den Prozess eingeführt werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FABY

Faby

1.4.2024, 19:04:24

Was meint das genau? Kann jemand ein Beispiel nennen? 😊

SY

sy

3.4.2024, 22:04:25

wenn der zeuge in der Vernehmung den Brief dabei hatte und sich etwa exakt auf etwaige Passagen beruft, oder konkret zum Ausdruck bringt, dass seine Aussage genau dem Inhalt des Briefes entspricht - sowas könnte ich mir vorstellen :)

Nocebo

Nocebo

17.5.2024, 10:18:00

"Ablichtungen dieser Schriftstücke hatte Erika W. bei ihrer Vernehmung durch die Polizei überreicht und in ihrer Aussage ausdrücklich auf den Inhalt Bezug genommen." (NJW 1968, 2018, beck-online) So steht es im BGH-Sachverhalt, auf die Anwendung des §

252 StPO

auf Schriftstücke beruht :)


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